Der Vorwurf: Er soll nachts in das Bett seines Kumpels und Mitbewohners gestiegen sein, ihm ein Messer an die Kehle gehalten und versucht haben, ihn zum Sex zu zwingen, dieser konnte sich jedoch wehren. Einige Tage später soll der 20-Jährige erneut unter Androhung physischer Gewalt versucht haben, seinen gleichaltrigen Mitbewohner zum Sex zu bewegen. Nun fiel das Urteil.
Es gab Streit zwischen den Zweien, da waren sich alle einig. Die Ursache für diesen gehen laut Aussagen aber weit auseinander. Der Geschädigte sagte, sein 20-jähriger Mitbewohner habe ihn versucht zu vergewaltigen, der Angeklagte hingehen beharrte, dass es bei dem Streit um ein Handyspiel gegangen sei, welches der Geschädigte in der Nacht zu laut gespielt habe, sodass er nicht schlafen konnte.
Die befragten Zeugen bestätigten den Streit, konnten jedoch nichts zur Ursache sagen. Ein Messer oder einen Angriff habe jedoch keiner gesehen. Verwirrende Aussagen und Widersprüche auf allen Seiten stellten die Richterin vor eine echte Herausforderung. Erschwerend kam hinzu, dass keiner der Beteiligten Deutsch sprach und während er gesamten Verhandlung eine Übersetzerin benötigt wurde.
Ist eine Jugendstrafe gerechtfertigt?
Der Bericht der Jugendgerichtshilfe zeichnete hingegen ein klares Bild: "Es fehle die Motivation zur Basiskompetenz der Integration." Die sprachlichen Barrieren und die Tatsache, dass der Angeklagte weder lesen noch schreiben könne, zeichneten keine positive Zukunftsperspektive, hieß es in dem Bericht. Seine Defizite und die Tatsache, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der vermeintlichen Tat noch 18 Jahre alt gewesen sei, sprächen eindeutig für eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht, schlug die Gerichtshilfe vor.
Die Staatsanwaltschaft schloss sich der Empfehlung an, sah den Angeklagten in allen Punkten als schuldig an und forderte vier Jahre im Jugendarrest. "Die Aussagen des Geschädigten sind glaubwürdig und die Zeugen, welche der Angeklagte zu seiner Entlastung angeführt hatte, bestätigten seine Behauptungen nicht", sagte die Staatsanwältin.
Die Verteidigung widersprach der Anklage und plädierte auf einen Freispruch. "Es ist nicht klar, was passiert ist und auch nicht wann", sagte der Anwalt des Angeklagten. Tatsächlich war die genaue Tatnacht trotz aller Zeugenaussagen und Untersuchungen nicht genau zu bestimmen. Ebenso hielt der Verteidiger die Aussagen des Geschädigten für unglaubwürdig. "Es war ein reines Hin und Her, er wusste nicht mal mehr, wie die Tatnacht genau abgelaufen sein soll."
Die Behauptungen des Angeklagten lösen sich in Luft auf
Anders als die Verteidigung des Angeklagten befand die Richterin die Aussagen des Geschädigten für glaubwürdig und erklärte, die Kommunikationsprobleme und einige der widersprüchlichen Aussagen während des Prozesses seien auf die Übersetzungen zurückzuführen. "Alles, was er versucht hat, um sich zu entlasten, ist durch die Zeugenaussagen zusammengefallen", sagte die Richterin in der Urteilsbegründung. Eine gemeinsame Verschwörung aller Zeugen gegen den Angeklagten schließe sie aus.
Die Kammer schloss sich den meisten Forderungen und Aussagen der Staatsanwaltschaft an und befand den Angeklagten in fast allen Anklagepunkten für schuldig: Versuch der besonders schweren Vergewaltigung mit sexuellem Übergriff und vorsätzlicher Körperverletzung – zwei Jahre und sechs Monate nach Jugendstrafmaß lautete das Urteil.
"Wir haben keinen Anlass, dem Geschädigten nicht zu glauben", führte sie die Urteilsbegründung fort. "Der Angeklagte hat Glück, dass wir ihn nicht nach Erwachsenenrecht verurteilt haben." Im Falle einer solchen Verurteilung hätte er eine Strafe von mindestens fünf Jahren absitzen müssen. Die Verfahrenskosten seien dem Angeklagten jedoch aufgrund seiner finanziellen Situation nicht zuzumuten und würden daher entfallen, hieß es weiter. Gegen das Urteil können binnen einer Woche Rechtsmittel eingelegt werden.