Die Sozialstation der Diakonie Schweinfurt-Stadt kündigte kürzlich zahlreiche Pflegeverträge. Diese Redaktion hat mit Ulrike Kempchen vom BIVA-Pflegeschutzbund darüber gesprochen, was Betroffene im Falle einer Kündigung durch den ambulanten Pflegedienst tun können und welche rechtlichen Möglichkeiten sie haben.
Dürfen Pflegeverträge seitens des Pflegedienstes fristlos gekündigt werden?
Prinzipiell ja, denn aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei Pflegeverträgen, anders als bei der stationären Pflege, um Dienstleistungsverträge, die grundsätzlich von beiden Vertragsseiten gekündigt werden können. Allerdings muss ein wichtiger Grund vorliegen: Für den Pflegedienst muss es unzumutbar sein, den Versorgungsauftrag aufrecht zu erhalten. Etwa weil eine zu pflegende Person gewalttätig gegenüber dem Pflegepersonal ist, oder der Pflegedienst schlichtweg zu wenig Personal aufweisen kann, um eine angemessene Versorgung sicher zu stellen. Bei einer ordentlichen Kündigung darf eine Kündigungsfrist von 14 Tagen nicht unterschritten werden.
Gibt es einen grundsätzlichen Anspruch auf Pflegedienstleistungen?
Einen rechtlichen Anspruch auf Pflegedienstleistungen gibt es grundsätzlich nicht. Es herrscht die Vertragsfreiheit: Die in Anspruch nehmende Person ist selbst dazu verpflichtet, sich über die gegebenen Versorgungsmöglichkeiten zu informieren. Wer vor Ort keinen Pflegedienst mit freien Kapazitäten ausfindig machen kann, muss unter Umständen in einem größeren Umkreis suchen. Je nach Pflegegrad besteht allerdings der Anspruch auf einen finanziellen Zuschuss zu den für die Pflege anfallenden Kosten.
Welche Möglichkeit habe ich, wenn der Pflegedienst sich nicht an die vertragliche Vereinbarung hält?
In der Theorie bestünden zwar Rechte, wie etwa das Recht auf Schadenersatz, wenn beispielsweise kurzfristig eine Pflegeeinrichtung in Anspruch genommen werden muss, die höhere Kosten verursacht, erklärt Kempchen. Auch müsse der Pflegedienst die Weiterversorgung von gepflegten Personen garantieren, wenn diese darauf angewiesen sind. Etwa durch die Vermittlung an einen anderen Pflegedienst. In der Praxis bestimme allerdings der Markt die Regeln: Gibt es in der Region keinen Dienst mit freien Kapazitäten, so sind Verbrauchern schlichtweg die Hände gebunden. Durch die aktuelle Demografie bestehe ein Ungleichverhältnis: Die Nachfrage nach Pflegeleistungen sei viel höher, als das Angebot.
Was kann ich als betroffene Person tun, wenn der Pflegedienst kündigt?
Wichtig sei zu allererst, so Kempchen, dass man in einem solchen Fall die Eskalation vermeide. Meist geschehen Kündigungen aus einem für den Pflegedienst nachvollziehbaren oder gar unausweichlichen Grund. Als ersten Ansprechpartner sollte man seine Pflegekasse kontaktieren. Auch, wenn es unbefriedigend klingen mag: Als betroffene Person sollte man, etwa in Abstimmung mit der Pflegekasse, noch einmal prüfen, ob wirklich der gesamte Umfang der bisher erhaltenen Pflege notwendig ist oder ob ein geringfügigeres Angebot in Frage kommt. Anschließend gilt es, sich nach anderen Pflegediensten in der Region umzusehen. Dabei könnten unter Umständen auch andere Angebote wie etwa eine Tages- oder Kurzzeitpflege in Frage kommen. Außerdem besteht ein Recht auf Pflegezeit naher Angehöriger, wodurch man sich eine Zeit lang beruflich freistellen lassen kann. Wichtig sei es generell, bereits vor Vertragsabschluss eine Pflegeberatung aufzusuchen und mit dieser das Angebot der Pflege zu erörtern.
Was besagt das Recht auf Pflegezeit?
Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist im Pflegezeitgesetz geregelt und schreibt vor, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten bei Beantragung über die Pflege naher Angehöriger freistellen müssen. Hierzu gelten folgende Regelungen:
- In akuten Fällen können sich Beschäftigte einmalig für bis zu zehn Tagen freistellen lassen. Im Falle dieser Notfallregelung müssen mindestens 90 Prozent der Bezüge weiter gezahlt werden.
- Möchte man über längere Zeit zur Pflege Angehöriger freigestellt werden, so besteht in Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern die Möglichkeit, eine volle oder teilweise Freistellung beim Arbeitgeber zu beantragen. Zwar müssen hier die Lohn- oder Gehaltszahlungen nicht fortgesetzt werden, jedoch kann die betroffene Person während dieser Zeit nicht gekündigt werden und anschließend wieder in ihren Beruf einsteigen.
- Außerdem besteht in Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten die Möglichkeit zur Familienpflegezeit für bis zu 24 Monate. In diesem Fall müssen Arbeitnehmer allerdings weiterhin eine Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden in der Woche ableisten. Der Gesetzgeber möchte so sicherstellen, dass Betroffene durch die längere Abwesenheit nicht den Anschluss an ihren Beruf verlieren. Auch hier besteht Kündigungsschutz.
Individuelle Vereinbarungen können je nach Absprache mit dem Arbeitgeber getroffen werden.
Wo kann ich mich beraten lassen?
In erster Linie gelten die Pflegekassen als Ansprechpartner. Diese sind zur kostenlosen Beratung verpflichtet. In gewissen Fällen kann diese Verpflichtung soweit gehen, dass der individuelle Fall besprochen, geplant und regelmäßig von der Pflegekasse kontrolliert werden muss. Außerdem bieten die Kommunen oftmals Anlaufstellen und Beratungsangebote an. Auch sogenannte Pflegestützpunkte beraten Betroffene.