
Es gibt kaum ein Thema in Deutschland, das mehr Aufregung und Bluthochdruck in Millisekunden erzeugt wie das Thema Bürokratie. Was kann man sich da aufregen über die weltfremden Gängelungen der mutmaßlichen Trottel in den Verwaltungen im Europäischen Parlament, im Bundestag und natürlich auch im Bayerischen Landtag.
Auch wenn die CSU notorisch versucht, die Schuld für überbordende Bürokratie hierzulande Berlin und Brüssel in die Schuhe zu schieben, darf man ja nicht vergessen, dass es das CSU-dominierte Parlament ist, das entsprechende Gesetze beschließt, die dann in der Auswirkung vor Ort dem armen Handwerker und dem gebeutelten Landwirt die Zornesröte ins Gesicht treiben.
Welch ein Glück also, dass man in München die Zeichen der Zeit erkannt hat. Im Stadtrat war jüngst das sogenannte "Modernisierungsgesetz" der Bayerischen Staatsregierung auf der Tagesordnung, in dem es um einen Wegfall von verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen geht, um den Bürgerinnen und Bürgern das Leben ein wenig zu erleichtern. Wie das dann so Usus ist, wird sowas natürlich als großer Erfolg gefeiert. Für den Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé ist die Möglichkeit, die Stellplatzsatzung ebenso streichen zu können wie die Verpflichtung von Investoren, für Wohnanlagen bestimmter Größe eigene Spielplätze bauen zu müssen, nicht nur vorbildlich.
Dass seine Stadt das jetzt bereits umsetzt, mache sie "zum Pionier der Entbürokratisierung". Wir haben das mal mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen und nicht überprüft, ob andere Städte vielleicht schon am 2. Januar, also einen Tag nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, eilfertig alle überflüssigen Satzungen gekippt haben.
Und weil diese beiden Satzungen in Schweinfurt schon ab 1. April – nein, das ist nicht als Scherz gemeint – nicht mehr gelten, sah sich die Stadtverwaltung veranlasst, schnell eine euphorische Pressemitteilung herauszugeben, keine 24 Stunden nach der Entscheidung im Stadtrat. Der OB unterschrieb sogar noch im Sitzungssaal die entsprechenden Anweisungen.
Dass die Linken-Fraktion als einzige im Stadtrat dagegen stimmte, focht die Verwaltung in ihrer Entbürokratisierung-Euphorie nicht an. Aus Sicht von Robert Striesow handelt es sich ja nur um einen für den städtischen Geldbeutel teuren "Gefallen für Investoren".
Dass dem so ist, verhehlte der OB gar nicht. Die Baukosten seien auch wegen Auflagen in die Höhe geschossen, "wir wollen es erleichtern, in Schweinfurt zu bauen". In der offiziellen Mitteilung zeigt man sich überzeugt, "dass sich die Gestaltungsfreiheit durchsetzen und zum Wohle der Stadt beitragen wird". Beruhigend für alle, die sich ob der Folgen von zu viel Entbürokratisierung fürchten: "Sollten sich Fehlentwicklungen einstellen, bestünde jederzeit die Möglichkeit, durch entsprechende Satzungen entgegenzusteuern".