Wachsam und neugierig blickt Hermine auf das Schauspiel herunter: auf die Freilichtbühne mit der Burg von Nottingham und dem Sherwood Forest, auf die Männer und Frauen in ihren mittelalterlichen Kostümen. Hermine spielt als Falke beim "Robin Hood"-Theater in Sömmersdorf mit. Wobei sie gar kein Falke, sondern ein weiblicher Wüstenbussard ist.
Das Auftreten des eleganten Vogels ist eine weitere Augenweide beim Open-Air-Theater. Wenn Hermine ihre weiten Flügel aufspannt und mit klugem Blick in die Runde sieht, fasziniert sie den Betrachter. Als Greifvogel, als vermeintlicher Falke, unterstreicht sie die Macht und Autorität des Sheriffs von Nottingham. Wobei nicht dieser beziehungsweise sein Darsteller Klaus Büttner den Vogel auf die Bühne trägt, sondern sein Haushofmeister Storm, gespielt von Thomas Schmitt.
"Das war völlig neu für mich, ich hab' zu Hause nur einen Papagei", lächelt der Laien-Schauspieler. Aber er hat keine Angst vor dem großen, prächtigen Tier, vielmehr interessiert es ihn und er hegt und pflegt es. Daher hat auch Vogelbesitzer Georg Mai Vertrauen, dass seine Hermine für die Spielzeit bei ihm in guten Händen ist.
Falke erlegt Feldhasen und Kaninchen
Georg Mai ist von Beruf Metzger im benachbarten Poppenhausen. In seiner Freizeit geht er seinem Hobby als Jäger und Falkner nach. Als Falkner darf er Greifvögel und sogenannte Falkenartige halten, abrichten und mit ihnen auf die Jagd gehen, auf die sogenannte Beize. "Man muss dafür neben der Jägerprüfung auch die Falknerprüfung ablegen", erklärt Mai. Neben Hermine hält er noch einen Wanderfalken und einen Habicht.
Mit seinen Vögeln erlegt der Poppenhäuser tatsächlich Feldhasen und Kaninchen in der Flur, "nicht so wie in den Shows", lacht er. Beim "Robin Hood"-Theater wird Hermine, die kein Show-Vogel ist, aus Sicherheitsgründen aber nicht über den Köpfen der Zuschauer kreisen.
Die Jagd mit seinen Vögeln funktioniere "wie in der freien Natur", erklärt Mai. Wenn sie hungrig seien, würden sie eben ihre Beute schlagen. Was nicht heiße, dass sie von ihm nicht gefüttert würden. "Ich wiege die Vögel vor jeder Jagd", sagt der Falkner. So könne man sehen, wie hungrig sie sind und sie auf diese Weise auch gut trainieren. "Wie bei Spitzensportlern." Sein Wüstenbussard bringt es übrigens nur auf ein Kilogramm Gewicht.
Die erlegten Feldhasen landen in Georg Mais Küche, "das ist gut, die sind ohne Schrotkugeln", meint er lachend. Die Kaninchen erhalten seine Vögel als Futter. Diese fressen außerdem gerne Tauben oder Eintagsküken, erzählt Mai.
Greifvogeljagd besitzt lange Tradition
Die Jagd mit Greifvögeln wurde schon vor über 5000 Jahren gepflegt: in Mesopotamien und in der mongolischen Steppe. Im Hochmittelalter erlebte sie eine Blütezeit, weil es infolge der Kreuzzüge neue Kontakte in den Osten und zu arabischen Falknern gab. Kreuzzüge spielen auch in der Robin-Hood-Legende eine Rolle. Auch im Theaterstück wird der "Falke" als ein Statussymbol des Mächtigen vorgeführt.
Seit 2010 ist die Falknerei durch die UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Das hat sie mit Sömmersdorf gemeinsam: Denn auch die Fränkischen Passionsspiele Sömmersdorf sind 2020 ins Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen worden.