"Es geht mir gut. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich zu Hause." Alexej Schwarz spricht schon sehr gut Deutsch. Trotzdem will der 26-Jährige beim Interview Dolmetscherin Kornelia Schistka-Streck dabeihaben. Zur Sicherheit. Er ist ein russischer Oppositioneller. Und auch hier in Deutschland werde jedes Wort von ihm gelesen, sagt er. "Und Putins Arm reicht weit, egal wohin."
Alexej Schwarz ist am 8. Juli 2021 aus Russland geflohen. Er war wegen seiner Arbeit für den inhaftierten Kreml-Gegner Alexej Nawalny und seinem Kampf gegen die Korruption im Land verfolgt, mehrfach inhaftiert und psychisch gefoltert worden. Seit dem 7. Februar 2022 lebt er in Schweinfurt. Zuerst im Spätaussiedlerwohnheim der Regierung von Unterfranken, inzwischen mit seiner Ehefrau Daria in eigenen vier Wänden. Denn Alexej Schwarz war im Wohnheim von Mitbewohnern angefeindet worden. Er hatte in den Sozialen Netzwerken den Krieg Putins verurteilt, der damals gerade in die Ukraine einmarschiert war, und vor allem dessen Unterstützer in Deutschland scharf kritisiert.
Diese Redaktion hatte in einem Interview mit dem jungen Regimekritiker über seine Repressionen in Russland berichtet, was hohe Wellen schlug. Hierzulande alarmierte es die Sicherheitsbehörden, die sich um den Schutz des jungen Nawalny-Anhängers sorgten, in Russland ging es durch die Presse. Viele große Medien hätten danach über seine Flucht berichtet, ihn als "ethnischen Faschisten" bezeichnet, erzählt Alexej Schwarz. Und man habe versucht, seiner Familie Angst einzujagen.
Angst hat der 26-Jährige nicht: "Deutschland ist ein sicheres, hervorragendes Land." Allerdings: "Das, was ich erlebt habe, lässt mich nicht in Ruhe." Deshalb will Alexej Schwarz auch von Schweinfurt aus weiter gegen den "Putismus" kämpfen. Aktuell versucht er, anderen Oppositionellen nach Deutschland zu verhelfen. Mehrere seiner Mitstreiter sei zwar die Flucht aus Russland gelungen, sie würden aber in für sie unsicheren Ländern festsitzen.
Dankbar für Knoblachs Hilfe
Dank der Unterstützung des Schweinfurter Landtagsabgeordneten Paul Knoblach von Bündnis 90/Die Grünen konnten inzwischen 13 der von Alexej Schwarz aufgelisteten Putin-Kritiker nach Deutschland geholt werden. Zwei junge Oppositionelle, die bis zuletzt in Armenien festhingen, sind erst dieser Tage in Deutschland angekommen und "jetzt in Sicherheit". Bei zwei Oppositionellen ist das trotz Bemühungen noch nicht gelungen. "Wir sind da aber weiter aktiv dabei", zeigt sich der Grünen-Abgeordnete zuversichtlich.
Knoblach und Schwarz wollen die Namen der schon geflüchteten Oppositionellen im Alter von 19 bis 35 Jahren derzeit nicht nennen. Sie sind in verschiedenen Bundesländern untergebracht. Zwei junge Männer fanden Schutz hier in der Region, einer lebt aktuell in einem Wohnheim in Bad Königshofen, ein anderer in Lohr. Es seien Programmierer, Designer und Journalisten, "zuverlässige Leute", sagt Alexej Schwarz. Sie seien sehr dankbar für Knoblachs Hilfe, gibt er weiter. Alle wollten sich, sobald sie sich zurechtgefunden haben, "mit guten Taten und Hilfen revanchieren und im sozialen und gesellschaftlichen Leben nützlich sein".
Kontakt zur THWS Würzburg-Schweinfurt
Knoblach war auf vielen politischen Ebenen unterwegs, hat Fachleute kontaktiert und Juristen eingeschaltet. "Das bisher Erreichte ist erfreulich und mein Einsatz im Vergleich zu dem, was diese Leute in Russland erlebt haben, sehr gering und selbstverständlich", sagt der Abgeordnete. Er hatte schon früh Kontakt zu Alexej Schwarz aufgenommen. Der junge Oppositionelle hat in Russland neben dem politischen Kampf gegen Putin sich auch umweltpolitische gegen den Uranabbau in Sibirien durch den russischen Staatskonzern Rosatom eingesetzt.
Auch seine berufliche Ausrichtung ist für den Grünen-Politiker interessant. Alexej Schwarz ist Physiker und hat eine Möglichkeit entwickelt, aus Temperaturunterschieden elektrische Energie zu gewinnen. Über Knoblach lief auch ein Kontakt zur Technischen Hochschule in Schweinfurt. Sobald er die nötigen sprachlichen Prüfungen absolviert hat, will Alexej Schwarz in Deutschland sein Physik-Masterstudium fortsetzen und weiter forschen.
Der Abgeordnete der Grünen-Landtagsfraktion hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren viele Male mit dem jungen Russlanddeutschen getroffen und ausgetauscht. "Beeindruckend", fasst Knoblach die Gespräche zusammen. Im letzten Sommer nahm er Alexej Schwarz auch zum Empfang der Landtagspräsidentin Ilse Aigner auf Schloss Schleißheim mit.
Keine Rückkehr nach Russland
Der 26-Jährige scheut die Öffentlichkeit auch weiterhin nicht. Bei einer Diskussionsrunde der Paneuropa Jugend Unterfranken im vergangenen Jahr berichtete er, was Oppositionsarbeit in Russland bedeutet und wie freie Meinungsäußerung dort zu bewerten ist. Und er kritisiert nach wie vor offen das russische "Unrechtsregime" mit Präsident Putin an der Spitze. "Eine öffentliche Information über mich und meine Tätigkeit schadet mir nicht", sagt Alexej Schwarz. Im Gegenteil: Die größte Gefahr für ihn sei, vom Radar zu verschwinden.
Eine Rückkehr nach Russland ist für den 26-Jährigen ausgeschlossen. "Ich bin Deutscher und endlich in meiner Heimat." Er verweist auf seine deutsche Vorfahren. Sie lebten einst in Volyn im Nordwesten der Ukraine an der Grenze zu Belarus. Nach dem Krieg wurden sie nach Sibirien verbannt. Dort sind die Eltern von Alexej Schwarz aufgewachsen, in diesem Gulag für Deutsche ist auch er geboren und hat dort bis zu seinem 17. Lebensjahr gelebt.
Seine Familie habe ihm die Liebe zur deutschen Kultur und Tradition beigebracht, sagt er. Auf Vermittlung von Knoblach kümmert sich seit kurzem eine Fachanwältin für Migrationsrecht aus Nürnberg darum, dass "ich in meiner Heimat Deutschland nicht mehr als Flüchtling leben muss", wie es Alexej mit Pathos schildert. Er möchte die russische Staatsangehörigkeit ablegen und eine Anerkennung als deutscher Spätaussiedler. Derzeit hat er einen Aufenthaltstitel als politischer Flüchtling.
Alexej ist beeindruckt von der Unterstützung Deutschlands und der humanitären Hilfe so vieler für die Ukraine. Er selbst engagiert sich auch in der Ukraine-Hilfe. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich weiterhin auch politisch betätigen will, vielleicht als Öko-Aktivist an der Seite von Paul Knoblach bei den Grünen, wie er sagt.
Alexej Schwarz: "Ich habe es geschafft, aus dem Gefängnis und aus Russland zu fliehen, und jetzt, indem ich die Unterstützung von Paul und anderen neuen Freunden in Deutschland verspüre, sehe ich keinen Grund, mich zu fürchten. Ich bin mir sicher, dass wir Veränderungen zum Besseren erreichen können."
Ja auch zahlreiche sog. Russlanddeutsche vergöttern im Gegensatz zu Alexej Schwarz diesen Mann geradezu und stehen für ihn ein! Ich sage bewusst nicht alle, aber gefühlt die Mehrzahl aller mir bekannten Menschen dieser Herkunft!
Das ist sicher nicht repräsentativ aber für mich stellt sich jedes Mal folgende Frage: Warum leben sie dann in Deutschland und gehen nicht ins gelobte Land? Eine vernünftige Antwort hab ich noch nie bekommen, da wird herumgedruckst und abgelenkt!
Dabei ist festzustellen, dass von den befragten Leuten die wenigstens ein sonderlich gutes Leben hier führen, Hindernissen gäbe es in vielen Fällen wenige.
Interessant ist die Tatsache, dass sich Paul Knoblach diesem jungen Mann angenommben hat!
Ich erwarte von unserer Landesregierung, dass sie sich hier ebenfalls klar positioniert. Niemand möchte, dass Russland eines Tages wieder an der Oder steht oder diese überquert.
Die Ukraine verteidigt auch die Freiheit Westeuropas.