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Würzburg
Gelbe Punkte bei Corona-Demo in Würzburg: Justiz ermittelt wegen Volksverhetzung
Verglichen Impfgegner ihre Situation mit dem Schicksal der im Nationalsozialismus verfolgten Juden? Die Staatsanwaltschaft hat die Vorermittlungen abgeschlossen. Worum es geht.
Mit gelben Punkten, die an den sogenannten Judenstern erinnern, demonstrierten Impfgegnerinnen und Impfgegner am 29. Oktober in Würzburg. Ob sie eine Straftat begangen haben, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. 
Foto: Rias Bayern | Mit gelben Punkten, die an den sogenannten Judenstern erinnern, demonstrierten Impfgegnerinnen und Impfgegner am 29. Oktober in Würzburg. Ob sie eine Straftat begangen haben, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. 
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt wegen Volksverhetzung gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Politik im Herbst, zu der die Initiative "Eltern stehen auf" aufgerufen hatte. Zirka zehn Personen trugen bei der Versammlung am 29. Oktober vor dem Würzburger Hauptbahnhof auf ihren Jacken runde gelbe Aufkleber mit der Aufschrift "ungeimpft". Offensichtlich eine Anspielung auf den gelben Stern, den sich Jüdinnen und Juden ab 1941 in Nazi-Deutschland anheften mussten. Die Demonstrantinnen und Demonstranten zogen also einen Vergleich zur Lage von Millionen Opfern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet worden waren.

Ermittlungsverfahren gegen unbekannt

Ob eine solche Instrumentalisierung von jüdischen NS-Opfern strafbar ist, ist unter Juristen umstritten. Die Staatsanwaltschaft Würzburg teilte jetzt auf Nachfrage mit, sie bejahe einen Anfangsverdacht wegen Volksverhetzung. Man habe das Vorermittlungsverfahren "in ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt übergeleitet". Öffentlich gemacht hatte den Vorfall zunächst die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern durch Posts in den sozialen Medien.

Der Tatbestand der Volksverhetzung ist laut Strafgesetzbuch dann gegeben, wenn der Holocaust, die Vernichtung der Juden, geleugnet oder verharmlost wird. Ob dies bei der Demo in Würzburg der Fall war, müssen nun die Ermittler und – im Falle einer Anklage – die Gerichte entscheiden. Eine Rolle könnte dabei spielen, dass die Demo vor dem Bahnhof in unmittelbarer Nähe des Gedenkorts für die deportierten mainfränkischen Jüdinnen und Juden stattfand.

Gerichtsentscheidung dürfte Mut machen

Zuletzt hatte Andreas Franck, der Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Justiz, seine Kolleginnen und Kollegen bei den Staatsanwaltschaften im Freistaat aufgefordert, in Fällen von Antisemitismus "beherzt" zu ermitteln und mehr Taten als bisher zur Anklage zu bringen.

Mut dürfte den Ermittlern eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts machen. Dieses hat in einem Berufungsverfahren jetzt erstmals festgehalten, dass die Verwendung des Judensterns mehr ist als eine bloße Meinungsäußerung. Dieser sei ein Symbol für die Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Deutschland.

AfD-Politiker wegen Judenstern-Plakat verurteilt

Das Amtsgericht und das Landgericht Augsburg hatten einen AfD-Politiker wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen hatte beim AfD-Bundesparteitag 2018 in Augsburg deutlich sichtbar ein selbst gestaltetes Plakat hochgehalten: auf der einen Hälfte ein gelber Judenstern mit dem Schriftzug "1933-1945", auf der anderen das AfD-Logo und die Aufschrift "2013-?". Ein ähnliches Motiv veröffentlichte der Mann später beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Während die Staatsanwaltschaft argumentierte, der Kommunalpolitiker habe durch den Vergleich der Stimmung gegen die AfD mit der Verfolgung der Juden den Holocaust verharmlost, vertrat der AfD-Politiker die Ansicht, er habe bloß auf die Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden und die öffentliche Hetze gegen sie Bezug nehmen wollen, nicht auf die gegen sie verübten Verbrechen. Dies, so seine Ansicht, sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

"Judenverfolgung gröblich herabgesetzt und relativiert"

Nein, das ist es nicht, sagten die Richter quer durch alle Instanzen - und ließen dem AfD-Politiker das Spiel mit Zweideutigkeiten nicht durchgehen. Der Angeklagte habe den Tatbestand der Holocaust-Verharmlosung "unzweifelhaft erfüllt". Im Urteil der Gerichte heißt es: Durch den Vergleich des Holocaust mit einer behaupteten Stigmatisierung von Angehörigen einer Partei im heutigen Rechtsstaat werde die Judenvernichtung "gröblich herabgesetzt und relativiert". Genau dies aber soll laut dem Gesetzgeber mit Strafe bedroht sein.   

 
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  • s.maerz@online.de
    Was bitte hat ein gelber, runder Aufkleber wie abgebildet mit der Judenverfolgung zu tun??? Ist schon etwas weit hergeholt!
    Ich gebe allen Recht, ein Stern oder ähnliches hat hier nichts zu suchen, aber so?
    Nur weil man zu seiner Meinung steht, wird man in die rechte Ecke gestellt?
    Und ist es besser, dass Geschäfte dann lieber grüne Bänder verteilen, um festzustellen, dass Kunden geimpft oder genesen sind? Wo ist hier der Unterschied der Markierung?
    Band ist ok, Aufkleber nicht???
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  • Meinungsvertreter
    Es geht um die Doppeldeutigkeit: "Nein, das ist es nicht [Meinungsfreiheit], sagten die Richter quer durch alle Instanzen - und ließen dem AfD-Politiker das Spiel mit Zweideutigkeiten nicht durchgehen."
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  • s.maerz@online.de
    Bitte den Bericht nochmal lesen.
    Der Politiker hat auf der einen Hälfte ein gelber Judenstern genutzt => nicht ok.
    Bei der Versammlung in Würzburg wurden runde gelbe Aufkleber mit der Aufschrift "ungeimpft" genutzt. Das jetzt in den gleichen Topf zu werfen ist nicht in Ordnung!
    Denn dann sind wir an dem Punkt, dass keine Meinungsfreiheit mehr herrscht!
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  • gabcht20581207
    Schade, dass Sie den Bezug nicht sehen, erkennen.
    Diese Ungeimpften sollten den Kopf in ein Geschichtsbuch stecken und sich schämen.
    Unbegreiflich.
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  • Steler06501902
    Dummheit, Geschichtsvergessenheit und Lügen werden mit den Leerdenkertum in Verbindung mit Rechtsradikalen wieder salonfähig. Sobald man was gegegen sagt, wird man mit dem Hinweis auf Meinungsfreiheit niedergebrüllt.
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  • cwueck@t-online.de
    einfach nur krank!
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  • MedDeeg@web.de
    Wie kommt man auf solche Ideen?

    Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit den Verbrechen des Nationalsozialismus beschäftigt hat und ansatzweise über soziale Kompetenzen verfügt, muss sich bei sowas doch in Grund und Boden schämen.

    Wenn man hier etwas „vergleichen“ kann, dann die Muster und Methoden der Manipulation, die „Opferhaltung“ der heutigen Rechtsradikalen und der Nazis als maßgeblicher Kern der Feindbild-Rhetorik.
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  • FischersFritz
    Genau – „Schämen“ wäre der richtige Ansatz!

    Früher hätte man sich dafür geschämt, den Holocaust politisch zu instrumentalisieren … man hätte sich dafür geschämt, über 100.000 Todesfälle in Verbindung mit einer Corona-Pandemie zu ignorieren …

    Man hätte sich dafür geschämt, vor den Menschen gegen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, die gerade um das Leben ihrer Patienten kämpfen – oder selbst als Patient betroffen sind …

    Man hätte sich dafür geschämt, hanebüchenen Unsinn zu verbreiten, dafür, die eigene Impfangst über das Wohl der Risikogruppen zu stellen – und man hätte sich dafür geschämt, sich von einer rechten Bewegung mit dem Ziel der Destabilisierung unserer Demokratie instrumentalisieren zu lassen.

    Es scheint, wir leben in einer Scham-freien Zeit …
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  • Meinungsvertreter
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