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Schweinfurt
Prozess um Tod am Radweg in Bad Neustadt: Angeklagte zu langen Haftstrafen verurteilt
Am Donnerstag ging der Prozess um den Tod von Josef D. zu Ende. Wie das Schweinfurter Gericht zu seiner Einschätzung kam und wie lange die drei Männer ins Gefängnis müssen.
In der Stadthalle Schweinfurt ist am Donnerstag das Urteil im Prozess um den gewaltsamen Tod des 26-jährigen Josef D. in Bad Neustadt gefallen.
Foto: Benjamin Brückner | In der Stadthalle Schweinfurt ist am Donnerstag das Urteil im Prozess um den gewaltsamen Tod des 26-jährigen Josef D. in Bad Neustadt gefallen.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:17 Uhr

Das Urteil im Prozess um den gewaltsamen Tod des 26-jährigen Josef D. ist gefallen: Für die Große Jugendkammer am Landgericht Schweinfurt ist das, was sich am 21. November 2021 an einem Radweg in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) in den späten Abendstunden abgespielt hat, Mord. Sie sieht sowohl bei dem 19-jährigen Hauptangeklagten, als auch bei seinem 21-jährigen Mitangeklagten die drei Mordmerkmale Heimtücke, niedrige Beweggründe und Grausamkeit erfüllt.

Die Entscheidung: Das Landgericht Schweinfurt verurteilt den 19-Jährigen wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren nach Jugendstrafrecht. Die Kammer sieht die besondere Schwere der Schuld gegeben und beantragte den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung. Vorbehalt deshalb, weil im Jugendstrafrecht eine Sicherungsverwahrung neben der Strafe nicht ausgesprochen werden kann.

"Er hat einen Hang zu erheblichen rechtswidrigen Taten und es besteht die Gefahr, dass er weitere begehen wird", begründet die Vorsitzende Richterin, Angelika Drescher, die Entscheidung und verweist auf das Gutachten eines Sachverständigen.

Gericht: Die beiden 21-Jährigen leisteten Aufklärungshilfe

Der 21-jährige Mitangeklagte wird – ebenfalls wegen Mordes – zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Für Drescher steht fest: "Er hat einen erheblichen Beitrag zu der Tat des 19-Jährigen geleistet, ohne den sie nicht durchgeführt worden wäre."

Der zweite 21-Jährige, der den beiden anderen ein Messer geliehen haben soll, muss für drei Jahre und sechs Monate in Haft. Das Gericht urteilt bei ihm wegen "erheblicher Reife-Rückstände" nach Jugendstrafrecht. Der Angeklagte sei "nah an der Tatverwirklichung" gewesen und habe von dem Vorhaben gewusst. Bei der Strafzumessung hält das Gericht den beiden Mitangeklagten jedoch zugute, dass sie Aufklärungshilfe geleistet und somit maßgeblich zur Aufklärung beigetragen hätten.

Bereits in der Wohnung den Tatentschluss gefasst

Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der 19-Jährige bereits in der Wohnung des Mitangeklagten den Entschluss gefasst habe, den 26-jährigen Josef D. zu töten. Er habe dessen Verhalten als "respektlos, dreist und anmaßend" empfunden. Es sei um Schulden in Höhe von 100 Euro gegangen, an die Josef D. ihn erinnert habe.  

Der 21-jährige Kumpel, so steht es für das Gericht fest, habe ebenfalls "Bock auf Stress" gehabt und zugestimmt. Also sei man mit zwei Messern von einem Nachbarn – dieser soll von dem Tatvorhaben nichts gewusst haben – zu einem Spielplatz gelaufen, um sich mit Josef D. zu treffen.

Bei einem weiteren Kumpel – dem dritten Angeklagten – habe man sich ein weiteres Messer ausleihen wollen. "Wir sind davon überzeugt, dass bei diesem Aufenthalt jedenfalls im Groben über die Tat gesprochen wurde", erklärt Richterin Drescher. "Alles andere ist lebensfern." Als würde jemand spät abends ans Fenster klopfen, ein Messer wollen – und man würde nicht mal fragen, warum.

Tatwaffe und Handy des 26-Jährigen im Feld vergraben

Am Tatort, einem schlecht einsehbaren Radweg, angekommen, habe der 19-Jährige Josef D. abgelenkt und ihm dann mit einer Bierflasche ins Gesicht geschlagen. Anders als es der 21-Jährige in seiner Einlassung behauptet hatte, glaubt die Kammer nicht, dass er seinen Kumpel von der Tat abhalten wollte.

Der 21-Jährige habe Josef D. ins Gesicht getreten, als dieser sich wehren wollte. Schließlich habe der 19-Jährige das erste Mal zugestochen – ins Gesäß. Es sei darum gegangen, Josef D. möglichst starke Schmerzen zuzufügen. Denn: "An einem Stich ins Gesäß stirbt man nicht", sagt die Richterin. Der Hauptangeklagte habe Josef D. "bewusst in Todesangst versetzt" und ihn daran gehindert, seine Kinder anzurufen. 

"Dann hat es einen Kampf gegeben", sagt Richterin Drescher. Bis es zu den tödlichen Stichen kam. Der 19-Jährige habe dann die Tatwaffe und das Handy von Josef D. auf dem Feld nebenan vergraben. Er habe die Vitalzeichen des 26-Jährigen überprüft und ihm mit einer Fahrradlampe in die Augen geleuchtet. Dass die beiden Männer, während Josef D. starb, daneben standen und eine Zigarette rauchten, sieht die Kammer als erwiesen an.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten bei ihren Plädoyers weit auseinander gelegen. Das Urteil tendiert eher in Richtung der Forderungen von Staatsanwalt Reinhold Emmert, der die jungen Männer wegen Mordes beziehungsweise Beihilfe zum Mord verurteilen wollte. Die Verteidigung der drei Männer hingegen sah in der Tat keinen Mord.

Verteidiger der beiden 21-Jährigen kündigen Revision an

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Prozessbeteiligten können innerhalb einer Woche Revision einlegen. Die Verteidigung der beiden 21-Jährigen, die auf Freisprüche plädiert hatte, will Rechtsmittel einlegen. "Es war ein Indizienprozess und ich bin davon überzeugt, dass es so war, wie mein Mandant es mir geschildert hat", sagt Verteidiger Roj Khalaf.

Christian Barthelmes, Verteidiger des wegen Beihilfe zum Mord verurteilten 21-Jährigen, sagt: "Wir haben drei wesentliche Kritikpunkte: Es geht um den Tötungsvorsatz und die Verwertbarkeit der Aussage." Er hatte ein Verwertungsverbot der ersten Beschuldigtenvernehmung seines Mandanten beantragt. Diesem sei zu spät ein Pflichtverteidiger zur Verfügung gestellt worden.

 
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  • schlumpf100100@aol.com
    "Die Verteidigung der drei Männer hingegen sah in der Tat keinen Mord"..... Und will in Revision gehen..
    Wo leben wir denn????? Früher gab's die Todesstrafe. Ab irgendwann nur noch lebenslänglich. Und jetzt sind bei Mord nur noch 13 Jahre und das ist immer noch zu viel?? Achja, Sicherungsverwahrung darf es ja auch nicht geben... unsere Gerichtsurteile sind nicht mehr zu verstehen und einfach nur noch lachhaft....
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  • Rosaroth
    Ich kann nicht nachvollziehen, wie man hier keinen Mord erkennen kann.
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  • Rosaroth
    Wie blind muss man sein, hier keinen Mord zu sehen!
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