
Die Suche nach dem Mörder der 18-jährigen Cornelia Hümpfer aus Dittelbrunn (Lkr. Schweinfurt) dauerte 45 Jahre. Dabei hatten Schweinfurter Ermittler schon nach fünf Tagen den heute dringend Tatverdächtigen Tommy M. 1978 kontrolliert. Doch der präsentierte damals ein Alibi. Die Ermittler ließen den US-Soldaten wieder laufen.
Dass das 18 Jahre alte Mordopfer damals insgeheim eine intime Beziehung zu dem mutmaßlichen Mörder hatte, fanden die Ermittler erst später heraus.
US-Gericht befürwortet Auslieferung des Tatverdächtigen nach Schweinfurt
Jetzt sieht es so aus, als müsse sich der tatverdächtige US-Veteran Tommy M. bald einer Anklage vor dem Landgericht Schweinfurt stellen. Nach nach seiner Festnahme in den USA auf Initiative der Schweinfurter Ermittler wurde Tommy M. vor Gericht mit den Vorwürfen konfrontiert.
Nach Gerichts-Unterlagen, die unserer Redaktion vorliegen, hat Richterin Cheryl R. Zwart dort in Lincoln im Bundesstaat Nebraska die aus Schweinfurt vorgelegten Beweise für glaubwürdig befunden. Im Gerichtsbeschluss vom Montag werden die Weichen für eine Auslieferung des 69-Jährigen Tatverdächtigen nach Deutschland gestellt.
"Es besteht Grund zu der Annahme, dass Tommy M. am 20. April 1978 in Deutschland eine Frau unter Missachtung der deutschen Gesetze ermordete", heißt es darin. Und weiter: "Das Gericht erlässt einen Bestätigungs- und Verpflichtungsbeschluss für die Auslieferung."
Die Schweinfurter Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei halten sich zu neuen Details zum Fall derzeit bedeckt. Doch das Gericht in den USA hat sich bereits acht Mal mit der Auslieferung des Tatverdächtigen nach Schweinfurt befasst. Und zu solch einem spektakulären Eingriff in Rechte eines US-Bürgers macht das Gericht Unterlagen transparent.
Ein verdächtiges Auto und ein angebliches Alibi des heute dringend Tatverdächtigen
Das unserer Redaktion vorliegende Gerichtsprotokoll vom 7. August erwähnt viele erhellende Details zum Tatablauf vor 45 Jahren: Ermittler überprüften demnach bereits 1978 etwa fünf Tage nach dem Leichenfund einen Fiat 124 mit den grünen Nummernschildern eines US-Militärangehörigen. Er entsprach der Beschreibung einer Zeugin, die in der Nähe des späteren Fundortes der Leiche von Cornelia Hümpfer eine junge Frau in ein solches Auto einsteigen sah.

Das kontrollierte Auto gehörte dem damals 24-jährigen Tommy M., zu der Zeit in Schweinfurt stationierter US-Soldat, der heute der Mordverdächtige ist. Die viereckigen Muster der Fußmatten in seinem Fiat stimmten laut Gerichtsprotokoll mit Spuren überein, die sich auf der Kleidung der Ermordeten eingeprägt hatte. Die Fußmatten sollen sorgfältig gereinigt worden sein, war Ermittlern damals aufgefallen.
Nach damals noch unbekannten DNA-Spuren suchte niemand. Aber "hätten die Ermittler an dem Tag den Innenraum mit Luminol besprüht, was damals durchaus üblich war, wären wahrscheinlich Blutspuren sichtbar geworden," sagt Enrico Ball, Sprecher des Polizeipräsidiums.
Doch der damals befragte Autobesitzer hatte ein glaubwürdig klingendes Alibi. Tommy M. sagte, er habe den Tatabend im April 1978 mit seiner Frau verbracht – die sich selbst laut Protokoll des Gerichts nicht mehr genau erinnern konnte. Die damaligen Ermittler glaubten ihm und wandten sich anderen Spuren zu.
War Probe-Termin in Schweinfurt nur Vorwand für ein Treffen mit Tommy M.?
Heute können die Mordermittler DNA-Spuren von Tommy M. an Cornelia Hümpfers Kleidung nachweisen. Es gibt laut unserer Redaktion vorliegenden Unterlagen konkrete Hinweise auf eine intime Beziehung der jungen Frau mit dem sechs Jahre älteren US-Soldaten.
Cornelia Hümpfer hatte an jenem 20. April 1978 erzählt, sie wolle zur Probe ihrer Kirchen-Musikgruppe "Band of Jericho" in Schweinfurt. Doch offenbar gibt es begründete Zweifel, ob sie an jenem Abend tatsächlich zur Probe wollte, oder stattdessen vorhatte, sich mit Tommy M. zu treffen.
Was bei dem Treffen passiert sein soll, erzählte Tommy M. 17 Jahre später offenbar seiner damaligen Frau. Die schilderte seine Worte nach der Scheidung in einem Brief an die Militärpolizei. Cornelia Hümpfer soll danach 1978 beim Treffen mit Tommy M. gedroht haben: Sie sei schwanger und sie werde es seiner Frau erzählen. Da soll er sie mit 14 Messerstichen ermordet haben.
Mutmaßlicher Mörder soll mehrere Andeutungen über den Mord an Cornelia Hümpfer gemacht haben
Das Gerichtsprotokoll aus Lincoln offenbart noch mehr: Tommy M. machte später mindestens drei weiteren Personen gegenüber Andeutungen über die Bluttat. Einem Arzt soll er eine wirre Geschichte über eine Spionin erzählt haben, mit der er in Deutschland eine Affäre gehabt habe. Er habe sie getötet, um zu vertuschen, dass jemand davon erfährt.
Einem Arbeitskollegen erzählte er von Affären mit deutschen Frauen, bei denen er "böse Dinge" getan habe, über die er nicht reden wolle. Und seinem Vater soll er erzählt haben: Er habe wohl ein deutsches Mädchen "böse zugerichtet". Denn er erinnere sich, dass er einmal mit blutgetränkter Kleidung nach Hause zurückkam.
Aber wieder schliefen die Ermittlungen ein – obwohl die US-Militärpolizei den Fall wieder aufnahm, ihre deutschen Kollegen informierte und M. 1996 zu dem Brief seiner Ex-Frau befragte. Dies bestätigten 2001 Schweinfurter Ermittler gegenüber unserer Redaktion. Aber Tommy M. wiegelte damals bei der Vernehmung ab: Er habe im Rausch nur Unsinn erzählt, um sich wichtig zu machen.
Erst neue DNA-Technik brachte die Ermittler in Schweinfurt einen entscheidenden Schritt weiter
Wieder dauerte es 20 Jahre, ehe die Ermittlungen im Fall Cornelia Hümpfer vorankamen. Inzwischen waren DNA-Experten des Landeskriminalamts nicht mehr auf grobe Spuren wie Haare oder Hautpartikel des Täters angewiesen. Sie konnten winzige DNA-Spuren des Tatverdächtigen aus der Kleidung der Toten auswaschen und mit Vergleichsproben identifizieren. Die beweisen: Tommy M. hatte eindeutige Spuren auf der Kleidung der Ermordeten hinterlassen.
Die Ermittler der Schweinfurter Kripo sind laut Enrico Ball optimistisch, den Tatverdächtigen bald in Frankfurt in Empfang nehmen zu dürfen. Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert ist nicht so optimistisch: Der Beschuldigte könne sich gegen eine Auslieferung juristisch wehren. Eine seriöse Einschätzung, ob sich das Verfahren über Monate oder gar Jahre hinziehen werde, sei daher nicht möglich.

Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht dem Beschuldigten Tommy M. eine Strafe von lebenslänglich. Alle geringeren Delikte wären verjährt, dann müsste man Tommy M. wieder freilassen.
In der Praxis könnte bei einer Verurteilung wegen Mordes nach 15 Jahren über eine Freilassung entschieden werden, wenn nicht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt wird. Dann wäre der Verdächtige etwa 85 Jahre alt.