Es hat schon etwas von einem Ritual: Im Sommer lädt die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) Menschen aus der Region zum Wandertag ein. Am vergangenen Samstag rund um den Ellertshäuser See und noch etwas weiter in die Umgebung. Acht Kilometer. Geerbt hat die Schwebheimerin die Idee von ihrem Amtsvorgänger Michael Glos, der auch diesmal an den See gekommen ist, um zumindest eine Teilstrecke mitzulaufen. Aus der "Tour de Glos" ist "Mit Anja auf Tour" geworden. Ein Familienausflug mit politischem Anstrich ist die Wanderung für die Abgeordnete, die Mann, Kinder und Schwiegereltern mitgebracht hat.
Die Macht der Bilder
Und weil die Macht der Bilder groß ist, bleibt nichts dem Zufall überlassen. In Zeiten des Bundestagswahlkampfs schon gar nicht. Die treuesten der 50 Gäste schlüpfen in grüne "Anja-Fan-T-Shirts", die Büroleiter Martin Schlör verteilt. Die Fotos sind am Sonntagmorgen auf Weisgerbers Facebook-Seite zu finden.
Eine "wandernde Bürgersprechstunde" nennt Weisgerber ihr Angebot, bei dem es vor allem ums Zuhören geht. Sie will erfahren, was die Menschen bewegt, sagt sie. Und sie schätze die Atmosphäre und den offenen Dialog. Das Format ist auch für Weisgerber eine gewisse Verpflichtung: Sie kann sich, selbst wenn sie es wollte, dem Kontakt nicht entziehen. Gleichzeitig hat sie mehr Muse für die Anliegen der Menschen, weil kein dringender Termin wartet. Und auch ihr Handy bleibt meistens stumm.
Reservisten und Luftreinigung
In der Tat sind es ganz unterschiedliche und manchmal überraschende Themen, die die Wählerinnen und Wähler an die Parlamentarierin herantragen. Ein Mitwanderer bietet an, einen Kontakt herzustellen zu einem Unternehmen, das Luftreinigungsgeräte für Innenräume herstellt. Ein anderer berichtet, dass sich ältere Reservisten von der Bundeswehr ausgebootet fühlten. Da müsse man mal Kontakt mit dem Verteidigungsministerium herstellen, sagt Weisgerber. Und eine Frau fragt einfach nur nach Weisgerbers Wohlbefinden: "Wenig Schlaf", lächelt die Angesprochene und fährt die Partie im Gesicht ab, in der sie Augenringe ausgemacht haben will. Aber ihr Mann passe auf, dass sie es im Wahlkampf nicht übertreibt.
"Ich mache mir im Anschluss immer einen Hausaufgabenzettel", erläutert Anja Weisgerber, um vor allem bei Anfragen ihren Gästen auch eine Rückmeldung geben zu können. Das ist ihr sehr wichtig.
Diesmal kein Fischsterben
Um den Ellertshäuser See geht es bei diesem Termin natürlich auch: Im Herbst soll das Wasser abgelassen werden, um ihn vom Schlamm zu befreien und die korrodierte Grundablassleitung zu reparieren. Das Vorhaben ist nicht ganz unumstritten. "Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei", sagt Leonhard Rosentritt vom Wasserwirtschaftsamt, den Weisgerber dazu gebeten hatte: "Ohne Trockenlegung geht es nicht", versichert er.
Ein Angler fragt daher gezielt nach, was denn mit den Fischen werden soll. Mit Netzen sollen sie herausgeholt und möglichst verwertet werden. Die Exemplare, bei denen dies nicht möglich ist, sollen im Vorsee ein Ausweichquartier erhalten. Rosentritt ist sehr offen: 1983, als der 1957 fertiggestellte Stausee, das letzte Mal geleert wurde, sei man mit der Menge von zehn Tonnen Fischen überfordert gewesen. Ein massives Fischsterben wie damals soll diesmal verhindert werden.
Die Klima-"Revolution"
Anja Weisgerber – ganz im Wahlkampfmodus – dreht den Scheinwerfer auf einen anderen Aspekt: den Hochwasserschutz. Die Katastrophen der vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass man Hochwasservorsorge ernst nehmen müsse. Und die von der Bundesregierung anvisierte Klimaneutralität 2050 sei keine Kleinigkeit, sondern "eine Revolution". Ungewohnter Wortschatz einer CSU-Politikern. Das ist ihre einzige verbale Kraftmeierei an diesem Tag. Denn es geht ja ums Zuhören bei der "wandernden Bürgersprechstunde".