
Die Reaktionen sind eindeutig: "So etwas würden wir auf keinen Fall machen." Das sagen alle in Stadt und Landkreis Schweinfurt angefragten Träger von Senioren-Pflegeeinrichtungen zu der Abwerbeaktion von Pflegekräften der Hamburger Unternehmensgruppe Domicil. Am vergangenen Freitagmittag war vor dem AWO-Pflegeheim in Schwebheim ein Domicil-Firmenauto abgestellt worden, dessen Scheiben ringsum mit Stellenanzeigen für Pflege- und Betreuungspersonal zugeklebt waren. Das knallrote Fahrzeug war so geparkt, dass AWO-Beschäftigte beim Verlassen des Firmenparkplatzes unweigerlich daran vorbei mussten und auf die Stellenanzeigen aufmerksam wurden.
AWO-Heimleiterin Sabine Müller nennt diese Art von Mitarbeiterwerbung eine "dreiste Aktion". Ihre Kollegin Sabine Woytinnek vom Caritas-Marienstift in Schweinfurt pflichtet ihr bei: "Das ist unverschämt." Angesichts der Personalnot in allen Häusern sollten die Einrichtungen doch miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Abwerben sei kein faires Mittel. "Solche Aktionen entsprechen nicht unseren Wertvorstellungen", sagt Woytinnek.
Freie Wohlfahrtsverbände distanzieren sich
Auch Diakonie-Vorstand Carsten Bräumer distanziert sich von solchen Maßnahmen: "Eine derartige Vorgehensweise wäre nicht unser Stil." Die Freien Wohlfahrtsverbände tauschen sich in Arbeitsgruppen regelmäßig aus und suchen nach gemeinsamen Lösungen. Jüngstes Beispiel: die Schließung des Caritas-Hauses Maria Frieden in Schweinfurt Ende September. Hier haben sich Caritas und Diakonie schon im Vorfeld beraten und vereinbart, dass die Diakonie einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernimmt.
In diesen Arbeitsgruppen sind auch Stadt und Landkreis Schweinfurt vertreten. Die Stadt betreibt über die Hospitalstiftung das Friederike-Schäfer-Heim in der Stadt. Personalakquise in dieser Form hat Sozialreferent Jürgen Montag noch nicht erlebt. Er stellt klar, dass solche Abwerbeaktionen nicht dem Stil der Stiftung entsprechen.
"Wir machen so etwas ebenfalls nicht", betont auch Simone Falkenstein, die Leiterin des Kreisalten- und Pflegeheims Werneck. Wie in den anderen Häusern wird das Personal auf herkömmlichen Weg, über Stellenanzeigen oder Mund-zu-Mund-Propaganda, rekrutiert.
Abwerbeaktionen dieser Art sind auch dem Roten Kreuz fremd. "Mit solchen Mitteln arbeiten wir nicht", betont BRK-Geschäftsführer Thomas Lindörfer.
Bürokratie erschwert Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte
Und wie halten es andere private Träger, greifen sie zu solchen Mitteln? "Nein", sagt Dominik Küfner, Einrichtungsleiter des Korian-Pflegeheims an den Mönchskutten in Schweinfurt. Für einen langfristigen Erfolg bei der Personalgewinnung sind seiner Meinung nach eine faire Bezahlung, attraktive Arbeitsbedingungen und eine dauerhafte Wertschätzung der Mitarbeitenden wichtige Bausteine.
Für Kaspar Pfister, dem Geschäftsführer des Benevit-Pflegeheims im benachbarten Gochsheim, ist es "ein Alarmzeichen höchster Stufe, wenn Einrichtungen zu einer solchen Verzweiflungstat greifen". Nach wie vor erschwere aber eine überbordende Bürokratie die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte. Die aktuell hohe Krankheitsquote im Doppelpack mit Grippe und Corona treffe die Altenpflege zudem härter als jede andere Branche. Denn um Personalschlüssel halten zu können, müssten Pflegeheimbetreiber sehr kurzfristig und sehr teuer Leasingkräfte einsetzen. Die Mehrkosten würden allerdings im Pflegesatz nicht anerkannt.
"Im schlimmsten Fall wird die Belegung gesenkt, obwohl die Nachfrage nach Pflegeplätzen so groß ist wie nie", schildert Pfister die aktuelle Situation. Eine Auslastung von unter 97 Prozent bedeute aber ein wirtschaftliches Defizit, verschärft durch die gestiegenen Aufwendungen für Energie und Lebensmittel. "Am Ende drohen den Heimen Schließungen und Insolvenzen."
Auch die Gochsheimer Einrichtung ist derzeit nicht voll belegt. Fünf Pflegeplätze können nicht vergeben werden, weil Personal fehlt. "Für die insgesamt 55 Bewohner brauchen wir rund 60 Mitarbeiter, 55 haben wir", sagt Pfister. In der Altenpflege habe längst der Überlebenskampf begonnen, und Abhilfe sei trotz massiver Hilferufe nicht in Sicht. "Es braucht neue Wege und die Erlaubnis sie gehen zu dürfen."
Zitat: "Nach wie vor erschwere aber eine überbordende Bürokratie die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte."
Das ist in meinen Augen noch wesentlich verwerflicher als die Abwerbung vom örtlichen Mitbewerber. Die "Interessen" Deutschlands bzw. unserer Gesellschaft scheinen da aber größer zu sein als die Skrupel!
Die Pflegekräfte die hier oftmals aus dem Ausland, meist aus dem globalen Süden oder ärmeren Ländern durch Geld angeworben werden fehlen in den allermeisten Fällen auch in ihrem Heimatland.
Viele Länder die sowieso am Hungertuch nagen und ihre wenigen Staatseinnahmen noch in Ausbildung von Fachkräften investieren, müssen im Anschluss zuschauen wie dieser "Brain-Train" sich auf und davon in den Westen macht. Die Heimatländer können oft wenig dagegen machen. Sie können bei der Bezahlung nicht mithalten. Den Personen die diesen "Brain-Train" nutzen ist allerdins kein persönlicher Vorwurf zu machen.