
Wer in einem fremden Jagdrevier ein Wildtier tötet, macht sich wegen Wilderei strafbar. Aber gilt das auch, wenn es lediglich um einen Gnadenschuss für ein leidendes Tier geht, das beispielsweise bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde? Hier gehen die Einschätzungen auseinander. So manche Jägerin und mancher Jäger, die ein Tier erlösen würden, entscheiden sich letztlich dagegen – aus Angst vor Konsequenzen in einem rechtlichen Graubereich. Melanie Englert aus Wonfurt möchte deshalb erreichen, dass hier Klarheit geschaffen wird. Sie hat deshalb eine Petition gestartet. Ihr Ziel: Eine Änderung des Jagdrechts.
Wildunfall: Keine Spur vom Unfallfahrzeug
Auslöser war ein Erlebnis, das Englert am 19. Oktober hatte. Sie war gerade morgens auf dem Weg zur Arbeit, als sie am Straßenrand zwischen Sand und Limbach ein verletztes Reh sah. Als Grund für die Verletzung vermutet sie einen Wildunfall, vom betroffenen Unfallauto und dessen Fahrerin oder Fahrer fehlte aber jede Spur. Melanie Englert hielt an und näherte sich dem Reh, das weiterhin regungslos stehenblieb, selbst als sich ihm eine menschliche Hand bis auf wenige Zentimeter näherte – für ein Fluchttier ein völlig untypisches Verhalten, das auf seinen schlechten Zustand hindeutet.
So führte Englert das Reh erst einmal zum nahegelegenen Radweg, um es vom Autoverkehr wegzubringen, und rief die Polizei. Das Tier sei auf diesem Weg staksig gelaufen, außerdem bemerkte Englert Blut aus Maul und Nase sowie ein blutiges Auge. Das Tier habe schwer geatmet und Blut gehustet, beschreibt sie weiter seinen schlechten Zustand.
Der Jagdpächter war nicht zu erreichen
Nach Englerts Schilderungen dauerte es rund eine Stunde, bis eine Polizeistreife eintraf. Ein Polizist habe das Tier dann auch gleich mit seiner Dienstwaffe erschossen. Die Polizei Haßfurt bestätigt auf Nachfrage dieser Redaktion, dass dieser Einsatz so stattgefunden hat.

Melanie Englert ärgert allerdings, dass das Tier so lange leiden musste, zumal die Vollmantel-Munition, die die Polizei in ihren Dienstpistolen verwendet, nicht gerade ideal ist, um in einer solchen Situation ein Tier zu erlegen. Wäre es nicht möglich gewesen, eine Jägerin oder einen Jäger zu erreichen, die mit der passenden Ausrüstung schnell vor Ort gewesen wären? "Die Polizei hat versucht, den Jagdpächter zu erreichen", berichtet Melanie Englert, doch das sei nicht gelungen. Und andere Jägerinnen und Jäger hätten es abgelehnt, das Tier zu töten: "Die Angst ist zu groß."
Gerichtsurteile fallen sehr uneinheitlich aus
"Ich weiß, dass sie das ungern machen", bestätigt Kurt Etzel, stellvertretender Dienststellenleiter der Polizei Haßfurt, dass Jägerinnen und Jäger oft Hemmungen haben, in einem fremden Revier ein Tier zu töten – selbst wenn es darum geht, auf Bitten der Polizei ein Tier von Schmerzen zu erlösen. Allerdings betont Etzel auch, ihm sei kein Fall bekannt, in dem es tatsächlich im Nachhinein Ärger gegeben hätte. "Ich fände das auch bescheuert", sagt er, "es geht ja darum, das Leid zu beenden".
Dennoch: Rechtlich gesehen befinden sich Jägerinnen und Jäger hier in einer Grauzone, wie auch das Landratsamt Haßberge bestätigt: "Zu dieser Fallgestaltung gibt es einige Gerichtsurteile, Aufsätze und Kommentarstellen, die einen solchen Fall sehr uneinheitlich betrachten und bewerten." Im Regelfall gingen die Jägerinnen und Jäger allerdings straffrei aus, da "entweder aufgrund der Sicherung des Verkehrs und/oder der Wahrung des Tierschutzes" ein Rechtfertigungsgrund vorliege. "Vereinfacht gesprochen wird durch diese Rechtfertigung die eigentlich rechtswidrige Tat rechtmäßig."
Weitere Scherereien für den Schützen
So heißt es aus der Behörde: "Aus jagdrechtlicher Sicht hätte der fremde Jäger also wohl nichts zu befürchten." Werde er aber trotzdem – etwa vom Revierinhaber – wegen Wilderei angezeigt, würde vermutlich ein Strafverfahren eingeleitet. Auch wenn das mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Freispruch enden dürfte, sei "nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es im Nachhinein für den Schützen zu weiteren Scherereien kommen kann. Diese werden natürlich gescheut."
Laut dem Fazit des Landratsamtes "wäre eine klarstellende Regelung zu begrüßen, um die oben dargestellten Unsicherheiten zu beseitigen". Die Behörde verkenne aber auch nicht, "dass es dann zu weiterführenden Fragen in den zusätzlich berührten Rechtsbereichen (z.B. Waffenrecht, Versicherungsrecht) kommt."
Ziel der Petition: 5000 Unterschriften in fünf Monaten
Um eben diese klarstellende Regelung geht es in Melanie Englerts Petition: "Wir fordern eine Änderung der Gesetzeslage, um Tierleid zu verhindern und eine sichere Rechtslage für Polizei, Jäger und Tierärzte zu schaffen", formuliert sie ihre Kernforderung auf der Internetplattform openPetition. Am Mittwoch, 26. Oktober hat sie diese gestartet. Das Sammelziel sind 5000 Unterschriften, die sie innerhalb von fünf Monaten erreichen will, bevor sie die Petition einreichen kann.
Weiter schreibt Englert in der Begründung ihrer Petition: "Viele Jagdpächter sind Hobbyjäger, somit berufstätig und nicht immer erreichbar. Es sollte für erreichbare Jagdpächter oder geschultes Personal, z. B. Tierärzte, möglich sein, auch in einem nicht in der Zuständigkeit liegenden Revier einen erlösenden Tod herbeizuführen."
Auch Jägerinnen und Jäger fühlen sich im Graubereich unwohl
Auch aus Jägerkreisen ist die Aussage zu hören, dass sich viele Jägerinnen und Jäger in diesem Graubereich nicht wohl fühlen. "Rein rechtlich ist es so, dass man es nicht darf", sagt beispielsweise ein Jäger, der nicht namentlich genannt werden will, im Gespräch mit dieser Redaktion. "In 90 Prozent der Fälle würde ich es trotzdem machen", sagt er – immerhin wisse man ja, wessen Reviere sich in der Nachbarschaft befinden und dass einem die meisten anderen Revierinhaberinnen und -inhaber keinen Ärger machen würden. "Aber es gibt halt auch schwarze Schafe."

So würde auch dieser Jäger einen Erfolg von Melanie Englerts Petition begrüßen. "Es wäre eine feine Sache, wenn das geklärt wird", sagt er. "Es ist ein Lebewesen", betont er mit Blick auf die Tiere, deren Leid verkürzt werden soll. "Man sollte das schnell und sauber regeln."
Braucht es für jeden Ausnahmefall eine Rechtsveränderung?
Auch Egon Frank, Vorsitzender der Kreisgruppe Haßberge des Bayerischen Jagdverbandes (BJV), bestätigt, dass die Tötung eines Tieres in einem fremden Revier nach aktueller Rechtslage den Tatbestand der Wilderei erfüllt – selbst in einer Situation, wie sie Melanie Englert erlebt hat. Ihre Petition sieht Frank dennoch kritisch: Es sei nicht immer sinnvoll, wegen besonderer Ausnahmefälle gleich eine Rechtsveränderung anzustreben.
"Viel besser wäre es, wenn wir in Übereinstimmung mit dem Tiergesetz / Jagdgesetz und den Behörden, in diesem Fall die Polizei, ein unnötiges Tierleiden beenden könnten", teilt Frank dieser Redaktion schriftlich mit. Das würde in der Praxis auch schon so gehandhabt, schreibt der BJV-Kreisvorsitzende weiter.
Egon Frank wünscht sich eine Schießweiterbildung für die Polizei
In vielen Revieren sei es schon so organisiert, dass auch andere Revierberechtigte im Vorfeld bei der Polizei benannt sind und Jägerinnen und Jäger mit Begehungsberechtigung ein Wildtier in solchen Fällen erlegen dürfen.
Wünschen würde sich Egon Frank allerdings, dass die Thematik mit in die Polizeiausbildung aufgenommen wird, so dass auch die Beamten ein Tier mit waidgerechter Munition schnell töten können, wenn Revierinhaberinnen und -inhaber sowie deren Vertretungen nicht erreichbar sind. "Die Polizei hat eine Schießausbildung und mit entsprechender Schießweiterbildung ist das ohne großen Mehraufwand ausführbar."
Die Petition im genauen Wortlaut sowie die Möglichkeit, zu unterzeichnen, finden Sie auf der Online-Plattform openPetition.
Das momentane Gesetzt gehört defintiv überarbeitet, ich würde es sogar als skandalös nennen.
Wie man den Artikel entnimmt wären sowohl teile der Jägerschaft, als auch die Polizei und Landratsamt FÜR eine entsprechende Änderung!
Ich würde sogar soweit gehen, dass Jäger verpflichtet werden sollten angefahrene Tiere in fremden Revieren zu erlösen wenn der Revierinhaber nicht erreichbar ist.
Natürlich müssten die rechtlichen Fragen vorab geklärt werden. Aber so wie es momentan gehandhabt wird ist das doch eine Sauerei für alle Beteiligten!
Wenn es um Menschen geht ist jeder verpflichtet Erste Hilfe zu leisten, da kann man auch nicht sagen "ich bin kein Arzt", "ich hab keine Zeit" etc.