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Schweinfurt
Prozess um Tod auf dem Radweg in Bad Neustadt: 19-Jähriger handelte laut Sachverständigem "kaltblütig und zielgerichtet"
Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines 26-Jährigen schätzt der Sachverständige den Hauptangeklagten als voll schuldfähig ein. Wie sieht die Sozialprognose aus?
Am dritten Verhandlungstag vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Schweinfurt kam ein Sachverständiger zu Wort, der den 19-jährigen Angeklagten als voll schuldfähig einschätzte.
Foto: Daniel Peter | Am dritten Verhandlungstag vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Schweinfurt kam ein Sachverständiger zu Wort, der den 19-jährigen Angeklagten als voll schuldfähig einschätzte.
Heinrich Wullhorst
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:21 Uhr

Aus Mordlust oder sonstigen niedrigen Beweggründen sollen zwei junge Männer im November 2021 in Bad Neustadt den 26-jährigen Josef D. getötet haben. Vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Schweinfurt läuft derzeit der Prozess gegen einen 19-Jährigen, seinen 21-jährigen mutmaßlichen Mittäter und einen weiteren Beteiligten, der dem 21-Jährigen ein Klappmesser zur Verfügung gestellt haben soll, das bei der Tat aber nicht eingesetzt wurde. Ihn klagt die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe an.

Der 19-Jährige räumte bereits am ersten Verhandlungstag die vorsätzliche Tötung mittels eines Küchenmessers ein, aber Mordmerkmale wie Mordlust, niedere Beweggründe, Heimtücke und Grausamkeit stellte er in Abrede. Seine Mitangeklagten wiederum streiten die Tatvorwürfe ab. Beide wollen nicht gewusst haben, dass der 19-Jährige Josef D. töten wollte

Der Bericht der Jugendgerichtshilfe und die Ausführungen des Sachverständigen am dritten Verhandlungstag in der Schweinfurter Stadthalle machten deutlich, dass der 19-Jährige bereits in seiner frühen Kindheit ein auffälliges Verhalten an den Tag gelegt hat. Sein gesamter Lebenslauf ist geprägt von Abbrüchen unterschiedlicher Ausbildungen und Maßnahmen. Selbst Aufenthalte in Einrichtungen, die seiner sozialen Reintegration nach Straftaten dienen sollten, konnte der Angeklagte nicht durchhalten.

19-Jähriger soll eine schwere Form von ADHS haben

Der Gutachter musste sich bei seinen Feststellungen im Wesentlichen auf den Inhalt der Akten und die persönlichen Eindrücke aus der Hauptverhandlung stützen, da der Angeklagte nicht bereit gewesen sei, mit ihm zu sprechen. Insoweit machte er sich den Befund einer jugendpsychatrischen Klinik aus Würzburg zu eigen, die dem Angeklagten eine schwere Form von ADHS, einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung attestiert hatte. "Der Angeklagte ist ein junger Mann, der eine sich beschleunigende Entwicklung zu Dissozialität mit dem vorläufigen Höhepunkt einer Tötung durchlaufen hat", betonte der Sachverständige.

Die ADHS-Erkrankung und der eingeräumte Konsum von Cannabis führen allerdings nicht dazu, dass der Angeklagte schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gewesen sei. Dazu hätte es, so der Gutachter, einer Einschränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bedurft, die er aber nicht feststellen könne. Die Tat sei geplant gewesen und nicht etwa im Affekt begangen. Auch dass er im Nachgang der Tat das Handy von Josef D. und die Tatwaffe beseitigt habe, spreche gegen eine verminderte Steuerungsfähigkeit.

Das Handeln des Angeklagten erscheine vielmehr zielgerichtet und kaltblütig. Das Rückfallrisiko bewertete der Sachverständige als mittelhoch bis hoch – auch im Hinblick auf die Begehung weiterer schwerer Taten. Daher empfahl er eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht und den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. Im Jugendstrafrecht kann eine Sicherungsverwahrung neben der Strafe nicht ausgesprochen, aber im Urteil vorbehalten werden. 

Angeklagter soll bei Mithäftlingen mit Tat angegeben haben

Am Vormittag hatte ein ehemaliger Mithäftling des 19-Jährigen geschildert, wie dieser gleich nach seiner Inhaftierung gegenüber Mitgefangenen mit seiner Tat angegeben und diese in allen brutalen Einzelheiten geschildert habe. Er habe davon berichtet, dass er mit einem weiteren jungen Mann Josef D. in einen Hinterhalt gelockt, ihm dort dann eine Bierflasche durch das Gesicht gezogen und ihn danach mit mehreren Stichen getötet habe. Der mutmaßliche Mittäter habe sich bei der Tatbegehung anscheinend zurückgehalten.

Im Hinblick auf den dritten Angeklagten, den die Staatsanwaltschaft der Beihilfe beschuldigt, könnte der Verhandlungstag Erkenntnisse dahingehend gebracht haben, dass die Beschuldigtenvernehmung, in der er seinerzeit auf dem Polizeirevier ausgesagt hatte, möglicherweise nicht verwertet werden darf. Das hängt damit zusammen, dass einem heranwachsenden Tatverdächtigen im Falle der Beschuldigung einer Verbrechensbeteiligung ein Pflichtverteidiger zur Verfügung gestellt werden muss. Der Polizeibeamte, der die Vernehmung damals führte, musste einräumen, dass dies nicht erfolgt sei. Das Gericht wird daher im Urteil zu prüfen haben, ob im Hinblick auf diese Aussage ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot besteht.

Die Verhandlung wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt.

 
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