
Nachdem die Diakonie in Schweinfurt vor Kurzem aus heiterem Himmel 40 Pflegeverträge wegen Personalmangels kündigte, wurde das Problem Fachkräftemangel in der Pflege auch in der Region Schweinfurt offenkundig. Welche Position hat die Gewerkschaft Verdi zum Thema, die mit der neuen Bezirks-Geschäftsführerin Marietta Eder eine ausgewiesene Gesundheitsexpertin in der Region hat? Gibt es überhaupt eine kurzfristige Lösung, wie man den Pflegenotstand beheben kann?
Grundsätzlich nicht, da das Thema zu komplex ist und es insbesondere durch Bundespolitik, Landespolitik, Pflegekassen, Krankenkassen sowie Betreiber von Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten sehr viele Mitspieler mit widerstreitenden Interessen gibt. Für Marietta Eder geht es im Kern aber immer um das gleiche Thema: "Arbeitsbedingungen, Arbeitsbedingungen, Arbeitsbedingungen."
Natürlich sei ein Thema die Bezahlung der Pflegekräfte, wobei die Schweinfurter Gewerkschafterin bedauert, dass es nach wie vor keinen branchenweiten Mindestlohn gibt und hier sind aus ihrer Sicht auch die kirchlichen Träger wie Caritas und Diakonie mit in die Pflicht. Sie nehme in Gesprächen mit Pflegekräften, die sich bei Verdi beraten lassen, immer wieder wahr, dass das wichtigste Thema die Rahmenbedingungen vor Ort seien.
Pflege sei ein besonderer Beruf, der Teamgedanke stark ausgeprägt. Wenn man aber wegen Personalmangels ständig trotz Freizeit einspringen müsse, sei dies auf Dauer ein großes Problem, so Eder. In anderen Branchen, zum Beispiel der Großindustrie in Schweinfurt, gebe es auch Schichtbetrieb, der sei aber planbar.

Für die jüngeren Mitarbeitenden sei die Bezahlung zwar ein Thema, ebenso wichtig sei aber das Thema Familie und Freizeit, die auch tatsächlich Freizeit ist. "Die Selbstbestimmung ist ein großes Thema", so Eder. Die Gewerkschafterin fürchtet, dass weitere Untätigkeit die Probleme dauerhaft zu lösen "irgendwann zu einem großen Knall führt". Grundsätzlich müsse man sich aber als Bürger auch bewusst sein, dass die Pflegeversicherung nur eine Teilkaskoversicherung sei und pflegende Angehörige mit in der Pflicht stünden.
Es müssten "große Räder" in München und Berlin gedreht werden und mehr Geld ins System kommen, um dauerhaft mehr Personal zu haben, so Eder. Wie das gehen soll, dafür hat Verdi die gleiche Forderung wie die SPD im Bundestags-Wahlkampf: die BürgerInnenversicherung, so dass alle in das System einzahlen. Allerdings hat Eder auch ein Phänomen festgestellt: "Es gibt viele Ideen, wie man die Probleme lösen kann, aber keine große gesellschaftliche Debatte zum Thema."

Kritisch sieht die Gewerkschafterin bundesweit agierende Betreiber von Pflegeheimen, bei denen die Rendite im Vordergrund steht. Zu befürchten sei, dass dies durch Einsparungen beim Personal realisiert werden, was zu Lasten der Qualität der Pflege für die Betroffenen gehen könnte. "Gesundheit", ist Marietta Eders Sicht, "ist keine Ware, sondern Daseinsvorsorge für die Menschen."
Das Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht sieht Eder in den Verdi-Beratungen nicht als Auslöser für Kündigungen der Mitarbeitenden. Aber durchaus als ein weiteres Element, das von den Betroffenen sehr kritisch gesehen wird und die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen verstärkt. Dass vulnerable Gruppen besonders geschützt werden müssen, sei eine Selbstverständlichkeit in der Branche, betont Eder. Verdi hat sich klar für das Impfen gegen das Corona-Virus ausgesprochen, ist aber gegen die einrichtungsbezogene Impflicht, wenn es nicht gleichzeitig auch eine allgemeine Impfpflicht für die Bevölkerung gibt.
Stadt will runden Tisch zum Thema Pflegenotstand organisieren
Marietta Eder hat als SPD-Stadträtin kürzlich einen Antrag gestellt, einen runden Tisch in Schweinfurt unter Moderation der Stadt zu schaffen, an dem alle an der Pflege beteiligten Institutionen zusammen kommen sollen. "Es ist eines der brennendsten Zukunftsthemen, dass ältere Menschen gut versorgt werden", betonte sie in der Stadtratssitzung und forderte mehr und schnelle Vernetzung.
Das sieht auch die Stadt so. Sozialreferent Jürgen Montag sicherte zu, dass spätestens im September die Stadt aktiv einladen werde und auch die Gesundheitsregion einbinden wolle. Der Vorschlag Eders stieß auf einhellige Zustimmung aller Parteien. Diskutiert werden könnte am runden Tisch auch eine Frage, die Linken-Stadtrat Frank Firsching aufwarf: "Vertraut man weiter darauf, dass der Markt das Thema regelt, oder sollte die Stadt Schweinfurt selbst mit der Hospitalstiftung und dem Friederike-Schäfer-Heim ein Angebot für ambulante Pflege schaffen?"
Mit Rendite-orientierten Akteuren im Gesundheitswesen kennt sich jedoch Genosse Karl wenigstens aus, er war ja von 2001 bis 2013 im Aufsichtsrat des Rhön-Klinikums - ein gut dotierter Posten, wie die SZ damals schrieb. Also zumindest für Karl, nicht für die Pflegekräfte.
die eigentliche Frage ist doch was man von Fr. Eder die letzten Jahre darüber gehört hat? Hmm richtig, damals hätte sie sich unentgeltlich äußern müssen. Wenn man diese Äußerungen beruflich macht und Geld dafür bekommt, kommen sie viel leichter von den Lippen.