
"Ah, die Berliner Cannabis-Jungs sind wieder da." Den Spruch des Taxifahrers hat Philipp Schetter schon ein paarmal gehört. Schetter ist Geschäftsführer der Firma Cantourage, und inzwischen hat sich unter den Taxifahrern herumgesprochen, was den Unternehmer von der Zentrale in Berlin in den Raum Schweinfurt bringt.
Die Berliner Firma Cantourage produziert seit Herbst 2023 in einem kleinen Ort im Landkreis Schweinfurt medizinisches Cannabis. Produziert wird nicht für Genuss-Kiffer - sondern für Apotheken, zum Konsum auf ärztliches Rezept. Das Cannabis, das vor allem zur Schmerztherapie verschrieben wird, geht an Patientinnen und Patienten in Deutschland und auch in Großbritannien, sagt Schetter.

Betrieb erweitert - mit Hanfpflanzen aus dem Ausland
Nun hat Cantourage den Betrieb erweitert und will die Produktion von medizinischem Cannabis verdreifachen. Bis Februar wurden in der Anlage im Landkreis Schweinfurt 250 Kilogramm hergestellt, sagt Schetter. Die Nachfrage sei generell gewachsen in den vergangenen Jahren. Seit der Teil-Legalisierung von Cannabis am 1. April sei der Bedarf, wie erwartet, nochmal spürbar gestiegen. Schon 2002, drei Jahre nach der Gründung, ging die Firma an die Börse: "Wir sind Marktführer in Deutschland und in Europa", sagt Schetter.
Hanfpflanzen werden hier allerdings nicht angebaut. Die verarbeiteten Pflanzen stammen aus 18 Ländern, von Jamaika über Neuseeland bis Kanada. "In Deutschland Hanf anzubauen, ist eine Herausforderung", meint Schetter. Der Betrieb von Plantagen seien personalintensiv und mit hohen Energiekosten verbunden. In Europa fehle dafür das Knowhow.

Philipp Schetter und Produktionsleiter Christian Saalfrank reden mit Hingabe über ihr Produkt. Worüber sie nicht gerne reden: Wo genau produziert wird. Einbrecher will man keine anlocken, "Laufkundschaft" auch nicht. Einmal sei abends jemand aus der Nachbarschaft vor der Tür gestanden und hätte gerne etwas zu rauchen gehabt.
Aus Sicherheitsgründen soll der genaue Standort der Anlage geheim bleiben
Vor solchen Situationen wolle man die 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unterfranken schützen. 20 Beschäftige hat die Zentrale in Berlin. Der eine oder andere Taxifahrer aus Schweinfurt weiß zwar schon, wo die Berliner Truppe hinwill, wenn sie hier aus dem Zug steigt. Allgemein bekannt soll die Adresse aber nicht werden.

Der Sicherheitsaufwand ist groß. Auf dem Gelände stehen große Tresor-Lager. Die Kapazität reicht für eine Tonne Cannabis. 400 Kilogramm medizinisches Cannabis sind im Moment bereit für den Vertrieb, abgepackt in 250-Gramm-Gebinde. Für kleinere Apotheken gibt es auch das 10-Gramm-Päckchen.
Gute Infrastruktur, Zoll vor Ort, Erfahrung mit Arzneipflanzen: Standort Schweinfurt attraktiv
Warum wird in der Region Schweinfurt produziert? Die Infrastruktur ist hier super, sagt Schetter: Nähe zum Frankfurter Flughafen, Autobahnanbindung, der Zoll direkt in Schweinfurt. Außerdem gibt es in der Region Erfahrung mit dem Anbau und der Weiterverarbeitung von Arzneipflanzen. Das hilft bei der Personalsuche.

In der Anlage werden die Hanfpflanzen be- und verarbeitet. Nur die Blüten werden zum Medizinprodukt. In einer Art Trommel werden die Pflanzen vorsortiert. Vor der Trocknung werden die Blüten nochmal per Hand kontrolliert. Stängel und Blätter sind Abfall und werden vernichtet. Ihre Weiterverarbeitung sei gesetzlich nicht erlaubt, sagt Produktionsleiter Saalfrank.
Für Konsumenten und Konsumentinnen hat sich seit der Gesetzesänderung am 1. April einiges geändert. Anbau und Konsum sind unter gewissen Auflagen erlaubt. Für Cantourage selbst hat sich wenig geändert. Die Produkte fallen zwar nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz, sind aber weiterhin rezeptpflichtig. Bürokratie und Dokumentationspflichten blieben: "Der deutsche Staat will wissen, wo jedes Gramm Cannabis ist", sagt Schetter.
Cannabis nicht nur zur medizinischen Verwendung zu produzieren - Cantourage habe es bislang nicht vor, sagt Schetter. Sollten sich gesetzliche Regeln ändern, werde man darüber nachdenken. Er findet, der Stoff sollte generell frei in Apotheken verkauft werden: Kriminalität würde wegfallen, die Qualität würde überwacht. Und Apothekerinnen und Apotheker könnten beim Verkauf auch gleich aufklären und beraten.
Der Bedarf wäre vorhanden, meint Schetter: 400 Tonnen Cannabis würden im Jahr am Schwarzmarkt umgesetzt, 20 im Bereich Medizin. Produktionsleiter Christian Saalfrank sagt: "Es bleibt spannend."