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Kreis Schweinfurt
Notarzt ist kein Hobby: Wie Politiker und Mediziner die Versorgung auf dem Land erhalten wollen
Eine Studie dient als Basis, um drei Notarztstandorte im Rhöner Umland zu schließen. Lokalpolitiker und Notärzte steuern dagegen. Das sind ihre Argumente.
Dr. Georg Kochinki ist Ärztlicher Leiter des Rettungsdiensts im nördlichen Unterfranken. Mit Leidenschaft streitet er darüber, wie die Notfallversorgung auf dem 'flachen Land' sichergestellt werden kann. 
Foto: Heiko Becker | Dr. Georg Kochinki ist Ärztlicher Leiter des Rettungsdiensts im nördlichen Unterfranken. Mit Leidenschaft streitet er darüber, wie die Notfallversorgung auf dem "flachen Land" sichergestellt werden kann. 
Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 05.05.2024 02:38 Uhr

Für Aufregung sorgt im Rettungsdienst eine große bayerische Studie zur Notarztversorgung aus 2021, die insbesondere in ländlichen Gebieten die Aufgabe von Notarztstandorten vorsieht. In Unterfrankens Norden soll es Hofheim, Mellrichstadt und Bischofsheim treffen. Stattdessen soll in Bastheim eine neue Wache aufgebaut werden. Notärzte und auch der Schweinfurter Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung wollen gegensteuern und suchen nach eigenen Lösungen.

In der jüngsten Sitzung des Verbandes, der neben Stadt und Landkreis Schweinfurt die Kreise Haßberge, Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld umfasst, sollten erste Ergebnisse einer Arbeitsgruppe vorgestellt werden. Doch krankheitsbedingt konnte sie im Januar nicht tagen. Stattdessen wurde erneut der politische Wille deutlich, dass man die Empfehlungen der Studie ablehnt. Es brauche individuelle Lösungen für jeden Rettungsdienstbereich, sagte der Ärztliche Leiter des Rettungsdiensts in Unterfrankens Norden, Dr. Georg Kochinki.

Einige Notarztstandorte sind personell ausgedünnt

Ihm geht es in seinen leidenschaftlichen Vorträgen um mehr: um die Rolle der Notärztinnen und Notärzte an sich. Zwar habe man insgesamt gesehen noch ausreichend Personal, aber an manchen Standorten sei es ausgedünnt. Kochinki präsentierte einen Wocheneinsatzplan aus der Rhön: Darauf standen nur sein Name und der eines Kollegen. Weitere Zahlen liefert die Studie von 2021: Für Bad Brückenau, Hofheim und Mellrichstadt attestiert sie weniger als zehn zur Verfügung stehende Notärzte. In Bad Königshofen und Hammelburg liegen demnach die unbesetzten Dienststunden bei über 2000 pro Jahr.

Kochinki machte in diesem Zusammenhang aber deutlich: Der Dienst sei keine Freizeitbeschäftigung neben der eigentlichen Arzttätigkeit, sondern es gehe um ein hochprofessionelles System, das Planungssicherheit und weniger Bürokratie brauche.

Dr. Kochinki: Wertschätzung zeigt sich auch in der Bezahlung

Das Thema Wertschätzung hängt für Georg Kochinki auch an der Bezahlung. In Thüringen erhalte man für einen Bereitschaftsdienst eine Grundvergütung von 1350 Euro monatlich brutto plus 110 Euro für jeden Einsatz. In Bayern dagegen seien es 712 Euro plus 97 Euro pro Einsatz. Gemessen an einem Durchschnittsgehalt bewertete Schweinfurts OB Sebastian Remelé die Entlohnung als nicht schlecht. Kochinki dagegen kritisierte eine mangelnde Transparenz bei den bayerischen Sätzen: Wird er in Bayern zum Einsatz gerufen, werde beim Grundhonorar die erste Stunde gestrichen. "Warum leisten wir uns das in einem der wohlhabendsten Bundesländer?", fragte der gelernte Anästhesist.

Landrat Habermann moniert in drastischen Worten eine "Überregulierung"

Immerhin sorgte der Zweckverband für eine Erleichterung für Notärzte: Es wird künftig mehr Ausnahmen geben, sodass sich der Fahrer oder die Fahrerin des Notarztwagens und der Notarzt oder die Notärztin selbst nicht am gleichen Standort aufhalten müssen, sondern Letzterer abgeholt werden kann. Denn laut Gesetz wird ein Fahrer nur gestellt, wenn beide gemeinsam vom Notarztstandort losfahren. Innerhalb von zwei Minuten müssen sie zum Einsatz ausrücken.

Hier gab es massive Kritik von Rhön-Grabfeld-Landrat Thomas Habermann an der Staatsregierung. Man habe das System derart überreguliert, dass sich dessen Zweck ins Gegenteil verkehre. Ihm falle es schwer, Ausführungen wie über jene Fahrer-Regelung zuhören zu müssen. In den Ministerialverwaltungen herrsche "ein falscher Geist", kritisierte Habermann. Deswegen solle der Zweckverband die begrüßenswerte Ausnahmeregelung nicht nur einführen, sondern auch in München öffentlich machen, um den Unsinn mancher Vorschriften vor Augen zu führen. Nötig seien keine "detailverliebten Regelungen", sondern ein flexibles, funktionierendes System.

Von der Ausnahmeregelung verspreche man sich eine bessere Versorgung an Standorten, die nicht regelmäßig besetzt sind, sagte der zuständige Abteilungsleiter am Schweinfurter Landratsamt, Christian Frank. Schweinfurts Landrat Florian Töpper äußerte, dass man damit alle Spielräume nutzen wolle.

 
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