Bis zur Europawahl am 9. Juni ist es zwar noch etwas hin, die Vorbereitungen der Parteien dafür sind aber längst im Gange, Wahlprogramme und Kandidaten stehen fest. Eher im Stillen laufen manche Prozesse ab, wozu zum Beispiel Datenabfragen von Wahlberechtigten aus dem Melderegister zählen.
Sechs Monate vor Wahlen dürfen Parteien und Wählergruppen bei Behörden um solche Auskünfte ersuchen. So ist es im § 50 des Bundesmeldegesetzes geregelt. Von dieser Möglichkeit machen politische Vertreter gerne Gebrauch, vor allem um ihre Wahlwerbung gezielt auszusenden. Beliebt sind etwa die Daten von Erstwählerinnen und Erstwählern.
Wie die Herausgabe gehandhabt wird und auf welche Weise dies zulässig ist, kam kürzlich im Stadtrat etwas überraschend zur Sprache. Eigentlich sollte dieser Punkt im nicht-öffentlichen Teil behandelt werden. Auf Antrag von Thomas Vizl (Geo-net) entschied das Gremium jedoch, dieses Thema öffentlich zu behandeln.
Meldebehörde muss Daten nicht herausgeben
Im betreffenden Paragrafen des Bundesmeldegesetzes ist festgelegt, dass die Datenweitergabe im Ermessen der jeweiligen Behörde liegt. Nicht erlaubt ist die Weitergabe zum Beispiel von einzelnen Geburtsdaten oder Auskünfte zu mehreren Altersgruppen. Darauf wies Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU) hin und stellte klar: "Es gibt keine Verpflichtung, die Daten herauszugeben." Meist werde es aber so gehandhabt.
Geo-net-Stadtrat Thomas Vizl störte sich an zwei unterschiedlichen Entscheidungen, zu der die Verwaltungsgemeinschaft (VG) Gerolzhofen bei den jüngsten Wahlen gekommen ist. Konkret ging es ihm um die Anfrage einer Partei, deren Namen er in der Sitzung nicht nannte, die vor der Bundestagswahl 2021 über ihren Kreisverband bei allen 29 Kommunen im Landkreis Schweinfurt um die Daten der Erstwählerinnen und Erstwähler bat. Dass es sich hierbei um die Partei Bündnis 90/Die Grünen handelte, teilte er später auf Nachfrage der Redaktion mit.
Thomas Vizl fordert transparente Kriterien
Alle Gemeinden, so Vizl, hätten die Daten herausgegeben, "bis auf die Verwaltungsgemeinschaft Gerolzhofen". Verwundert war Vizl nicht etwa, dass die Behörde ihren Ermessensspielraum ausgeübt habe, sondern dass die VG bei den darauffolgenden Landtags- und Bezirkstagswahlen 2023 zu einer ganz anderen Einschätzung gekommen war. Und zwar bei der Anfrage einer anderen Partei, deren Name er ebenfalls nicht erwähnte. Bei jenen Wahlen hatte Bündnis 90/Die Grünen keinen Antrag auf Datenauskunft gestellt.
Für ihn ist die unterschiedliche Auslegung des behördlichen Ermessens in gerade einmal zwei Jahren "nicht so glücklich". Er erwarte für die Zukunft eine nachvollziehbare Entscheidung und forderte transparente Kriterien. Es müsse eine "Gleichbehandlung" erfolgen, betonte Thomas Vizl und fragte nach, womit die Behörde diese zwei unterschiedlichen Einschätzungen in so kurzen Zeitabständen begründe.
Mehrere Bürgermeister hatten 2021 Bedenken
Bürgermeister Wozniak konnte in der Sitzung keine konkreten Gründe nennen. Womöglich habe es mit den wechselnden Leitungen in der Behörde zu tun. Man werde dies aber kritisch hinterfragen. Für die Stadt Gerolzhofen allein, so seine Meinung, würde er die Meldedaten jedenfalls herausgeben.
VG-Geschäftsführer Johannes Lang teilte später auf Anfrage der Redaktion mit, dass im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 der Bürgermeister-Ausschuss der Verwaltungsgemeinschaft einvernehmlich sich gegen die Erteilung von Melderegisterauskünften ausgesprochen hatte, "auf Bitte mehrerer Bürgermeister". Die damalige personelle Situation im Bürgerbüro und die Ausnahmesituation während der Pandemie seien berücksichtigt worden, informierte Lang.
Er bestätigte zudem Vizls Aussagen, dass nur zwei Jahre später, im Vorfeld der Landtags- und Bezirkstagswahlen 2023, die VG zu einer ganz anderen Entscheidung gekommen war: Parteien, die diesmal eine Anfrage gestellt hatten, erhielten nun die gewünschten Daten. In diesem Fall hatten allerdings nicht die Bürgermeister das letzte Wort dazu, sondern die Geschäftsleitung. Diese und die Leitung des Bürgerbüros sind nach Auskunft von Johannes Lang eigentlich zuständig, ob Meldedaten an Parteien ausgegeben werden oder nicht. Nur 2021 war wegen der Bürgermeister-Bedenken der Entscheid in dessen Ausschuss beraten und beschlossen worden.
Bei der Europawahl gibt es wieder die Daten
Wie viele und welche Parteien neben Bündnis 90/Die Grünen vor der Wahl 2021 derartige Anträge gestellt hatten, die schließlich abgelehnt wurden, und welche Partei oder Parteien schließlich im Jahr 2023 doch Meldedaten bekamen, dazu bekam die Redaktion keine Auskunft von der VG. Es wurde lediglich mitgeteilt, dass Voranfragen und Anfragen nicht dokumentiert worden seien und die zuständige Mitarbeiterin nicht mehr bei der VG beschäftigt sei.
Einen Kriterienkatalog, wie der Ermessensspielraum der Behörde ausgeübt wird, gibt es nicht. Laut dem Landratsamt Schweinfurt auch keine Handlungsempfehlung des Freistaates. Die kommunalen Meldebehörden dürfen im gesetzlichen Rahmen selbst entscheiden.
Und wie geht die VG bei der Europawahl mit diesem Thema um? Die Geschäftsleitung wird diesmal interessierten Parteien und Wählergruppen im Vorfeld der Wahl Datenauskünfte zu Gruppen von Wahlberechtigten erteilen. Bislang seien noch keine Anfragen eingegangen, so Johannes Lang.
Plakate frühestens sechs Wochen vor der Wahl erlaubt
Eingangs der Stadtratssitzung hatte der Bürgermeister zusätzlich auf die Vorgaben zur Plakatierung hingewiesen. Wahlplakate dürfen nach vorheriger Genehmigung sechs Wochen vor dem Wahltermin angebracht werden. Das Aufstellen ist nur an Autobahnen, Bundes-, Kreis- und Staatsstraßen nicht erlaubt, was jedoch nur außerorts betreffe, wie Thomas Vizl ergänzte.
Die Stadt hat außerdem eigene Auflagen festgelegt. So dürfen Wahlplakate unter anderem nicht an Altstadtleuchten befestigt und Bäume nicht beschädigt werden. Weder in einem Kreuzungsbereich noch vor städtischen Einrichtungen ist das Aufstellen oder Aufhängen erlaubt.
Norbert Finster (SPD) fehlen die Sanktionen, gerade bei Beschädigungen oder wenn Parteien nach der Wahl ihre Plakate nicht rechtzeitig entfernen. Manchmal, antwortete der Bürgermeister darauf, würden Plakate einfach nur vergessen. Im Zweifel entscheide die Stadt "immer pro Demokratie". Wozniak will prüfen lassen, ob die Satzung dahingehend eventuell konkretisiert wird.
Ich finde, das geht garnicht.