
Die Zahl ist gigantisch: Bundesweit werden laut Jagdverband jährlich über 200.000 Rehe bei einem Verkehrs-Unfall getötet. Dazu kommen Hasen und Wildschweine. In Bayern ist jeder fünfte Unfall ein Wildunfall – 8300 waren es 2024 allein in Unterfranken. Dabei wurden über 50 Personen verletzt und es entstand ein geschätzter Gesamtschaden von rund 300.000 Euro.
Wie verhalten sich Autofahrerinnen und Autofahrer nach einem Wildunfall richtig? Darf man einen überfahrenen Hasen mitnehmen? Und welche Beweise verlangt die Versicherung?
Wir haben beim Polizeipräsidium Unterfranken und beim Jagdschutzverein Schweinfurt nachgefragt und dabei auch Ungewöhnliches erfahren - zum Beispiel, warum ein Jäger einen angefahrenen Biber nicht einfach erschießen darf.
Was sollten Autofahrer tun, wenn ein Tier auf der Straße steht?
Hupen, das Fernlicht ausschalten und kontrolliert bremsen. Das lernen Autofahrer schon in der Fahrschule. Auch die Polizei gibt immer wieder solche Tipps zu Wildunfällen: Lieber eine Kollision mit dem Wild in Kauf nehmen, als in den Gegenverkehr ausweichen oder im Straßengraben landen.

Lohnt es sich, etwas langsamer durch Waldgebiete zu fahren?
Auf jeden Fall. ADAC und der Deutsche Jagdverband haben errechnet, was passiert, wenn ein Tier in 60 Meter Entfernung plötzlich auf die Straße läuft und der Autofahrer eine Vollbremsung macht. Bei Tempo 100 kracht das Auto noch mit über 60 Stundenkilometern in das Tier. Bei Tempo 80 kommt das Auto rechtzeitig vor dem Tier zum Stehen.

Wenn man ein Wildtier wie ein Reh oder einen Fuchs erfasst hat - anhalten oder weiterfahren?
Wenn es gekracht hat, anhalten, nachschauen und die Polizei verständigen. Hier geht es auch um die Sicherheit von anderen Verkehrsteilnehmern, wenn das tote Tier zum Beispiel auf der Straße liegt.
Auf der Autobahn einfach anhalten und zurücklaufen wird aber nicht verlangt, sagt die Polizei. Und nachts im Straßengraben nach einem Tier suchen kann gefährlich sein, denn angefahrene Tiere sind durchaus noch angriffsbereit.
Welche Tiere zählen als Wildunfall, und muss wirklich immer die Polizei informiert werden?
Als Wildunfall zählen alle Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, das sind zum Beispiel Reh-/Rot-/Damwild, Fuchs, Hase, Luchs, Wildschwein und Dachs. Andere Tiere wie Biber, Wolf, Greifvögel oder Uhu unterliegen dagegen dem Naturschutzrecht. Bei Kleintieren wie Amsel, Igel, Eichhörnchen darf man übrigens weiterfahren.
Die Autoversicherer zahlen teilweise auch bei anderen Tieren wie Ziegen, Schafen, Kühen, Pferden, Katzen und Igeln. Das kommt auf den Vertrag an. Wer auf Nummer sicher gehen will, informiert nach einem Unfall mit Tieren die Polizei.

Was ist nach einem Zusammenprall mit einem Wildtier am Unfallort zu tun?
Wer nach einem Wildunfall die Polizei verständigt hat, sollte ihr Eintreffen abwarten und die Gefahrenstelle in ausreichender Entfernung absichern. Dabei die gelbe Warnweste anziehen und den Gefahrenbereich verlassen.
Autofahrer sollten verletzte Tiere unbedingt liegenlassen. Nicht in der Nähe des Tieres aufhalten und auf keinen Fall berühren, denn das bedeutet für dieses zusätzlichen Stress. Tote Tiere soll man von der Fahrbahn ziehen, aber nur, wenn dies gefahrlos möglich ist, und nur mit Schutzhandschuhen.
Droht nach einem Wildunfall eine Anzeige wegen Unfallflucht oder Tierquälerei?
Eine Anzeige wegen Fahrerflucht gibt es nur, wenn Menschen verletzt wurden oder Schäden an Gegenständen entstanden, die einen Besitzer haben. Das ist bei Wildtieren nicht der Fall. Aber: Wird ein verletztes Tier zurückgelassen, ist das ein Verstoß nach dem Tierschutzgesetz bzw. Jagdgesetz wegen Tierquälerei und kann eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro nach sich ziehen.
In elf Bundesländern, darunter auch Bayern, gibt es eine Meldepflicht für Unfälle mit Wildtieren, etwa ab der Größe eines Fuchses. Die Meldung sollte unverzüglich oder zeitnah erfolgen und nicht erst Tage später.
Das Tier ist nicht auffindbar: Wer informiert den Jagdpächter?
In der Praxis macht das die Polizei. Der Jagdpächter fährt zur Unfallstelle, oft mitten in der Nacht. Ist das Tier in den Wald gelaufen, führt der Jagdpächter eine sogenannte Nachsuche durch.
Das heißt, er sucht das verletzte Tier, um es vor langem Leiden zu bewahren. Zum Einsatz kommen dabei auch Nachsuchen-Führer mit speziell ausgebildeten Hunden. All das gehört zu den Aufgaben eines Jagdpächters. Bezahlt wird er dafür nicht.
Das angefahrene Tier lebt noch. Was tun?
Auf keinen Fall dürfen Autofahrer selbst ein schwerverletztes Tier von seinem Leiden erlösen. Nur Personen, die einen Sachkundenachweis darüber haben, dürfen Tiere töten. Bei Jagdwild ist das in der Regel der Jagdpächter.

Problematisch kann es bei Tieren werden, die nicht dem Jagdrecht unterliegen, wie bei Greifvögeln, Uhu, Biber oder Wolf. Hier darf auch ein Jäger nicht tätig werden, da von Gesetzes wegen die Naturschutzbehörde zuständig ist. In der Praxis ist das besonders nachts schwierig. Jagdpächter oder Polizei handeln dann im Sinne des Tierschutzes, wenn sie ein Tier von seinem Leiden erlösen.
Gehört das Töten von Tieren zur Ausbildung bei der Polizei?
Polizeibeamte werden über das Töten von Tieren mit der Schusswaffe geschult. Auch hier soll sichergestellt werden, dass Tiere nicht unnötig leiden müssen. Bei kleinen Tieren sind die Waffen der Polizei ausreichend. Bei großen Tieren wie Hirsch oder Wildschwein fehlt den Waffen aber die Durchschlagskraft.
Beachtet werden muss auch, dass der Schuss unter Umständen durch das Tier hindurch geht und andere durch Querschläger gefährden kann. Deshalb sollen Tiere nicht auf Asphalt oder Betonuntergrund erschossen werden.
Der Hase ist schon tot. Darf man ihn mitnehmen?
Nein. Wer Tiere mitnimmt, die dem Jagdrecht unterliegen, kann sich eine Anzeige wegen Jagdwilderei einhandeln. Und selbst der Jagdpächter, der ein sogenanntes Aneignungsrecht hat, darf das Tier nicht mehr verwerten.
Wer kümmert sich um das tote Tier nach einem Verkehrsunfall?
Generell kümmert sich der Jagdpächter um die Entsorgung von Tieren, die dem Jagdrecht unterliegen. Der Jagdpächter bringt das Tier an einen Ort, wo es liegenbleiben kann, ohne jemanden zu stören. Ein Hirsch bleibt daher also nicht tagelang am Straßenrand liegen, sondern wird beispielsweise in der Nähe eines Fuchsbaus abgelegt.
Verzichtet der Jagdpächter auf sein sogenanntes Aneignungsrecht, sind die Straßenbaulastträger, Kreisverwaltungsbehörden bzw. Gemeinden oder die Autobahn GmbH des Bundes dafür zuständig, tote Tiere zu entsorgen. Bei Verdacht auf übertragbare Krankheiten wird das Veterinäramt eingeschaltet. Dann gelten sehr strenge Regeln bei der Entsorgung.

Welche Kräfte wirken beim Aufprall eines Autos auf zum Beispiel einem Wildschein?
Die Wucht, mit der ein Wildschwein bei Tempo 60 in die Frontpartie eines Autos einschlägt, entspricht dem Gewicht eines 3,5 Tonnen schweren Nashorns. Dies haben ADAC, Jagdverband und Verkehrssicherheitsrat ermittelt.
Wird ein Wildunfall von der Teilkasko- oder Vollkaskoversicherung bezahlt?
Abgewickelt wird ein Wildschaden über die Teilkasko-Versicherung, die auch in einer Vollkaskoversicherung enthalten ist. Auf den Schadenfreiheitsrabatt wirkt sich das aber nicht aus.
Welche Nachweise braucht die Autoversicherung nach einem Unfall mit Reh, Wildschein, Fuchs und Co.?
Die höchste Beweiskraft hat eine Anzeige bei der Polizei. Diese stellt eine Bescheinigung über den Wildunfall aus. Das kostet derzeit zehn Euro. Auch der Jagpächter kann eine solche Bescheinigung ausstellen.
Autofahrerinnen und Autofahrer können auch selbst Fotos machen und den Schaden ihrer Versicherung einreichen. Dazu ist nicht unbedingt eine polizeiliche Unfallaufnahme erforderlich. Einige Versicherungen akzeptieren dies.
Wer keine Teil- oder Vollkaskoversicherung hat, kann sich den Aufwand aber sparen, denn er ist nicht gegen Wildunfall versichert.
Info: Dieser Text wurde erstmals am 31. März 2024 veröffentlicht.
Zu schnell ist die Geschwindigkeit auch dann, wenn Fahrer meinen, die erlaubten 100 km/h +10% auf Landstraßen fahren zu müssen, nur weil keine geringere Geschwindigkeit vorgeschrieben ist.
Nein, runter vom Gas, 80 km/h tuns auch schon mal und tun der Tierwelt und der Umwelt gut!
Bis heute, 40 Jahre später, habe ich richtiggehend Angst auf nächtlichen Wald- und Wiesenstrecken. Und fahre dort selten schneller als 70.
Vermutlich öfters zum Ärger der mir folgenden Autofahrer, aber ich sag mir dann immer, ihr wisst scheinbar nicht, wie schnell das gehen kann...