Plötzlich stand sie ohne Unterstützung da: Aus Verzweiflung hatte sich eine 72-Jährige Mitte Juli an diese Redaktion gewandt. Der Pflegevertrag zwischen der Diakonie Schweinfurt und ihrem Mann, der der Pflegestufe vier zugeordnet ist, wurde von Seiten des Pflegedienstes übers Wochenende gekündigt – genau wie bei etwa 40 anderen Betroffenen. Damals fragte sie bei acht anderen Pflegediensten an und erhielt ausschließlich Absagen.
Nach einer zweiwöchigen Kündigungsfrist war sie alleine dafür verantwortlich, ihren Ehemann, der im Rollstuhl sitzt, zu versorgen. Ein Kraftakt für die Frau, die sich nun erleichtert zeigt. Denn inzwischen sei ihr Mann wieder versorgt, sagt sie vier Wochen nach der Vertragskündigung auf Nachfrage dieser Redaktion: "Wir machen drei Kreuze, halleluja!"
Doch das war Glück: Nachdem sie ihren Mann 14 Tage lang mühsam selbst pflegte, konnte sie ihn durch die Hilfe einer Bekannten ihres Mannes schließlich bei einem anderen ambulanten Pflegedienst unterbringen. Aber solche Unterstützung hat nicht jeder. Wie in diesem Fall, werden viele der Betroffenen aktuell von ihren Angehörigen gepflegt, bestätigt Carsten Bräumer, Vorstand des Diakonischen Werks Schweinfurt. Andere seien bei anderen Diensten untergekommen.
Hätte die Diakonie die prekäre Lage nicht früher vorhersehen müssen?
Hätte die Misere durch früheres Gegensteuern der Diakonie-Verantwortlichen abgewandt werden können? "Wir haben versucht auf verschiedenen Ebenen früher gegenzusteuern", äußert sich der Diakonie-Chef. Dass die Maßnahmen plötzlich kamen, sei der Eindruck, der nach außen entstanden sei. Durch den hohen Krankenstand und auch durch persönliche Schicksalsschläge sei die Diakonie letztlich zu der drastischen Entscheidung gezwungen worden.
Aber war der Ärger nicht absehbar? Carsten Bräumer erklärt, dass man stetig auf die Rückkehr des Personals aus dem Krankenstand gehofft hatte und gesteht ein, dass man den Prozess möglicherweise schon vor längerer Zeit hätte stoppen müssen. Seit seines Amtsantritts zu Beginn des Jahres sei das allerdings nicht der Fall gewesen. Von Seiten des Pflegedienstes sei stets das Signal gesendet worden, man wolle weiter machen – auch von den Mitarbeitenden. "Die Mitarbeiter haben länger durchgehalten, als es im Nachhinein betrachtet richtig war. Das ist bei unserem Anspruch das Übelste was uns passieren kann", sagt Bräumer.
Wie es mit dem ambulanten Pflegedienst der Diakonie jetzt weiter geht
Die Neuausrichtung des ambulanten Pflegedienstes ist in Planung, befinde sich allerdings noch ganz am Anfang. Man wolle unbedingt vermeiden, dass erneut ein Fall wie der vorliegende eintreten kann. Darüber, wie genau sich die Umstrukturierung gestaltet und wann das finale Konzept fertiggestellt sein wird, kann Bräumer im Moment noch keine Auskunft geben.
Es gelte nun: "Erst einmal Ruhe zu schaffen und durchzuatmen." Bis der Dienst wieder betriebsbereit ist, bauen die Beschäftigten nun ihre Überstunden ab und nehmen Urlaub. Außerdem warte man darauf, dass die Kranken gesunden und suche gleichzeitig aktiv nach neuen Fachkräften: "Wir müssen jetzt sehen, wann wir wieder genügend Mitarbeiter haben, um nachhaltig vernünftig arbeiten zu können. Wir dürfen nicht die selbe Situation wieder herstellen, die zur Schwierigkeit geführt hat."
Das sind unfassbare Zustände und m.E. struktureller Betrug, da Sozialamt und Kassen seit langem monatlich hohe Beträge für "Assistenzleistungen" bezahlen, die seit langem nicht mehr erbracht werden bzw. an die Angehörigen, Ehrenamtliche etc. abgewälzt.
Das ganze System gehört auf den Prüfstand. Denn gleichzeitig werden teure Prestigeobjekte gebaut, ebenfalls mit Fördermitteln, für die keine Mitarbeiter in Aussicht sind....