zurück
Oberndorf
Proteste gegen neues Stadtbussystem: Oberndorf fordert Rückkehr zum alten Schweinfurter Busverkehr
Weniger Haltestellen, längere Wege, fehlende Barrierefreiheit und höhere Kosten: In Oberndorf wird der Ruf nach einem Bürgerbegehren gegen das neue System laut.
Im neuen Stadtbussystem wird der Roßmarkt als zentraler Busbahnhof gestärkt. Die neue Linienführung allerdings stößt auf Unzufriedenheit bei den Kundinnen und Kunden.
Foto: Anand Anders | Im neuen Stadtbussystem wird der Roßmarkt als zentraler Busbahnhof gestärkt. Die neue Linienführung allerdings stößt auf Unzufriedenheit bei den Kundinnen und Kunden.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 14.04.2025 02:32 Uhr

"Zurück zum alten Stadtbussystem!" Das fordern die Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtteil Oberndorf und am Bergl. Und sie stehen damit nicht allein. Seit zum 1. Januar in Schweinfurt auf das neue Stadtbussystem 2.0 umgestellt wurde und Stadt und Landkreis dem Verkehrsverbund Nahverkehr Mainfranken (NVM) beigetreten sind, regt sich überall Protest. Es gab mehrere Unterschriftensammlungen gegen das neue Stadtbuskonzept. In Oberndorf werden jetzt sogar Stimmen für ein Bürgerbegehren laut.    

Mirko Hrnjak hatte keinen leichten Stand. Drei Stunden lang musste sich der Leiter Personenverkehr und Fahrzeugtechnik bei den Stadtwerken Schweinfurt die geballte Kritik der Oberndorfer gegen das neue Stadtbussystem anhören. Der SPD-Ortsverband hatte angesichts der vielen Beschwerden aus der Bevölkerung zu einem Informationsabend in den Pfarrsaal der Christkönig-Kirche am Bergl eingeladen. Der Saal war rappelvoll, an die 100 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen. Das Thema brennt allen unter den Nägeln.

Neue Linien, neue Taktung, neue Haltestellen, neue Preise, neues Bezahlsystem – in allen Bereichen empfinden die Menschen eine "massive" Verschlechterung. "Eigentlich war doch am Bergl alles in Ordnung", sagt Vorsitzende und SPD-Stadträtin Marianne Prowald. Mit lautstarkem Beifall pflichten ihr die Anwesenden bei.             

Über ein Kilometer bis zur neuen Haltestelle

Ein Hauptproblem sind die Haltestellen. "Warum wird die Breslau Straße nicht mehr mit dem Bus angefahren?", will Georg Weiß wissen. Früher gab es hier zwei Haltestellen. Eine wurde stillgelegt, die andere an die Oskar-von-Miller-Straße versetzt. "An einen gefährlichen Ort, ungeschützt bei schlechten Wetterverhältnissen", sagt Weiß. Die Überquerung der Straße dort sei lebensgefährlich. Eine Erzieherin bestätigt, dass auch für die Schulkinder die Verkehrssituation gefährlich sei.   

Was noch dazu kommt: Die Wege zu den neuen Haltestellen sind weiter als vorher. Über einen Kilometer müsse man laufen. Für Menschen mit Rollator oder Rollstuhl eine Herausforderung. Genauso wie das Busfahren selbst. Denn an den neuen Haltestellen gebe es keinen barrierefreien Zugang, moniert Elmar Rachle. Er habe jüngst einer älteren Dame beim Aussteigen geholfen. "Sie war fix und fertig" und habe geweint.    

Ein weiteres Problem: Mit der neuen Taktung sei man viel länger unterwegs als früher. Eine Frau berichtet von eineinhalb Stunden, die sie abends mehr an Zeit für den Nachhauseweg benötige.

Eine junge Frau weiß, dass auch Busfahrer nicht zufrieden sind mit dem neuen System. Es gebe verkehrstechnische Probleme auf manchen Linien und sehr viel Kritik von den Busfahrgästen. 

Fehlende Wartehäuschen sollen ersetzt werden

Stadtwerke-Vertreter Hrnjak sagt, als Verkehrsbetrieb müsse man den geltenden Nahverkehrsplan umsetzen und das große Ganze im Blick haben. Jede Busminute mehr, die beispielsweise auf einer Schleifenfahrt entsteht, um eine bestimmte Haltestelle anzubieten, koste sehr viel Geld. Deshalb die neue Linienführung mit Hin- und Rückfahrten auf der gleichen Linie sowie einheitlicher Taktung. Durch die Stärkung des Roßmarkts als zentraler Busbahnhof werde die Innenstadt sehr gut angebunden und damit die Attraktivität unterstützt.

Was die fehlenden Wartehäuschen an den neuen Haltestellen anbetrifft, sicherte er zu, dass hier nachgerüstet werde. Auch die Barrierefreiheit an den Bushaltestellen stehe ganz oben auf der Agenda. Besonders in Oberndorf am Berliner Platz. Bis September sollen entsprechende bauliche Maßnahmen erfolgt sein.  

Ticket-Terminals sitzen zu hoch

Als großes Problem kristallisiert sich auch das neue Bezahlsystem heraus. Sofern man kein Deutschlandticket oder eine Monats- bzw. Jahreskarte hat, muss man beim Ein- und Aussteigen an einem Terminal im Bus seine EC- oder Kreditkarte, sein Handy oder eine Prepaidkarte hinhalten. Menschen im Rollstuhl schaffen das nicht, sagt Elmar Rachle. Die Terminals sitzen zu hoch.   

Überhaupt: Viele ältere Menschen seien mit dem digitalen System überfordert. "Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung wird hier aussortiert", monierte Stadträtin Ulrike Schneider (Zukunft./ödp). Auch, weil die Tickets teurer geworden sind. Früher gab es die Flexikarte mit 1,70 Euro pro einfache Fahrt. Jetzt sind es 2,40 Euro. Hin und zurück also 4,80 Euro. Menschen mit schmalem Geldbeutel könnten sich das Busfahren nicht mehr leisten, hieß es.   

Ingenieur spricht von Mehrkosten von einer halben Million Euro im Jahr

Hartmut Bach hat den neuen Fahrplan mal durchgerechnet. Der Schweinfurter Ingenieur kommt zu dem Ergebnis, dass 36 Prozent der Fahrten gestrichen wurden. Gleichzeitig ergäben sich durch die neue Taktung längere Stillstandzeiten, was zu Mehrkosten von einer halben Million Euro im Jahr führe. Ein "teurer Schildbürgerstreich".

Ines Bender wollte wissen, wie diese Mehrkosten "eingefangen" werden. Kassensturz wird laut Hrnjak erst im August gemacht. Er räumte aber jetzt schon ein, dass der Kostenrahmen wohl nicht eingehalten werde. "Wir müssen zurück zum alten Stadtbussystem", schlussfolgert Stadträtin Schneider und bekommt bei einer Abstimmung im Saal volle Zustimmung.   

Eine junge Ingenieurin gibt Hrnjak noch eine Weisheit aus der IT-Welt mit: "Never change a running system" – Verändere nie ein laufendes System. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Oberndorf
Irene Spiegel
Busbahnhöfe
Bürgerbegehren
Fahrpläne
Fahrzeugtechnik
Stadt Marktheidenfeld
Verkehrsverbünde
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Florian Streibich
    Weniger Verbindungen, dafür höhere Gesamtkosten - welch planerische Glanzleistung!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hans-Martin Hoffmann
    Kennen wir

    der ÖPNV soll in Deutschland möglichst unattraktiv sein, damit ihn möglichst wenig Leute nützen und die Verantwortlichen damit gegen mehr Investitionen argumentieren können. Das fällt ihnen sicherlich besonders leicht, wenn sie von ihrem (öffentlichen) Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommen und ihnen die Probleme, die sie ihren Kunden schaffen, somit am verlängerten Rücken vorbeigehen können.

    Nicht umsonst lautet ein immer wieder vorgebrachtes Argument gegen das Deutschlandticket, es nütze schließlich Leuten garnix, in deren Region es keinen "vernünftigen" ÖPNV gebe. Deswegen muss man dort auch unbedingt die Straßen ausbauen und sich (weiter) um jede (räudige) Schulbusfahrt streiten wie die Kesselflicker, statt mal zu überlegen, wie man Verkehr von der Straße nimmt und damit auch weniger Lärm, Schadstoffe, Unfälle etc. bekommt!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Andrea Roso
    "Jede Busminute mehr, die beispielsweise auf einer Schleifenfahrt entsteht, um eine bestimmte Haltestelle anzubieten, koste sehr viel Geld. Deshalb die neue Linienführung mit Hin- und Rückfahrten auf der gleichen Linie sowie einheitlicher Taktung."

    " 36 Prozent der Fahrten gestrichen wurden. Gleichzeitig ergäben sich durch die neue Taktung längere Stillstandzeiten, was zu Mehrkosten von einer halben Million Euro im Jahr führe [...] Kassensturz wird laut Hrnjak erst im August gemacht. Er räumte aber jetzt schon ein, dass der Kostenrahmen wohl nicht eingehalten werde. "

    Spart das neue System jetzt Kosten oder kostet es sogar mehr? Die Aussagen im Artikel sind da widersprüchlich. Guter Journalismus würde nicht nur einfach Aussagen wiedergeben, sondern sie auch überprüfen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Ulrike Schneider
    Das neue Bussystem 2.0 ist deutlich teurer: Obwohl in Summe ca. 100 Fahrten am Tag gestrichen wurden, braucht es durch die neue Linienführung mit den langen Wartezeiten an den Endhaltestellen mind. 6 Busfahrer mehr.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Anette Klotzek
    Durch die längeren Stillstandzeiten von teilweise bis zu 30 min. sind diese Kosten im Verhältnis auf jeden Fall mal "sinnloser". Ich selbst wohne in der Nähe einer Endhaltestelle. Der Bus steht bei Kälte mit laufendem Motor. Im Sommer wird er das sicher auch öfter wg Klimaanlage außer der Busfahrer nutzt die Zeit um sich draußen die Beine zu vertreten oder auch mal im Gebüsch zu erleichtern...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Harry Amend
    Die wo jetzt jammern, dass sie einen Kilometer laufen müssen sollen sich mal fragen wie die anderen vorher an die Haltestelle gekommen sind, nämlich auch durch laufen und zwar den einen Kilometer in die andere Richtung. Ob da Leute wohnen die eine Gehbehinderung haben etc. interessiert denen die jetzt jammern recht wenig. Das zeigt wie ichbezogen der Mensch zum größten Teil doch ist.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Frank Widmaier
    Wenn ich DAS wieder lese:
    ----
    Überhaupt: Viele ältere Menschen seien mit dem digitalen System überfordert. "Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung wird hier aussortiert", monierte Stadträtin Ulrike Schneider (Zukunft./ödp).
    ----
    Ich kann mich nur wiederholen. Schaut ins Ausland. Dort gibt es diese Systeme seit Jahren. Ich war richtig geschockt, wie gut das in Spanien funktioniert. Karte prepaid/online aufgeladen.. Hinhalten beim ein/aussteigen. Es gibt KEINE Fahrpläne (weder Station noch gedruckt) mehr, sondern eine App in der man einer nummerierten Haltestelle live sieht, welches die nächsten 3 Busse sind und wann sie kommen (in Minuten).

    und das Wunder... die Senioren haben KEINE Probleme. Es gibt nur eine Person, die gerade aus Prinzip mal wieder gegen alles an Modernisierung ist. Aber alles schlecht reden, hat nie etwas voran gebracht. Man muss vllt. mal was nachjustieren... aber Schweinfurt war einfach rückständig.. und das wurde jetzt mal nachgezogen..
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Ulrike Schneider
    Lieber Frank Widmaier, warum lesen Sie den Artikel nicht aufmerksam und ohne CSU Parteibrille durch? Dann würden Sie erkennen, dass der stereotype Hinweis auf andere Länder nicht sehr hilfreich ist. Hier in SW kommen viele Senioren weder mit den Apps noch mit den Prepaid Karten zurecht. Das kann uns nicht egal sein! Abgesehen davon ist dies nur ein Kritikpunkt von vielen, die von Jung und Alt angesprochen wurden und die zu der Erkenntnis führen, dass eine Rückkehr zum alten System der beste Weg wäre. Aber was interessiert uns ein ganzer Saal betroffener Bürger… Hauptsache wir haben wieder mal ein „Schweinfurter Modell“, das wir überregional vermarkten können. Im übrigen sind es vor allem die betriebswirtschaftlichen Widersprüche, die uns zur Umkehr veranlassen sollten: Weit über hundert Fahrten weniger am Tag und gleichzeitig ca. 6 Busfahrer mehr (durch die langen Wartezeiten an den Endhaltestellen), das passt einfach nicht und macht das ÖPNV Angebot unnötig teuer !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Christopher Dorbath
    Da gehe ich mit: Das digitale Bezahlen hat auf jeden Fall Vorteile, zum Beispiel die Zeitersparnis, wenn nicht beim Busfahrer bar gezahlt wird. Das könnte sich einpendeln.

    Aber das ist freilich nur ein Kritikpunkt.
    Nur warum sind bei uns die Preise so hoch? Sie haben Spanien genannt: Eine Einzelfahrt in den Metropolen dort kostet circa 2,5€, in Städten ähnlicher Größe wie Würzburg rund 1,3 bis 1,5€.
    In Frankreich, Österreich und Italien ist das ähnlich. Besser, um so die Preise zu rechtfertigen, ist bei uns der ÖPNV sicher auch nicht (mehr) ...
    Woran liegt das?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Edith Kram
    Toll - Spanien.... vll sollten Sie mit ihren Gedanken im Inland bleiben und folgende Veröffentlichung des statistischen Bundesamtes kennen:

    Aus "Der Neue Tag" 11.04.2025: (dpa)
    "Je älter die Menschen, desto mehr sogenannte Offliner gibt es. Mit zwölf Prozent war ihr Anteil in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen vergangenes Jahr am höchsten - das war etwa jeder Achte"

    Ob es wohl genau die Menschen sind, denen das
    Busfahren durch das "digitale Zeitalter" vermiest wird?

    Gerhard Fleischmann
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Anette Klotzek
    "Ingenieur spricht von Mehrkosten von einer halben Million Euro im Jahr
    Hartmut Bach hat den neuen Fahrplan mal durchgerechnet. Der Schweinfurter Ingenieur kommt zu dem Ergebnis, dass 36 Prozent der Fahrten gestrichen wurden. Gleichzeitig ergäben sich durch die neue Taktung längere Stillstandzeiten, was zu Mehrkosten von einer halben Million Euro im Jahr führe. "
    Gehen wir mal davon aus, dass das Problem der Digitalisierung sich legt und die Menschen sich daran gewöhnen und / oder die Älteren sich das aneignen mit Hilfe, dann ist weder das Kostenproblem gelöst noch die Tatsache, dass weniger Fahrten stattfinden trotz höherer Kosten! Was sagen Sie hierzu Herr Widmaier? Nur mal so aus Prinzip.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Christopher Dorbath
    Manchmal braucht ein System eine gewisse Zeit, um sich einzuspielen. Hier ist freilich die Kritik dermaßen massiv, daß die Verantwortlichen sich deutlich erklären sollten.
    Ein Problem sind die Preise: Warum ist der ÖPNV so viel teurer geworden? Verbesserungen im Takt etc. gab es ja nicht wirklich.
    So ist es ja auch bei uns in Würzburg: Mit der beliebten Sechser-Karte kostete eine Fahrt vor drei Jahren noch rund 1,8€ - jetzt sind des 2,75€, eine Verteuerung von rund 50%.
    Es ist letztendlich eine politische Entscheidung, ob das so bleiben kann. Am ÖPNV sollte aus verschiedenen Gründen (sozial, ökologisch, verkehrstechnisch, auch finanziell - das Autofahren ist für die Allgemeinheit viel teurer) jedenfalls nicht gespart werden! Mir ist es auch schleierhaft, warum im europäischen Ausland (Österreich, Frankreich etc.) der ÖPNV so viel günstiger angeboten werden kann als bei uns.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten