Von Mai bis Juli, rund drei Monate lang, hat Halil Cesur aus Bergrheinfeld bei Schweinfurt als Erhebungsbeauftragter gearbeitet. Jetzt zieht er Bilanz – und die fällt rundweg positiv aus. Denn Halil Cesur hat, sagt er, in dieser Zeit viel gelernt: Über sich. Über andere. Und vor allem: Für seine Schüler.
Halil Cesur, Jahrgang 1971, hätte den Job als Erhebungsbeauftragter nicht unbedingt gebraucht. Er hat seit langem einen festen Beruf; er macht bei der Gesellschaft zur beruflichen Förderung Schweinfurt Ausbildungsakquise für türkische Abschlussschüler. "Aber eine Bekannte aus dem Landratsamt hat mich angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, beim Zensus mitzuwirken, und da habe ich zugesagt", erzählt er.
Wie würden "die Deutschen" einem Befrager mit "erkennbar türkischem Aussehen" begegnen?
Seine Motivation nahm Cesur aus seinem Hauptjob, aus der Arbeit mit den türkischen Ausbildungssuchenden: "Manche von denen erzählen mir nämlich: Die Deutschen, die wollen uns gar nicht! Was soll ich mich da bewerben?" Genau deswegen begab sich Halil Cesur auf Entdeckungsreise: Wie würden "die Deutschen" im ländlichen Schweinfurter Raum ihm begegnen – ihm, einem Deutschtürken mit "erkennbar türkischem Aussehen"? Dazu noch in dem Job als Erhebungsbeauftragter, der für ihn vollkommen neu war?
"Am Anfang hatte ich ein tatsächlich bisschen Panik", sagt Cesur. Würde er mit dem Tablet zurechtkommen, das die Erhebungsstelle ihm gestellt hatte? Würde er in den Befragungen Fehler machen, sich blamieren? Cesur legte sich unterschiedliche Anreden zurecht: "Grüß Gott" für die etwas ältere Bevölkerungsschicht und "Hi" oder "Hallo" für die Jüngeren. "Ganz wichtig ist auch", sagt er und demonstriert das vor seiner eigenen Haustür, "nach dem Klingeln wieder einen großen Schritt von der Haustür zurückzutreten. Die Leute brauchen erstmal Distanz".
Was Cesur über sich herausfand: "Dass man keine Angst haben muss, wenn man gut vorbereitet ist." Die 60 Adressen mit rund 200 zu Befragenden in den Orten Röthlein, Wipfeld und Geldersheim (alle Lkr. Schweinfurt) fuhr er vor den Befragungen ab, legte sich sogar die besten Fahrtrouten zurecht, um sicher sein zu können, dass er die vorher angekündigten Befragungstermine auch würde einhalten können.
Vereinzelt Sorge in der Bevölkerung, dass der Staat die Menschen ausspionieren wolle
Und auch Cesurs Befürchtung, dass "gerade die ländliche Bevölkerung" auf einen Interviewer mit türkischen Wurzeln nicht positiv reagieren würde, sollte sich nicht bestätigen. "Meine Herkunft hat für die Leute überhaupt keine Rolle gespielt", hat er festgestellt.
Zwar habe es vereinzelt Skepsis gegeben – aber die Skepsis habe erkennbar dem Zensus selbst gegolten und nicht seiner Person. "Der Staat will uns doch nur ausspionieren! Deswegen geben wir hier nichts preis." - Solche Aussagen habe er von einigen der zu Befragenden gehört. Dass sie gegenüber einem Volkszähler auskunftspflichtig sind, hätten einige Leute nicht gewusst, entsprechend habe er hier aufklären müssen.
Der Erhebungsbeauftragte versteht, dass die Leute auf dem Land "eher wachsam" sind
Dass die Leute in kleinen Gemeinden Cesurs Erfahrung nach "eher wachsam" sind und oft seinen Pass und seinen Zensus-Ausweis genau studieren wollten, versteht der Erhebungsbeauftragte. Schließlich müsse man sich gegen Betrüger schützen.
Und dann gab es auch noch den Satz: "Wir kaufen nichts!" – weil einige Bürger annehmen mussten, dass der Mann an der Tür es auf Haustürgeschäfte abgesehen hatte. Cesur lacht: "Das lag übrigens nicht an den Leuten und auch nicht an mir, sondern an der Deutschen Post!" Einige Terminankündigungen, die er auf dem Postweg verschickt hatte, brauchten offenbar wohl über eine Woche, um bei den Anwohnern anzukommen. "Manche Leute haben dann, nachdem ich mich ausgewiesen habe, trotzdem sofort mit mir den Fragebogen ausgefüllt und mich dann zwei Tage später, also acht Tage nach dem Einwurf der Postsendung, angerufen und gesagt: So, jetzt ist Ihre Terminankündigung endlich da!"
Aus einer Befragung wurde eine schöne Kaffee-Einladung im Garten
Was Cesur im Gedächtnis bleiben wird: Die Befragung bei einem Landkreisbürger, die sich zu einer schönen Kaffee-Einladung wandelte und ihm eine lange, interessante Unterhaltung über Schule und Bildung im Schatten eines Obstbaumes bescherte. Die Befragungen bei einigen älteren Leuten, die ihm Befürchtungen etwa wegen der steigenden Energiepreise anvertrauten und erkennbar "einen Gesprächswunsch" hatten. Die vielen freundlichen Landkreisbewohner, die ihm einfach so einen Kaffee oder ein Wasser angeboten hätten. "Für mich waren die drei Monate eine tolle Erfahrung", sagt Cesur.
Diese Erfahrung will er in seinen Hauptjob mitnehmen. Will seinen türkischen Abschlussschülern das Vorurteil nehmen, dass "die Deutschen" Vorurteile gegen sie hätten. "Lasst euch auf die Jobsuche ein!", wird Cesur ihnen sagen und ergänzen: "Wenn man gut vorbereitet ist und höflich und freundlich, dann läuft das auch, was man sich vorgenommen hat."