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Schweinfurt
Im Gespräch mit ZF: Was der autonome People Mover kann und wann er auf Schweinfurts Straßen fahren könnte
Der People Mover von ZF ist umstritten. Das könnte mitunter daran liegen, dass die Erwartungen an das autonome Fahrzeug unterschiedlich sind. Zeit für Fakten.
Jochen Benz (rechts), Leiter für Vertrieb und Geschäftsentwicklung der ZF Mobility Solutions, im Gespräch mit Hans-Georg Härter (links), ehemals ZF-Vorstandsvorsitzender.
Foto: Archivbild ZF | Jochen Benz (rechts), Leiter für Vertrieb und Geschäftsentwicklung der ZF Mobility Solutions, im Gespräch mit Hans-Georg Härter (links), ehemals ZF-Vorstandsvorsitzender.
Marius Flegler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:26 Uhr

Zuletzt hatte das Transportsystem um den autonomen People Mover von ZF für politischen Streit gesorgt: Stichwort Steigerwald-Bahn. Jochen Benz, Leiter für Vertrieb und Geschäftsentwicklung der ZF Mobility Solutions, meint, dass das auch an der Komplexität des Themas liegen könne und daran, dass zu emotional darüber diskutiert werde. Die Debatte über den Einsatz des Fahrzeugs müsse sachlicher geführt werden. Die Redaktion hat mit Projektleiter Benz gesprochen.

Warum fährt der autonome People Mover von ZF noch nicht durch Schweinfurt?

Jochen Benz: Die Begrifflichkeit People Mover ist keine, die wir bei ZF verwenden. Wir sprechen vielmehr von einem autonomen Transportsystem, kurz ATS. Hier geht es mehr als nur um die Bereitstellung eines fahrerlosen Shuttles. Die Implementierung eines so neuen, ergänzenden Mobilitätssystems ist natürlich sehr komplex. Neben der Technik, der gesetzlichen Grundlage, der behördlichen Genehmigung und der zu klärenden Finanzierungsfragen müssen auch politische Mehrheiten gefunden werden. Das alles zusammengenommen erklärt, weshalb das ZF-Shuttle noch nicht in Schweinfurt fahren kann. 

Welche technischen Mittel benötigt es, um das Shuttle als öffentliches Verkehrsmittel einzusetzen?

Benz: Unser ATS beinhaltet zum einen das Shuttle, aber auch die Notwendigkeiten zur Kommunikation mit seiner Umwelt. Das meint zum Beispiel die Kommunikation des Shuttles mit der technischen Aufsicht in einer Leitstelle oder etwa einer Ampelanlage. Wir sprechen außerdem von vollelektrifizierten Shuttles. Das heißt: Es muss auch eine entsprechende Ladeinfrastruktur geschaffen werden. Die Fahrzeuge müssen zudem gewartet und untergebracht werden. Es wird also auch eine Art Bus-Depot geben. 

Wie kommuniziert das Fahrzeug mit seiner Umwelt? 

Benz: Wir arbeiten hier mit sich gegenseitig unterstützenden Systemen. Das Shuttle selbst erkennt zum Beispiel eine Ampelschaltung über die Sensorik, aber auch zusätzlich indem es direkt mit der Ampelanlage kommuniziert und rückgemeldet bekommt, ob die Ampel auf Rot, Gelb oder Grün steht. Folglich müssten dann auch in Schweinfurt Lichtsignalanlagen, Schranken und dergleichen so ausgestattet sein, dass sie kommunizierfähig sind.

Welche Aufgabe hat die technische Aufsicht und wie arbeitet sie?

Benz: Die technische Aufsicht muss man sich in etwa wie eine Art Fluglotse in einem Tower vorstellen. Sie kann parallel in Echtzeit über Monitore mehrere Shuttles auf diversen Strecken lokalisieren, beaufsichtigen und notfalls auch eingreifen. Wir haben ja keinen Fahrer mehr vor Ort, und da wo Menschen sind, menschelt es auch. Wenn sich zum Beispiel Schulkinder raufen oder ein Fahrzeuginsasse gesundheitliche Schwierigkeiten bekommt, kann sich die technische Aufsicht zuschalten, eingreifen oder Hilfe anfordern.

Kann sie auch in das Fahrverhalten eingreifen?

Benz: Rein technisch könnte diese auch in das Fahrverhalten eingreifen, von dieser Möglichkeit sieht der Gesetzgeber aber heute noch ab. Und auch wir aus Sicht von ZF sehen davon ab, weil so ein Eingriff Einfallstore für Hacker bietet. Es ist für uns alle vielleicht noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber das Fahrzeug wird sicherer fahren müssen als wir Menschen. Deshalb darf ein Eingriff in das Fahrverhalten von außen nicht erforderlich sein.

Diese Illustration von ZF soll veranschaulichen, wie das autonome Shuttle durch Sensorik seine Umwelt erkennt.
Foto: Illustration, ZF | Diese Illustration von ZF soll veranschaulichen, wie das autonome Shuttle durch Sensorik seine Umwelt erkennt.
Woher weiß das Fahrzeug, wo es auf der Trasse lang fahren muss?

Benz: Das Fahrzeug orientiert sich über seine Sensorik, also seine Augen - wie ein menschlicher Fahrer auch. Hier arbeiten wir mit einer 360-Grad-Umfeld-Erkennung. Das heißt, es gibt keinen toten Winkel. Im Zusammenspiel unserer unterschiedlichen Sensortechniken, bestehend aus Kamera, Radar und Lidar, können wir so auch das Sichten bei Schlechtwetter-Verhältnissen garantieren. Im übrigen kann unser Fahrzeug über unsere eigens entwickelten Außenmikrofone auch Hören, zum Beispiel Rettungsfahrzeuge, um hier frühzeitig entsprechende Fahrmanöver einleiten zu können.

Das Fahrzeug kommt derzeit auf eine Spitzengeschwindigkeit von 40 km/h. Ist das für Langstrecken auf dem Land, wie etwa die Steigerwald-Trasse, nicht zu wenig?

Benz: Grundsätzlich kann ich sagen, dass ZF selbstverständlich an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des ZF Shuttles arbeitet. Damit ist das Anpassen der Geschwindigkeiten, aber auch der Reichweiten gemeint. Unser Shuttle ist momentan dazu befähigt, 40 km/h zu fahren, und wir arbeiten jetzt daran, in die nächste Entwicklungsstufe bis auf 60 km/h und perspektivisch bis auf 80 km/h zu kommen. Momentan hat unser Shuttle 50 Kilometer Reichweite. Ab 2025 werden wir dann ein Shuttle mit der doppelten Reichweite anbieten können. Somit wäre eine Trasse, wie die der Steigerwald-Bahn, technisch umsetzbar. 

Was kostet der Bau der Trassen, etwa pro Kilometer?

Benz: Zuallererst muss man nicht zwingend eine neue Strecke einrichten, um ein Shuttle zu betreiben. Wir unterschieden hier etwa das Mitschwimmen im Mischverkehr oder die Separierung einer Spur – das heißt, dass diese nur für das Shuttle vorgehalten ist. Seriös ermittelt werden können die Kosten nur, wenn eine projektspezifische Trasse betrachtet wird, was wir im Rahmen einer zu beauftragenden Machbarkeitsstudie untersuchen und bewerten.

Was würde der Einsatz des ZF-Shuttles die Stadt, etwa verglichen mit dem Betrieb eines Omnibusses, kosten?

Benz: Ein pauschaler Vergleich ist schwierig, auch das müsste man aufgrund der individuellen Anpassungen streckenspezifisch betrachten. Aber um mal eine Orientierung zu geben: Wir können bei der Anschaffung eines Shuttles davon ausgehen, dass es sich, was die Investition anbelangt, um ungefähr die Hälfte eines 12-Meter-Elektrobusses handelt. Natürlich sprechen wir da auch von einer anderen Kapazitätsgröße: Ein 12-Meter Bus kann 60 bis 70 Personen, ein Shuttle in unserer Größenordnung 22 Personen transportieren.

Dafür generieren wir aber weniger Leerfahrten. Die Auslastungsrate der 12-Meter-Busse beträgt in Deutschland gerade einmal 18 Prozent. Im Sinne der Wirtschaftlichkeit ist es eigentlich eine Pflicht, hier auf angepasste Gefäßgrößen zurückzugreifen. Eben diese Gefäßgrößen können wir flexibel einsetzen. 

In Deutschland ist der People Mover noch nicht auf der Straße, einige Städte haben aber schon ihr Interesse bekundet. Wie weit ist hier der Fortschritt?

Benz: Seit 2021 beteiligen wir uns an einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt, gefördert vom baden-württembergischen Landesverkehrsministerium. Im Rahmen dieses Projekts werden wir ab 2023 erste Innovationsträger mit der ZF Technik in Mannheim und später in Friedrichshafen unter Realbedingungen zum Einsatz bringen. Da werden wir also erstmals im Mischverkehr in Deutschland unterwegs sein.

Und dann sind wir derzeit noch von den Städten Passau, Kitzingen und Hamburg beauftragt, Machbarkeitsstudien für spezifische Anwendungsfälle durchzuführen – allesamt mit dem Ziel, nicht nur einen Probe-, sondern den Dauerbetrieb zu ermöglichen.

Wie verhält sich das konkret in Kitzingen?

Benz: Wir haben gewisse Vorstellungen von der Stadtverwaltung darüber bekommen, wie und auf welchen Routen sie sich einen Shuttle-Betrieb vorstellen könnten. Diese Anwendungsfälle überprüfen wir jetzt auf die technische Umsetzung. Wir schauen uns auch an, ob ein entsprechendes Fahrgastaufkommen überhaupt gegeben ist, welche Investitionen erforderlich wären und welche Fördermöglichkeiten vorstellbar sind. Erste Ergebnisse wollen wir bereits Ende Juli dem Stadtrat präsentieren.

Was muss jetzt noch geschehen, um das Shuttle-System flächendeckend in Deutschland einzusetzen?

Benz: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und das Konzept stehen. Es braucht jetzt das Einpassen der Fahrzeuge in die Fördermöglichkeiten des ÖPNV. Die Anschaffung von E-Bussen wird momentan noch von der Regierung unterstützt. Die neuen Mobilitätssysteme müssen jetzt auch in diese Förderlandschaft mit eingebaut werden, wenn wir wirklich nicht nur von Einzelanwendungen in Deutschland sprechen wollen, sondern von einer flächendeckenden Durchdringung.

Hand auf´s Herz: Wird der People Mover in Schweinfurt kommen?

Benz: Grundsätzlich muss immer die Sinnhaftigkeit gegeben sein. Keiner der Beteiligten hat das Interesse, rein aus Prinzip die Technik anzubringen. Es muss einen Mehrwert und auch eine Mehrheit gegeben sein, und das System muss auch gewollt sein. Wenn all diese Faktoren gegeben sind, dann glauben wir daran, dass so ein Projekt selbstverständlich auch in Schweinfurt umsetzbar ist.

Die Vorteile auf der Technischen, aber auch auf der betriebswirtschaftlichen Seite sind objektiv gegeben. Wir sind aktuell in Gesprächen mit der Stadt und dem Landkreis Schweinfurt darüber, gemeinsame Routen zu identifizieren. Und wir würden uns sehr darüber freuen, auch was die Steigerwald-Bahn anbelangt, dass wir hier die Beauftragung zur Durchführung einer objektiven, ergebnisoffenen Machbarkeitsstudie erhalten. Ich bin davon überzeugt, dass wir über so eine Studie dann auch einen Beitrag der Versachlichung zum Thema autonomes Fahren leisten können. Wir von ZF können nur sagen, wir sind bereit.

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  • engert.andreas@gmx.de
    Ich finde schon alleine den letzten Satz des einleitenden Absatzes sehr tendenziös - „Zeit für Fakten“ - und dss als non befrage ich einen Vertreter der Herstellerfirma!
    Lobeshymnen in höchsten Tönen (was ich bei einem Vertreter des Herstellers auch erwarte - es macht ja keiner sein eigenes Produkt schlecht) - aber bei „Zeit für für Fakten“ erwarte ich einen Interviewpartner, der nicht mit dem Hersteller in Zusammenhang steht, sondern eine neutrale Auskunft!
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  • mai2023
    Wenn busfahrer arbeitslos sind brauchen sie auch keinen mover mehr. Wer Probleme durch zu viel Technik mit noch mehr Technik lösen will.... Irrt.
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  • Funkenstern
    Falsch. Die Gewerkschaften sind der Treiber.
    Es werden einige ihr Ebike vorziehen…
    Die Rentner und Unmobilen werden diese Art der Fortbewegung nach einer Phase der Annäherung nutzen…
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  • engert.andreas@gmx.de
    Also das Problem „Arbeitsloser Busfahrer“ gibt es nicht - die werden händeringend gesucht - sowohl für Linienbusse als auch für Ausflugsbusse !
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  • waldemarthurn@freenet.de
    Es wird bald keine Busfahrer mehr geben ist heute schon ein Mangel.In Bad Birnbach fahren diese Fahrzeuge schon .
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  • Lebenhan1965
    @ marokko....

    Das Fahrpersonal ist doch heute schon der Flaschenhals im ÖPNV.
    Deshalb wäre es ja auch in Würzburg sinnvoll die Linie 6 der Straßenbahn endlich gebaut zu bekommen. Denn mit Bussen brauchtman die doppelte Anzahl an Fahrern um die gleiche Menge Personen zu befördern.
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Was macht die künstliche Intelligenz wenn ein totes Tier auf der Fahrbahn liegt? Ausserorts kommt so was schon mal vor, innerorts eher ein leerer Karton.
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  • Lebenhan1965
    Innerstädtisch

    macht so was wie der Leutebeweger Sinn.

    Überörtlich aber ganz sicher nicht.
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  • TessaKraemer@t-online.de
    Das wäre doch das perfekte Shuttle um Besucher und Angestellte von den Parkhäusern und Parkplätzen zum Leo zu bringen.
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  • dohpt
    Ich hoffe sehr, dass diesmal die Stadt Schweinfurt für die Innovation unserer heimischen Industrie offen ist. Den People Mover in Straßen einsetzen, wo kein Stadtbus fährt bzw. die Bushaltestelle zu weit weg ist. Dann kann man auch endlich auf das Auto verzichten, um in die Innenstadt zu kommen.
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