
In den Städten herrscht Wohnungsnot, in den Dörfern Leere. Und während die große Politik noch über Lösungsmöglichkeiten nachdenkt, hat die Kommunalpolitik schon gehandelt. Ihr Ansatz: Das Leben auf dem Land für junge Menschen attraktiv machen. Ein Schlüssel dazu ist die Stärkung der Dorfgemeinschaft, und ein gelungenes Beispiel dafür die Marktgemeinde Stadtlauringen. Sie baut aktuell das dritte Dorfgemeinschaft und schafft damit die Voraussetzungen, dass das Leben auf dem Dorf für junge Menschen wieder interessant ist.
In allen Ortsteilen gleichwertige Lebensbedingungen schaffen
Wir machen eine Rundfahrt mit Bürgermeister Friedel Heckenlauer. Treffpunkt ist am 1563 erbauten Rathaus in Stadtlauringen, einem der ältesten Fachwerk-Rathäuser Frankens. Vorab ein kurzer Abriss: Der Markt Stadtlauringen mit kleinstädtischem Gepräge um den historischen Marktplatz ist zentraler Ort für den nördlichen Landkreis und mit zehn Ortsteilen auf 64 Quadratkilometern die zweitgrößte Flächengemeinde im Schweinfurter Oberland. Für den Bürgermeister und seinem Gemeinderat ist es Herzensangelegenheit und gleichsam Herausforderung, in allen Ortsteilen gleichwertige Lebenssituationen zu schaffen. Die Dorfgemeinschaftshäuser sind ein wichtiger Schritt dahin. Sie wurden und werden überall dort gebaut, wo es sonst keine Anlaufstelle wie Gasthäuser oder Vereinsheime mehr gibt.
Beispiel Mailes: In dem 100-Einwohner-Dorf hat die Gemeinde das alte Brauhaus zu einem schmucken Treffpunkt hergerichtet, mit Gewölbekeller und Holzbackofen, geräumiger Küche und einem Spielplatz am Bachlauf. Die Einweihung war im Oktober 2018.

Beispiel Altenmünster: Für die 270 Einwohner wurde am Standort der Alten Schule ein neues Gebäude errichtet, mit großem Saal für Feste und kleinem Nebenraum für Kartrunden, dahinter ein kleiner Festplatz mit Möglichkeit zum Grillen. Die Einweihung war gerade erst.

Beispiel Sulzdorf: Die 220 Einwohner werden das modernste Dorfgemeinschaft der Gemeinde erhalten. Direkt in Nachbarschaft der alten Schule entsteht ein futuristisches Gebäude mit schrägem First, begrüntem Dach und verglaster Fassade. 2018 war Baubeginn, der Rohbau steht bereits.

Die Dorfgemeinschaft regelt alles selbstständig
Das Konzept der Dorfgemeinschaftshäuser funktioniert so: Die Gemeinde baut, richtet ein und übergibt schlüsselfertig an die Dorfgemeinschaft. Diese darf es kostenlos nutzen für Veranstaltungen, Zusammenkünfte, Besprechungen, Feiern. Auch die Verbrauchsgebühren übernimmt die Gemeinde. Gleichzeitig geht die komplette Verantwortung für das Haus an die Dorfgemeinschaft über. So zum Beispiel für die Reinigung, die Grünpflege oder den Winterdienst. Die Gemeinde ist gänzlich außen vor, die Dorfgemeinschaft regelt alles selbstständig.


Funktioniert das? "Ja, es klappt prima", sagt der Bürgermeister. Den Beweis lieferte die Dorfgemeinschaft Altenmünster jüngst bei der Kreisversammlung des Bayerischen Gemeindetags in dem neu eröffneten Haus. Für die rund 70 Gäste aus allen Landkreisgemeinden hatten die Ehrenamtlichen vor Ort Kaffee gekocht und Brote geschmiert und auch die Tische mit Blümchen dekorativ hergerichtet. "Das ist gelebte Dorfgemeinschaft", lobt Heckenlauer die Altenmünsterer. Die 680 000 Euro, die das Gebäude gekostet hat, seien gut investiert. Dass das neue schicke Haus den Namen "Alte Schule" trägt, war dem Bürgermeister ein besonderes Anliegen. Nicht nur weil hier einst die alte Dorfschule stand, sondern weil die Bevölkerung "die gute alte Schule lebt", nämlich Anstand und Respekt. Hier seien Alt und Jung bestens integriert, hier werde vorbildlich die Gemeinschaft gepflegt. Vor dem Dorfgemeinschaftshaus ließ der Bürgermeister deshalb auch eine markante Stele mit der Aufschrift "Alte Schule" aufstellen, die abends sogar beleuchtet wird.


Auch in Mailes gibt es diesen Zusammenhalt. Nach einem Brand wurde dort das alte Brauhaus wieder als Dorfgemeinschaftshaus hergestellt und im Oktober 2018 eingeweiht. Die Bürger arbeiteten selbst am Sanierungskonzept mit. 670 000 Euro wurden hier investiert. Die Summe ist außergewöhnlich für ein so kleines Dorf. Mailes ist mit 101 Personen der Einwohnerschwächste Gemeindeteil von Stadtlauringen. Bürgermeister Heckenlauer hält die Ausgaben für gerechtfertigt: "Die Bürger müssen einen Ort haben, wo sie die Gemeinschaft pflegen können." Sei es beim Feiern, beim Schafkopf spielen, beim Treffen der Senioren oder der Krabbelgruppe. "Wir brauchen solche Treffpunkte, um die Dorfgemeinschaft zu stärken und den Ort als attraktiven Wohnraum herauszukristallisieren." Die Maileser haben sich denn auch stark engagiert und das Brauhaus zu einem Schmuckstück hergerichtet. Der 50 bis 60 Personen fassende Gewölbekeller bietet mit seinen Bodenstrahlern eine heimelige Atmosphäre zum Feiern. Und der alte Braukessel über dem Holzbackofen erinnert an die ursprüngliche Nutzung des Hauses.
Architektonischer Hingucker inmitten historischer Bausubstanz


Die Sulzdorfer sind noch in Vorfreude auf ihr Dorfgemeinschaftshaus. Sie bekommen ein neues, ganz modernes Domizil. Ursprünglich sollte die alte Schule saniert werden, doch sie ist nicht barrierefrei und bot auch nicht die Möglichkeiten für die vielen unterschiedlichen Nutzungsideen. Da kam das staatliche Förderprogramm für die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge gerade recht: Denn mit den Zuschüssen aus öffentlicher Hand wurde die alte Schule zum Wohnhaus umgebaut, und mit den eigenen Mitteln auf der Freifläche dahinter wird nun ein neues Dorfgemeinschaftshaus gebaut. 600 000 Euro werden hier investiert. Die Bevölkerung habe diesen Plan voll unterstützt, sagt Heckenlauer. Zweifel habe es nur gegeben, ob man anerkannte Flüchtlinge in das kleine Sulzdorf locken kann. Es ist gelungen. In der sanierten Schule leben inzwischen zwei syrische Familien.
Hochgerechnet hat der Markt in diesen drei kleinen Ortsteilen rund zwei Millionen Euro investiert. Gut 700 000 Euro flossen über Fördermittel wieder zurück. Für Bürgermeister Friedel Heckenlauer ist das zukunftsgerichtete Kommunalpolitik. Denn wenn die Gemeinde die öffentlichen Räume attraktiv macht, "dann lässt es sich hier auch gut leben".