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Schweinfurt
Geschmacklos, aber keine Volksverhetzung: Impfgegner vor Amtsgericht freigesprochen
Für die Staatsanwaltschaft war es ein klarer Fall von Volksverhetzung, was im September 2023 in Schweinfurt geschah. Warum sah das der Richter anders?
Ein Gegner der Impfungen gegen das Corona-Virus musste sich wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Schweinfurt verantworten.
Foto: Volker Hartmann | Ein Gegner der Impfungen gegen das Corona-Virus musste sich wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Schweinfurt verantworten.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 23.01.2025 02:38 Uhr

An einem Sonntagnachmittag im September 2023 liegt auf dem Schweinfurter Marktplatz eine Vielzahl von Plakaten mit Zeichnungen und Botschaften, die sich kritisch über die damalige Politik der Bundesregierung und zu Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie äußern. Zwischendrin auch ein Plakat, auf dem ein gelber Judenstern mit der Aufschrift "Ungeimpft" abgebildet ist.

Die Versammlung der sogenannten Querdenker- und Impfgegnerszene ist genehmigt. Polizei ist vor Ort, unter anderem, um zu sehen, ob strafrechtlich Relevantes dort gezeigt oder geäußert wird. Der "Ungeimpft"-Judenstern fällt einem der Beamten gleich ins Auge. Ein 59-Jähriger aus Nürnberg, von Beruf Kraftfahrer, stellt sich als Veranstalter der Versammlung und Ausleger der zahlreichen Plakat-Botschaften vor. Die Beamten beschlagnahmen das verdächtige Plakat und kündigen dessen rechtliche Prüfung an.

Das Ergebnis ist später ein Strafbefehl gegen den 59-Jährigen. Ihm wird eine Verharmlosung des Holocausts vorgeworfen, strafbar als Volksverhetzung. Dagegen legt er Einspruch ein, weshalb es zur öffentlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Schweinfurt kommt.

Laut Staatsanwalt kam es dem Angeklagten darauf an, Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit den Verbrechen des Dritten Reichs gegen Juden und andere Minderheiten gleichzusetzen und somit den Holocaust zu bagatellisieren. Das Zurschaustellen des Plakats auf einer Demo mit mehreren hundert Teilnehmern sei geeignet, die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen und den öffentlichen Frieden zu stören.

Der Angeklagte selbst äußert sich zu den Vorwürfen nicht. Der Staatsanwalt sieht aber  den Tatvorwurf bestätigt. Der Angeklagte setze mit der Kombination Judenstern und "Ungeimpft" die Rechtsstellung der Impfgegner mit der Verfolgung und Vernichtung der Juden im Dritten Reich gleich. Dies sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

Der Staatsanwalt fordert für den bis dato unbescholtenen Angeklagten wegen Volksverhetzung eine Geldstrafe von 4500 Euro. Der Verteidiger sagt, sein Mandant habe kein Motiv, den Holocaust zu leugnen. Nicht 1000 Leute, sondern nur "ein paar Hanseln" hätten das Plakat gesehen oder auch übersehen, der öffentliche Frieden sei somit nicht gestört worden. Der Angeklagte sei freizusprechen.

So urteilte auch der Amtsrichter. "Geschmacklos hoch drei" sei es, den Judenstern in dieser Weise zu verwenden. Die Frage aber sei, ob der "Ungeimpft"-Judenstern einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und Menschen aufgestachelt wurden. Der Beweislage nach offenbar nicht. Also: Freispruch. Die Staatsanwaltschaft kann Rechtsmittel einlegen.

 
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