
Nachdem die Motorsäge verstummt ist, dauert es nur wenige Sekunden, bis erneuter Lärm die Stille durchbricht. Die ersten Meter ist die knapp 20 Meter hohe Buche noch beinahe lautlos zur Seite gekippt. Doch dann brechen deren mächtigen Äste gleich reihenweise. Das trockene Knacken hallt laut durch den Wald. Ein lauter, dumpfer Schlag begleitet den Aufprall des Stamms auf den Boden. Dann herrscht schlagartig wieder Ruhe an der Ruine Stollburg, oberhalb von Handthal. Nur der Wind pfeift ab und zu in Böen durch den Schneeregen.
Die Reste der mittelalterlichen Burg, auf der einst Minnesänger Walther von der Vogelweide gelebt haben soll, stehen seit beinahe 900 Jahren hier oben, 450 Meter über dem Meeresspiegel. Die stattlichen Buchen sind weit jünger. Eine von ihnen liegt nun an diesem Mittwochmorgen zerschmettert auf dem Boden. Doch auch sie hat weit länger gelebt, als ein Mensch es je kann.
Der Baum ist 220 bis 230 Jahre alt, so zeigen es die Jahresringe am Fuß des Stammes. Dieser ist auf Brusthöhe immer noch gut einen Meter breit. Obwohl der Baum so lange Zeit hier gewachsen ist, hat die Säge ihn in nicht einmal fünf Minuten zu Fall gebracht. Dem Tod geweiht war die Buche allerdings schon viel früher.

Förster spricht das Todesurteil
Das Schicksal des Baums war bereits besiegelt, als der Brandkrustenpilz begonnen hatte, sich auf seiner Rinde breitzumachen. Die Hitze und Trockenheit der vergangenen Jahre haben hierzu die notwendige Vorarbeit geleistet. Die dürren Äste der Baumkrone zeigen es: "Die Buche war irreparabel geschädigt", sagt Julian Brosche. Dem 28-jährigen Förster ist anzumerken, dass es ihm keine Freude bereitet, so ein Todesurteil über einen Baum zu fällen. "Ich finde das sauschade, wenn gerade so ein markanter Baum gefällt werden muss", gesteht er. Doch er habe keine andere Wahl gehabt.
Besagte Buche stand direkt neben dem Fußweg, der von der Gaststube Stollburg hoch zur Ruine führt. An schönen Tagen kommen hier unzählige Menschen vorbei. Nicht auszudenken, was passiert, wenn eine oder einer von diesen von einem Ast getroffen würde, der wie aus dem Nichts aus einer dörren Baumkrone herunterstürzt. Die Folgen können leicht tödlich sein.
Ein Rückschnitt des Baumes war nach Angaben des Staatlichen Forstbetriebs Ebrach, der für den Wald rund um die Stollburg verantwortlich ist, nicht möglich. Die Geländesituation an dem steil abfallenden Hang mache ein gefahrloses Arbeiten unmöglich. So blieb aus Sicherheitsgründen nur eine Entscheidung: Die alte Buche muss gefällt werden.
Gefahrenquellen direkt neben den Pfaden
Für Förster Brosche ist es eine seiner ersten Aufgaben als Leiter des Oberschwarzacher Forstreviers. Er hat diese Stelle erst vor drei Wochen angetreten. Als er das Umfeld der Ruine Stollburg inspiziert hat, hat er erkannt, dass es nicht nur eine Buche ist, die eine Gefahr für Besucher des Denkmals darstellt. Es stehen dort mehrere stark geschädigte Bäume, direkt an den stark frequentierten Bereichen, dort, wo Pfade entlangführen und Menschen an Infotafeln stehen bleiben. Für diese Bäume ist jetzt, an diesem winterlich kalten und sehr feuchten Märztag, die letzte Stunde gekommen.
Weiteren Bäume in diesem Bereich ist es auf den ersten Blick ebenfalls anzusehen, dass es ihnen nicht besser geht. Ihre Kronen sind vertrocknet. Es ist nicht zu erwarten, dass sie in diesem Frühjahr nochmals ausreichend Laub ansetzen werden, um halbwegs heil durch den Sommer zu kommen. Doch diese Bäumen, die so weit abseits stehen, dass sich dort kaum Menschen aufhalten dürften, lässt Brosche vorerst stehen. Er behält sie im Auge und entscheidet später, was mit ihnen geschieht.
Bäume bleiben als Totholz im Wald
Die Bäume, die heute gefällt werden, werden nicht als Schürholz im Ofen landen. Die mächtigen und nur grob zerteilten Stämme sollen als Totholz an Ort und Stelle bleiben. So hat es der Revierförster in Absprache mit den zuständigen Naturschutz-Fachstellen entschieden. Die Idee dahinter ist, dass das Holz, das so lange hier oben gewachsen ist, als Totholz noch über viele Jahre hinweg zahlreichen Insekten, Pilzen und Moosen als Nahrung dienen kann und damit dem Waldökosystem einen wichtigen Nutzen bringt. "Hier kann man nun in den kommenden Jahren dem natürlichen Zerfall dieser Bäume zusehen", beschreibt Brosche, wie's weitergeht.
Sein Arbeitgeber, der staatliche Forstbetrieb, verweist in diesem Zusammenhang auf die naturnahe Waldbewirtschaftung, die er in Form des von ihm verfolgten sogenannten Trittstein-Konzepts seit etlichen Jahren verfolgt. Hierzu werden über den Staatswald verteilt Flächen von 0,2 bis 20 Hektar aus der Waldbewirtschaftung herausgenommen. Die Natur darf sich dort dann nach Lust und Laune entfalten. Auch in unmittelbarer Nähe zur Ruine Stollburg gibt es solche Trittsteine. Auch deshalb lag es nahe, die jetzt gefällten Bäume an Ort und Stelle liegen zu lassen.

Keine Biotopstrukturen entdeckt
Vor dem Fällen habe er die Bäume genau begutachtet, erklärt Brosche. Biotopstrukturen, etwa Bruthöhlen von Vögeln, habe er an keiner der Buchen entdeckt. Dafür jedoch einige ganz konkrete Gefahrenpunkte. Er zeigt an einem der Bäume hinauf. Dort ist ein Aststück herabgefallen und hängt in einer Astgabel. "Das kann jederzeit herunterfallen und einen Menschen treffen", sagt Brosche. Niemand könne sagen, wann das passieren wird, ob in der nächsten Minute, oder erst in drei Monaten. "Sicher ist nur, dass der Ast irgendwann herunterfällt."
Gefährlich ist es jedoch auch die Buchen mit den abgestorbenen Kronen zu fällen. Wenn diese Bäume nicht an dieser exponierten Stelle stehen und Menschen gefährden würden, dann würde er diese stehen lassen, erklärt der Revierförster. Er würde seine Mitarbeiter nicht unnötig irgendwelchen Risiken aussetzen. Doch in diesem Fall bliebe keine andere Wahl, als zur Säge zu greifen.
Baumfäll-Profis am Werk
Diese Aufgabe erledigen an diesem Tag vier Forstwirte des Ebracher Forstbetriebs. Christian Binder, Andreas Markert, Stefan Schramm und Elias Özteken. "Das sind absolute Profis, wenn's ums Fällen von Bäumen geht", lobt Brosche seine Kollegen. "Die machen fast nichts anderes."
Dennoch merkt man den Männern an, dass das hier auch für die alten Haudegen eine besondere Sache ist, allein wegen des betriebenen Aufwands. Die Männer sperren das Gelände weitläufig ab, damit – trotz des Schmuddelwetters – kein Spaziergänger oder Radfahrer versehentlich in die Gefahrenzone kommt. Sie sichern die Bäume mit Seilen, die sie an eine Stahlseilwinde anhängen, die ein Traktor antreibt.
Um das Seil hoch oben am Stamm anschlagen zu können, verwenden sie eine Schleuder, mit der sie eine Schnur nach oben schießen. An der Schnur ziehen sie dann das starke Seil hoch. Mit dem Seil können sie die Fallrichtung des Baumes bestimmen, damit der Stamm nicht etwa auf die Ruine oder auf eine Infotafel stürzt.
Außergewöhnlich mächtiger Stamm
Stefan Schramm führt die Motorsäge. Als er den ersten Baum umgesägt hat, sagt er: "Das war meine bisher stärkste Buche." Er fällt seit 35 Jahren Bäume für die Staatsforsten. Mit dem Ergebnis seiner heutigen Arbeit ist er zufrieden. "Alles hat gut geklappt", sagt er, als der mächtige Stamm am Boden liegt. Es sei hier zwar gefährlicher gewesen, als an den meisten anderen Stellen, doch letztendlich sei es auch nur eine Baumfällung gewesen.
Mit Blick auf die Baumscheibe vor ihm zeigt sich, dass dem Baum wirklich niemand mehr hätte helfen können: Bereits Faustdick hat sich die Fäulnis durch den Buchenstamm gefressen, bis ganz nach unten. Dass der Klimawandel und die durch diesen beförderten Hitzeperioden und Trockenphasen das Überleben der Buchen im Steigerwald fraglich werden lässt, ist Forstleuten seit wenigen Jahren bekannt.
Gerade an besonders trockenen Stellen, wie hier oben auf dem steinigen Boden des Stollburg-Plateaus, sind viele Buchen stark geschädigt, bestätigt Förster Brosche. Motorsägen werden hier in den kommenden Jahren also noch häufiger zu hören sein.
Falls Sie den Bericht richtig gelesen haben, hier wurde nur ein einziger Baum gefällt!
Also was soll diese polemische Frage?
Im Übrigen, wussten Sie, dass in 2022 weltweit eine Fläche größer als die Fläche Bayerns brandgerodet wurde!
Hier wäre also der Spruch „Holzauge sei wachsam“ sehr gut angebracht!
Aber über den Tellerrand zu blicken fällt ja so schwer!
Mit diesem Wissen, was wollen Sie uns genau mit Ihrem Kommentar sagen?