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Schweinfurt
Prozess um Tod am Radweg in Bad Neustadt: Was Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidiger fordern
An diesem Donnerstag sollen im Prozess um den Tod des 26-jährigen Josef D. die Urteile gesprochen werden. Am sechsten Verhandlungstag standen die Plädoyers an.
Vor dem Landgericht Schweinfurt geht der Prozess um den Tod eines Radfahrers in Bad Neustadt dem Ende zu: Zwei jungen Männern wirft die Staatsanwaltschaft Mord vor, einem Dritten Beihilfe zum Mord. 
Foto: Daniel Karmann, dpa | Vor dem Landgericht Schweinfurt geht der Prozess um den Tod eines Radfahrers in Bad Neustadt dem Ende zu: Zwei jungen Männern wirft die Staatsanwaltschaft Mord vor, einem Dritten Beihilfe zum Mord. 
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 09.02.2024 09:10 Uhr

Weiter könnten die Vorstellungen, wofür sich die drei jungen Männer verantworten müssen und wie sie dafür zu bestrafen sind, kaum auseinander liegen. Im Prozess um den gewaltsamen Tod des 26-jährigen Josef D. am 21. November 2021 an einem Radweg in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) stehen an diesem Mittwoch die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung an.

Worin sich alle einig sind: Was sich da in den späten Stunden zugetragen hat, sei eine abscheuliche, grausame Tat. Für den Verteidiger der Nebenklage, der die frühere Frau des 26-Jährigen vor dem Schweinfurter Landgericht vertritt, sogar das "Empathieloseste, das ihm je begegnet ist".

Wie also sind die jungen Männer zu bestrafen?

Da ist einmal der 19-Jährige. Er hatte zu Beginn dieses Prozesses über seine Verteidiger die "vorsätzliche Tötung" von Josef D. eingeräumt. Staatsanwalt Reinhold Emmert führt am Mittwoch die Tat, wie er sie als erwiesen sieht, aus. Und beschreibt, wie der 19-Jährige aus seiner Sicht an dem Abend den Entschluss fasste, Josef D. wegen vermeintlicher Schulden zu töten.

Wie er Josef D., mit einem Messer bewaffnet, auf einen Spielplatz lockt. Und wie er ihn mit sechs Messerstichen tödlich verletzt – und rauchend abwartet, wie er verblutet.

Staatsanwaltschaft sieht bei 19-Jährigem vier Mordmerkmale erfüllt

Der Staatsanwalt sieht bei dem 19-Jährigen vier Mordmerkmale erfüllt: Mordlust, Heimtücke, Grausamkeit und niedrige Beweggründe. Schulden in Höhe von 100 Euro seien kein Grund, jemanden zu töten. "Josef D. war ein Zufallsopfer", sagt Emmert. Der 19-Jährige habe sein Bedürfnis, als "Herr über Leben und Tod" zu stehen, stillen wollen. Und habe sich danach noch mit seiner "Heldentat" im Gefängnis gebrüstet.

Der 19-Jährige habe am Tatort Josef D. ablenken wollen, indem er vorgab, eine vierte Person, die ihm Drogen verkaufen würde, sei aufgetaucht. Er habe D. dann eine Flasche ins Gesicht geschlagen und damit dessen "Arg- und Wehrlosigkeit" ausgenutzt.

Die Staatsanwaltschaft schlägt vor, den 19-Jährigen wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. Emmert sieht auch die besondere Schwere der Schuld gegeben und beantragt den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. Das teilweise Geständnis des Angeklagten und sein Entschuldigungsbrief änderten daran nichts: "Mein Antrag wäre kein anderer, wenn er gar nichts gesagt hätte", sagt Emmert. 

Die Anwälte des 19-Jährigen sehen das anders. Für sie sind die Mordmerkmale nicht erfüllt. Sie beantragen, ihren Mandanten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren nach Jugendstrafrecht zu verurteilen.

Staatsanwalt über den Mitangeklagten: "In die Tat hineingezogen worden"

Dann ist da der 21-Jährige, der ebenfalls wegen Mordes angeklagt ist. Auch bei ihm sieht die Staatsanwaltschaft drei Mordmerkmale erfüllt. Er habe dem Tatvorhaben zugestimmt und habe sich mit dem 19-Jährigen ein Messer geliehen. Als sich Josef D. wehren wollte, habe er ihm ins Gesicht getreten. "Trotzdem ist er irgendwie in die Tat hineingezogen worden", sagt Staatsanwalt Emmert.

Er beantragt, den 21-Jährigen wegen Mordes in Mittäterschaft zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. Der junge Mann habe die Grenze zum Erwachsenenstrafrecht wenige Tage vor der Tat überschritten.

Seine Verteidiger sehen all das anders. Sie führen aus, dass der Fußtritt, den ihr Mandant Josef D. gegeben haben soll, vom Gerichtsmediziner nicht sicher festgestellt werden konnte. Zudem stelle sich die Frage, ob der 21-Jährige das Messer tatsächlich während der Tat in der Hand hielt und Josef D. damit bedroht habe. Ein Verteidiger fragt: "Welche Motivation hatte er, Josef D. zu töten? Er hatte keinen Anlass dafür."

Verteidiger des 21-Jährigen wollen Freispruch

Dass er sich ein Messer lieh, mache ihn nicht zum Täter. Schließlich sei, so hieß es in der Einlassung des 21-Jährigen, keine Gefahr von Josef D. ausgegangen. "Wir haben uns über alltägliche Dinge unterhalten", ließ er verlesen. Zudem sei immer wieder in den Zeugenaussagen zu hören gewesen, dass der 21-Jährige mehrmals "Hör auf, lass das" zu dem 19-Jährigen gesagt habe.

"Die Anwesenheit von ihm reicht hier offenbar schon, um von einer Mittäterschaft auszugehen", sagt einer der Verteidiger des jungen Mannes. Die Mordmerkmale, von der die Staatsanwaltschaft spricht, hält er für "völlig abwegig". Er beantragt, seinen Mandanten vom Vorwurf des Mordes freizusprechen und "allenfalls wegen unterlassener Hilfeleistung" zu bestrafen. Also mit einer Freiheitsstrafe, die nicht über dem liegt, was bisher von ihm bereits verbüßt ist.

Staatsanwalt über den dritten Angeklagten: wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet

Und dann ist da noch der 21-jährige, der den beiden Kumpeln das Messer ausgeliehen haben soll. Laut Staatsanwalt soll er von deren Vorhaben gewusst haben. Auch bei ihm sieht die Staatsanwaltschaft, obwohl er am Tatort nicht dabei war, Mordmerkmale erfüllt. 

Dennoch habe der 21-Jährige durch seine Vernehmungen bei der Polizei einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet, betont Staatsanwalt Emmert. Und das Messer, das er den beiden geliehen habe, sei nicht die Tatwaffe gewesen. Die Staatsanwaltschaft beantragt, den 21-Jährigen wegen Beihilfe zum Mord zu einer Haftstrafe von acht Jahren nach Jugendstrafrecht zu verurteilen.

Seine Anwälte beziehen sich in ihren Plädoyers vor allem auf die erste Vernehmung ihres Mandanten am Tag nach der Tat. Sie haben dafür ein Verwertungsverbot beantragt. Der zuständige Polizeibeamte habe dem 21-Jährigen nicht rechtzeitig die Möglichkeit eines Pflichtverteidigers eingeräumt. Die Verteidiger beantragen deshalb, ihn vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freizusprechen.

Der Vertreter der Nebenklage stimmt den Vorschlägen der Staatsanwaltschaft zu. Das Urteil soll an diesem Donnerstag, 27. Oktober, gesprochen werden.

 
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