
Morgen hat Layali eine Deutsch-Schulaufgabe. "Das Layout einer Reportage" ist das Thema. Gerd Schurz bespricht mit der 14-Jährigen die Aufgabe. Vorspann, Textgliederung, Schlagzeile. Mittenrein fragt Amir den "Herrn Gerd", ob die Terme, also die Zahlenreihe, mit der er gerechnet hat, so stimmt. Der Zwölfjährige lächelt, als ihm der 77-Jährige auf die Schulter klopft. "Ja, passt so, gut gemacht."
Layali und Amir sind zwei der sieben Kinder der ägyptisch-syrischen Familie Melik, die seit 2014 in Schweinfurt lebt. Seit dem Schuljahresbeginn im Sommer 2021 kümmert sich der "Herr Gerd" als Familienpate des Kinderschutzbundes um Layali, Amir und ihren 13-jährigen Bruder Bakr. Alle besuchen die Wilhelm-Sattler-Realschule in Schweinfurt, die beiden Älteren die siebte, Amir die sechste Klasse.
Die drei Kinder haben sich in der Schule verbessert
Die drei Geschwister haben ihre Noten seitdem verbessern können. Zweimal pro Woche, Dienstag- und Freitagnachmittag, marschiert das Trio zu den Räumen der Kreisgruppe am Graben in Schweinfurt. Dann wird gelernt, Stoff nachgeholt. "In allen Lernfächern eine Drei", hat Gerd Schurz als Ziel ausgegeben. Es sieht gut aus.
"Ich kann mich hier besser konzentrieren", sagt die älteste Tochter der Meliks. "Es macht Spaß", ergänzen die Brüder. Das hat damit zu tun, dass auch mal ein Spiel eingeschoben wird.
Deutschlandweit hat der Kinderschutzbund über 400 Orts- und Kreisverbände. Der Kinderschutzbund Schweinfurt wurde 2008 gegründet. Marianne Firsching hatte damals die Idee. Sie saß mit Gerd Schurz für die SPD im Stadtrat, holte ihn ins Boot, Überzeugungsarbeit war nicht nötig.
Familienpate Gerd Schurz: "Ich hatte Zeit und die Notwendigkeit gesehen"
Gerd Schurz ist Diplom-Sozialpädagoge, Kinder- und Jugendpsychotherapeut, Heilpädagoge und Supervisor. Bis 2006 leitete er 35 Jahre lang das Haus Marienthal, die evangelische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Schweinfurt. "Ich hatte Zeit und die Notwendigkeit gesehen, den Kinderschutzbund mit seinen Zielen auch in Schweinfurt zu etablieren", sagt der Familienpate. Gerd Schurz und Marianne Firsching sind beide als stellvertretende Vorsitzende nach wie vor im Kreisverband engagiert.
Im Alltag vieler Alleinerziehender, in Familien mit Neugeborenen, mit einem kranken Kind oder Elternteil gibt es immer wieder Zeiten, in denen alles zu viel wird, in dem der Familienalltag die Eltern voll in Anspruch nimmt. Für ein Kind oder einen Jugendlichen aus diesen belasteten Familien ist es dann schön, wenn es jemanden gibt, der sich Zeit nimmt – für einen Spielplatzbesuch oder eine Geschichte aus dem Lieblingsbuch oder einfach nur zum Reden. "Wir nehmen alle Familien, das Problem spielt dabei keine Rolle", sagt Yvonne Bauer. Sie ist die einzige Hauptamtliche beim Kinderschutzbund in Schweinfurt und bildet die Familienpaten aus.
Aktuell hat der Kinderschutzbund in Schweinfurt 25 Patinnen und Paten
Trotz Corona kamen 2021 neun neue Patinnen und Paten zum Team. Sie erhalten eine zertifizierte und qualifizierende Vorbereitung in drei Schulungseinheiten, insgesamt 36 Stunden. Bauer betreut und berät die Familienpatinnen und Familienpaten auch während ihres Einsatzes weiter. Aktuell sind es 25 Patinnen und Paten, ein paar Frauen mehr als Männer. Die Jüngste ist 21 Jahre alt, Gerd Schurz und Marianne Firsching sind die Ältesten. 28 Patenschaften laufen im Moment, 13 in der Stadt, 15 im Landkreis Schweinfurt.
Yvonne Bauer weiß, dass eine Familienpatenschaft nicht mit der Schablone angelegt werden kann, sondern eine ganz individuelle Sache ist. Wichtig ist, sich auf die Bedürfnisse der jeweiligen Familie einzulassen und so in einer partnerschaftlichen Atmosphäre Hilfestellungen zu geben.
Manche Patenschaften laufen schon seit mehreren Jahren
Die Dauer einer solchen Patenschaft ist unterschiedlich, in der Regel dauert sie ein Jahr lang, weil das Kennenlernen, das sich gegenseitig Vertrauen seine Zeit braucht. Einige Patenschaften laufen aber auch schon mehrere Jahre - wie die mit der alleinerziehenden Mutter von vier Kindern. Der Jüngste, fünf Jahre alt, freut sich auf jeden Besuch, weil die Patin "so lustig, so lieb ist und immer gute Laune hat, sie ist ein Engel für uns alle", beschreibt er im aktuellen Jahresbericht.
"Wesentliche Voraussetzung für dieses soziale Ehrenamt ist der gesunde Menschenverstand und die persönliche Lebenserfahrung", sagt Gerd Schurz. Bezahlung gibt es nicht, lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung, die fast alle Paten wieder dem Kinderschutzbund spenden.
"Die Anerkennung und Wertschätzung unserer Tätigkeit findet auf emotionaler Ebene statt, für mich zeigt sie sich in meiner persönlichen Zufriedenheit, mir macht das Spaß und Freude", sagt er. Und: Das Ehrenamt ist auch keine Einbahnstraße. "Ich erweitere jedes Mal meinen Horizont, erfahre viel über mich selbst, lerne aber auch meine Grenzen kennen", sagt Gerd Schurz.
Die Eltern werden entlastet und können Kraft tanken
Fast logisch: Nicht nur den Kindern kommt die von den Paten geschenkte Zeit zugute. Auch die Eltern profitieren, werden entlastet, können Kraft tanken, berichtet Schurz. Seine letzte Familienpatenschaft war eine junge, alleinerziehende Mutter.
Einmal pro Woche kümmerte er sich ein paar Stunden um ihren Erstklässler, bolzte mit dem Buben auf dem Spielplatz. Nach einem Jahr hatte sich die 24-Jährige stabilisiert, fand einen neuen Partner. Gerd Schurz Hilfe ist nicht mehr nötig.
Einmal im Monat tauschen sich die Familienpaten unter Einhaltung der Schweigepflicht untereinander aus. Wenn andere Einrichtungen zur weiterreichenden Hilfe nötig sind, kümmert sich Yvonne Bauer.
2021 leisteten die Paten und Patinnen des Schweinfurter Kinderschutzbunds fast 1000 Ehrenamtsstunden, die 69 Kindern und Jugendlichen zugute kamen, so wie dem Melik-Trio. Übrigens: Layali will Polizistin, ihr Bruder Bakr Ingenieur und Amir, der jüngste, Tischtennisprofi werden.
Wer Patin oder Pate beim Kinderschutzbund werden will, kann sich telefonisch melden unter 0157/54888273 oder per E-Mail an familienpatenschaft@kinderschutzbund-schweinfurt.de. Weitere Informationen gibt es unter www.kinderschutzbund-schweinfurt.de sowie unter www.familienpaten-bayern.de