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Volkach/Bischofsheim/Hofheim
Eingeschränkte Notarzt-Versorgung: Stehen Standorte in Unterfranken vor dem Aus?
Bayerns Notfallversorgung ist selbst zur Patientin geworden. Eine Studie listet jetzt verzichtbare Notarzt-Standorte auf - drei davon sind in der Region. Aber auch ein neuer.
An der Rettungswache in Volkach (Lkr. Kitzingen): Nikolai Kieleis vom BRK fährt Notärztin Stefanie Djalek mit dem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zum Einsatzort. Der Rettungswagen (im Hintergrund) fährt stets getrennt.
Foto: Christoph Weiss | An der Rettungswache in Volkach (Lkr. Kitzingen): Nikolai Kieleis vom BRK fährt Notärztin Stefanie Djalek mit dem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zum Einsatzort. Der Rettungswagen (im Hintergrund) fährt stets getrennt.
Barbara Herrmann
 und  Henry Stern
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:41 Uhr

Über sieben Minuten: So viel länger könnte es in Zukunft dauern, bis in Hofheim im Landkreis Haßberge die Notärztin oder in Bischofsheim im Landkreis Rhön-Grabfeld der Notarzt kommt. Eine große Studie im Auftrag des bayerischen Innenministerium listet auf, welche Notarzt-Standorte in Zukunft verzichtbar wären. In Unterfranken sind das Bischofsheim und Mellrichstadt in der Rhön und eben Hofheim. Nicht mehr vorgesehen wären zudem der Standort Uffenheim (Lkr. Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) im angrenzenden Mittelfranken sowie die nächtliche Besetzung der Standorte in Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) und Volkach (Lkr. Kitzingen).

Von "Planungsszenario" ist die Rede in der über 300 Seiten langen "Notarztstudie 2021 – Untersuchung zum Notarztdienst in Bayern", erstellt vom Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement an der Universität München (LMU). Welche konkreten Folgen diese Planungen haben könnten, kann – oder will – derzeit niemand aus Politik und Verbänden beantworten.

Gleichwohl lohnt sich ein genauer Blick auf Ergebnisse in der Studie – und mögliche Folgen für Unterfranken.

Wie viele Notarzt-Standorte in Bayern sind laut der Studie überflüssig?

Das Szenario sieht eine Reduzierung von bayernweit aktuell 229 Standorten auf 213 vor: 190 sollen noch rund um die Uhr besetzt sein, 23 temporär. Als "verzichtbar" eingestuft werden 30 Standorte in ganz Bayern. Dafür werden 14 neue genannt, darunter in Bastheim (Lkr. Rhön-Grabfeld). Dank einer optimierten Standortverteilung und der Einführung des Telenotarztsystems, bei dem Arzt oder Ärztin aus der Ferne per Computer den Rettungsdienst unterstützt, erwartet die Studie damit "planerisch eine weitgehend gleichbleibende Versorgungssituation". Spezifische Gegebenheiten vor Ort müssten bei einer Umsetzung ausreichend berücksichtigt werden.

Eingeschränkte Notarzt-Versorgung: Stehen Standorte in Unterfranken vor dem Aus?

Wie ist aktuell die Situation in Unterfranken? 

Ein Beispiel für solche "spezifische Gegebenheiten" sind die Standorte Hofheim und Volkach. Sie sind  bislang gut besetzt und haben kaum sogenannte Ausfallzeiten, bei denen kein Notarzt für einen Dienst zur Verfügung steht. Dennoch ist der Standort Hofheim laut der Studie ganz verzichtbar, der in Volkach zumindest nachts. Denn Anzahl und Alter der Notfallmediziner sowie die jeweiligen Ausfallzeiten bei Diensten waren für das Ergebnis der Studie nicht planungsrelevant.

Zum Notarzt-Standort Volkach gehören die Mediziner (von links) Julian Eibicht, Notarzt-Obmann Wolfgang Otremba und Sebastian Eibicht.
Foto: Barbara Herrmann | Zum Notarzt-Standort Volkach gehören die Mediziner (von links) Julian Eibicht, Notarzt-Obmann Wolfgang Otremba und Sebastian Eibicht.

Ein Umstand, den Volkachs Notarzt-Obmann Dr. Wolfgang Otremba deutlich kritisiert: "Diese Studie funktioniert auf der Landkarte, aber nicht in echt." Sein Beispiel: Gerade der Standort Wiesentheid im Landkreis Kitzingen habe hohe Ausfallquoten, müsse Volkach aber bei Bedarf unterstützen.

"Ich kann versichern, dass ich keinen Grund sehe an der Bedarfsnotwendigkeit des Standorts Volkach zu zweifeln", sagt auf Nachfrage Paul Justice, Geschäftsführer des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Würzburg, zu dem die Landkreise Kitzingen, Main-Spessart und Würzburg sowie die Stadt Würzburg gehören. Eine Reduzierung auf eine Besetzung "nur tagsüber" an den Standorten in Volkach und Karlstadt (Lkr. Main-Spessart), wie vorgeschlagen, sei nicht geplant. Die Notarztstudie, so Justice, stelle "keine echte Planung" der Notarztstandorte dar, sondern diene lediglich als Diskussionsgrundlage ohne bindenden Charakter.

Paul Justice ist  Geschäftsführer des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung in Würzburg, der auch zuständig für die Landkreise Kitzingen, Main-Spessart und Würzburg ist.
Foto: Fabian Gebert | Paul Justice ist  Geschäftsführer des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung in Würzburg, der auch zuständig für die Landkreise Kitzingen, Main-Spessart und Würzburg ist.

Braucht es eine Neuordnung der Notarzt-Standorte in Bayern?

Die Kritik des Notarzt-Obmanns aus Volkach verwundert Dr. Thomas Jarausch nicht. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte und Notärztinnen (AGBN) sagt: "An einzelnen Standorten wird es immer einen Aufschrei geben." Doch die vorliegende Studie sei immer eine Forderung der AGBN gewesen, denn "die Ressource Notarzt schwindet".

Angesichts des fehlenden Nachwuchses und zum Teil höheren Alters seiner Kolleginnen und Kollegen sagt Jarausch: "Alles muss auf den Prüfstand." Was mögliche Konsequenzen der Studie angehe, verweist der Würzburger Mediziner auf das anstehende Wahljahr in Bayern, in dem sich niemand die Finger verbrennen wolle.

Wer steckt hinter der Notarzt-Studie und was ist das Ziel?

Der Hinweis auf das Wahljahr passt zur Reaktion aus dem Innenministerium. Denn obwohl es die Notarztstudie in Auftrag gegeben hat und politisch für die Notarzt-Versorgung in Bayern zuständig ist, sieht es bei möglichen Zusammenlegungen von Standorten vor allem die regionalen Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) und die Kassenärztliche Vereinigung (KVB) in der Pflicht: "Das muss alles vor Ort entschieden werden", sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf Anfrage. "Wir machen uns die Vorschläge der Studie auch nicht zu eigen." Es gebe deshalb "auch keine landesweiten Vorgaben".

Ob man in München grundsätzlich eine Reduzierung der Notarzt-Standorte befürwortet und dafür eine zum Teil deutliche Verlängerung der Anfahrtszeiten vor allem in ländlichen Regionen hinnehmen würde, wollte das Innenministerium auf Nachfrage nicht beantworten: Die Studie sei schließlich nur eine "wissenschaftlich fundierte Arbeitshilfe" ohne bindenden Charakter für die Entscheidungsträger vor Ort.

Die Kassenärztliche Vereinigung hält sich indes nicht für zuständig, man sie "lediglich über die Ergebnisse" informiert worden, so KVB-Sprecher Martin Eulitz. Der Aufbau der Notarzt-Strukturen obliege den Zweckverbänden für Rettungsdienst. Deren Chef Günther Griesche, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der ZRF in Bayern, antwortet auf die Anfrage, dass die Zweckverbände die Inhalte der Studie prüfen wollten und dann "den zuständigen Kommunalpolitikern eine Empfehlung in dieser Angelegenheit geben". Diese müsse aber nicht gleichlautend mit dem Vorschlag der "Arbeitshilfe" sein.

An welchen Notarzt-Standorten sind die Ausfallzeiten laut Studie besonders hoch?

Die Studie zeigt auf, dass manches im Argen liegt im bayerischen Rettungswesen. Denn sie listet exakt auf, wie die Besetzung der Notarzt-Standorte in Jahren 2019 und 2021 war und wie sich die Ausfallzeiten zwischen 2009 und 2019 entwickelt haben.

Negativ hervor stechen in Unterfranken dabei Hammelburg (2021: 2328 unbesetzte Stunden), Bad Königshofen (2259 unbesetzte Stunden), Bad Brückenau (1735), Bischofsheim (1205) und Wiesentheid (1054). Quasi ohne Fehlstunden waren dagegen die Standorte in großen und größeren Städten wie Würzburg, Schweinfurt, Bad Neustadt und Kitzingen. Besonders gut stehen auch Hofheim (2021: drei unbesetzte Stunden), Ochsenfurt (32) und Volkach (39) da.

Im Notfall: Was könnte sich mit der Neuordnung anhand der Studie konkret ändern?

Mit der neuen Verteilung, so die Studie, könnten 99,9 Prozent der Notarztereignisse innerhalb einer maximalen Fahrzeit von 20 Minuten erreicht werden und 97,4 Prozent innerhalb von 15 Minuten (bislang: 95,9 Prozent). So gelinge es, mehr Gemeinden in durchschnittlich kürzeren Fahrzeiten zu erreichen. Zudem gehe man davon aus, dass Hubschrauber und Telenotarztsystem diese Einsätze noch ergänzen.

Für einige Gemeinden würde der Wegfall ihres Standortes aber sehr wohl bedeuten, dass es deutlich länger dauert, bis der Notarzt kommt: In Uffenheim 8:22 Minuten länger (im Schnitt 12:05 Minuten statt 3:43 Minuten), in Bischofsheim wären es 7:35 Minuten mehr (11:20 Minuten) und in Hofheim müsste man 7:21 länger (11:08 Minuten) auf die Notärztin warten.

Mitarbeit: kgh

Notarzt-System in Bayern: Aufteilung und Bezahlung

Notarzt-Standorte: Bayern ist aufgeteilt in 26 Rettungsdienstbereiche. Zum Bereich Würzburg gehören elf Notarzt-Standorte, zum Bereich Schweinfurt aktuell zwölf. 
Rendezvous-System: Bei einer Notfallrettung sitzen Notärztin oder Notarzt nicht direkt mit im Rettungswagen (RTW), sondern werden – falls überhaupt erforderlich – vom Rettungsdienst in einem eigenen Fahrzeug hingebracht (oder fahren in seltenen Fällen selbst). Die gesetzliche Hilfsfrist von zwölf Minuten gilt für die Rettungswagen, nicht für die Notärzte.
Bezahlung: Für den Bereitschaftsdienst bekommen Notärztinnen und Notärzte eine Grundpauschale von 25 Euro pro Stunde. Zudem gibt es Zuschläge: nachts 2,50 Euro pro Stunde, an Feiertagen 5 bis 15 Euro pro Stunde. Bei einem Einsatz bekommen sie gut 60 Euro pro behandeltem Patient (86,25 Euro minus die Grundpauschale von 25 Euro, die für jeden vergüteten Patienten der Schicht abgezogen wird). Privatpatienten werden gesondert abgerechnet.
Quelle: bh
 
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  • Schorsch-aus-Krotzeborsch
    Wie viele Notarzt Standorte sind laut Studie überflüssig? KEIN EINZIGER IST ÜBERFLÜSSIG!!!
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  • wwietschorke@freenet.de
    Na gut streichen wir Hofheim und woher kommt der Notarzt dann, 15 bis 20 Minuten später aus Haßfurt, Schweinfurt, KÖN oder noch weiter nach dem Notarztwagen. Vielleicht ist der Rettungsdienst dann auch schon weg und der Notarzt fährt hinterher. Gerade im Hofheimer Einzugsgebiet liegt der Ellertshäuser See, die Haßberge als Wandergebiet und dann die vielen Wälder, in denen Holzfällarbeiten stattfinden. Eine Entlastung könnte stattfinden, wenn die Vermittlung in der KVB Zentrale nicht schon eine Halbestunde dauern würde und der Arzt dann in den nächsten Stunden vorbei kommt. Was ist das Ergebnis, wenn die Angehörigen auf Grund der langen Dauer zu viel Angst um den Patienten haben rufen sie halt die 112!
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  • otmar-faber@t-online.de
    Das INM macht eine Studie die dem Interesse der AGBN entspricht, und dann interessiert diese angeblich niemanden.... schwer vorstellbar. In 10 Monaten sind die Landtagswahlen, mal sehen was danach passiert.
    Außerdem sollte man mal "die Kirche im Dorf lassen" , die Notarzteinsätze könnten auch deutlich reduzieren werden. Man müßte nur mal den Notarztindikationskatalog überarbeiten und den NotSan's ein bisschen mehr Kompetenzen geben und schon wäre alles wieder im Lot. Es wäre dann auch nicht schlimm wenn der NA etwas später eintrifft. Ist ja jetzt bei Paralleleinsätzen auch schon so.
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  • hilde2000
    Marktheidenfeld liegt am Mainviereck und nicht zwischen Karlstadt und Würzburg.
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  • BarbaraHerrmann
    Sie haben Recht, dieser Fehler ist uns heute Morgen auch aufgefallen und wir entschuldigen uns dafür. Nun ist er ausgebessert und die Karte korrekt. Danke für den Hinweis!
    Barbara Herrmann, Redakteurin
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