
Die Kündigung von rund 40 Verträgen im Bereich der Ambulanten Pflege durch das Diakonische Werk Schweinfurt aufgrund des Personalnotstands hat eine große Diskussion in der Region Schweinfurt über die Situation der Pflege ausgelöst.
Eine 72 Jahre alte Frau hatte sich vergangene Woche mit einem Hilferuf an diese Redaktion gewandt, nachdem die Diakonie den Vertrag zur Pflege ihres Mannes, der den Pflegegrad vier hat, mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt hatte. Der Mann sitzt im Rollstuhl, muss dreimal in der Woche fachmännisch verbunden und zweimal täglich versorgt werden: "Ich war so verzweifelt und wütend", so die Leserin, die von acht Pflegestationen, die sie um Hilfe bat, Absagen erhielt.
Die Probleme in der Pflege sind kein Schweinfurter Phänomen, es gibt sie bayern- und bundesweit. In zahlreichen Gesprächen bisher mit Insidern der Branche wird sie unisono als "dramatisch" beschrieben, vor allem der Personalmangel. Carsten Bräumer, Mitglied des Vorstands des Diakonischen Werks Schweinfurt, versteht den Ärger der Betroffenen. Im August letzten Jahres hatte die Diakonie Schweinfurt schon einmal mehr als 40 Seniorinnen und Senioren plötzlich die Verträge zur ambulanten Pflege gekündigt.
Belastung für das Personal aufgrund der Corona-Pandemie zu hoch
Verantwortlich für den Personalnotstand sei laut Bräumer insbesondere die Belastung durch die Pandemiejahre, durch die einige Mitarbeitende "an ihre persönlichen Grenzen gestoßen" seien, sowie, mitunter dadurch entstandene Langzeiterkrankungen. Mit der ausgedünnten Personaldecke könne man die nötige "Qualität der Versorgungssicherheit" nicht länger gewährleisten, erklärte er gegenüber dieser Redaktion. Deswegen sei man zu dem Schritt, die Verträge zu kündigen, gezwungen gewesen.
Aus Sicht der Schweinfurter SPD-Stadträtin Marietta Eder, die als Verdi-Geschäftsführerin in Schweinfurt für den Gesundheitsbereich zuständig ist, hat die Situation in der Pflege solche Ausmaße angenommen, dass sie per Eilantrag an Oberbürgermeister Sebastian Remelé für die nächste Stadtratssitzung am 26. Juli, ab 14.30 Uhr im großen Sitzungssaal im Rathaus, eine Diskussion über einen von der Stadt initiierten runden Tisch beantragt.
Die Stadt soll dabei helfen, Lösungen für die Zukunft zu finden
Zu diesem sollen Anbieter von ambulanter und stationärer Pflege mit ihren Interessenvertretungen ebenso eingeladen werden wie Vertreter des Pflegestützpunkts, der Gesundheitsregion und der Pflegekassen. Eder erklärt, Pflegebedürftige und ihre Angehörige stünden "trotz Notfallplänen vor der brennenden Frage wie künftig die Pflege gewährleistet werden kann."
Neben der akuten Notlage, müsse man mittelfristige Lösungen finden. "Bereits jetzt wissen wir, dass die Daseinsvorsorge der Langzeitpflege auch in Schweinfurt vor riesigen Herausforderungen steht. Daher ist es dringend geboten, dass die Stadt Schweinfurt im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger die Akteure vernetzt", betont Eder.
Sie erklärt, verschiedene Studien hätten klar gezeigt, "wie wichtig die kommunale Ebene für diese Zukunftsfrage ist." Ziel des runden Tisches sei es die Bedarfe in Schweinfurt zu ermitteln und Lösungen zu entwickeln.
Das ist ein Problem welches von ganz oben angepackt werden muss. Das hätte schon längst passieren sollen, es ist aber so gut wie nichts passiert. Ich geh davon aus, dass das System komplett an die Wand gefahren wird.
Das Angestellte im Pflegebereich einen persönlichen Schlussstrich ziehen verwundert mich nicht. Fängt die Mauer erst einmal das bröckeln an verabschieden sich mehr und mehr Steine die eben noch Halt gaben.