
Handy, Stift und Notizblock – das sind die wichtigsten Utensilien für Catherine von Schoen. Egal, ob sie im Auto sitzt, ihren dreijährigen Sohn zum Kindergarten bringt oder mit Familienhund Pippi Langstrumpf spazieren geht, jederzeit können Händler anrufen, und dann muss sie schnell entscheiden. Die 38-Jährige ist Mitinhaberin der Schweinfurter Traditionsmälzerei Schubert und verantwortet alleine den Einkauf der für die Malzproduktion erforderlichen Gerste. Und diese wird gehandelt wie an der Börse. Binnen kürzester Zeit können die Preise steigen oder fallen. "Man muss ein Gespür dafür haben", sagt sie, wann man zuschlagen muss.
Die Juristin und Mutter von vier Kindern lebt in Schleswig-Holstein und hatte bis vor zwei Jahren kaum Einblick in die Geschäfte des von ihrer Mutter Susan Schubert geführten Unternehmens in Schweinfurt. Als 2018 die Firmenchefin erkrankte, musste die Tochter von heute auf morgen ran. "Es war ein Kaltstart", erinnert sich Catherine von Schoen mit Grauen zurück. Der Gersteneinkauf war gerade voll im Gange. "Es klingelt nicht, wenn die Preise oben oder unten sind", habe ihr der Großvater eingeschärft. Heute blickt sie lächelnd zurück, führt mit Routine die Verkaufsgespräche. "Ich habe alle Preise im Kopf", und das Gespür für den richtigen Moment zum Zuschlagen auch.

Mehr Regionalität, mehr Transparenz und bereitere Sortenauswahl
Catherine von Schoen hat inzwischen die alleinige Geschäftsführung des alteingesessenen Unternehmens übernommen, das seit fünf Generationen Malze produziert und nun in der dritten Generation von Frauenhand geführt wird. Mit der jungen Unternehmerin kamen neue Ideen und eine Neuausrichtung der Mälzerei hin zu mehr Regionalität, mehr Transparenz und eine breitere Auswahl an Sorten. Das neue Konzept trägt einen als Marke geschützten Namen: slow MALTING®

Nachhaltiges und verantwortungsvolles Wirtschaften spielt für Catherine von Schoen in Zeiten von immer knapper werdenden Ressourcen eine zentrale Rolle. In der Mälzerei werden deshalb ausschließlich regionale Rohstoffe verarbeitet. Der Gersten- und Weizeneinkauf beschränkt sich auf einen Radius von 150 Kilometer Luftlinie um die Mälzerei. Das ist Unterfranken, das Thüringer Becken und die Region Richtung Baden Württemberg. "Wir liegen geografisch so perfekt, dass dies keine Einschränkung ist", verweist die Unternehmerin auf die unterschiedlichen Qualitäten des Getreides in diesem Gebiet.
In Schweinfurt wird das Malz für den SLYRS-Whisky produziert
Die kurzen Transportwege sind ein Vorteil, der dadurch mögliche persönliche Kontakt zu den Landwirten ein weiterer. "Ich bin heuer oft auf die Felder gefahren, habe mir die Gerste und die Böden angeschaut." Das Gespräch mit den Landwirten ist Catherine von Schoen wichtig. Denn so kann sie die Sortenwünsche ihrer Kunden direkt mit den Erzeugern besprechen. "Die sind super motiviert", freut sich die junge Unternehmerin, dass sie bei der "neuen Generation von Landwirten" auch mit außergewöhnlichen Gerstensorten auf offene Ohren stößt.
Aktuell werden sechs Sorten Malz hergestellt, sowohl konventionell als auch in Bio-Qualität. Dadurch dass nur in kleinen Chargen von 20 bis 25 Tonnen produziert wird, können immer auch Sonderaufträge eingeschoben werden. Zum Beispiel von Hausbrauereien oder Crafties. Oder die Herstellung von Malz für den SLYRS, den bekannten Whisky vom Schliersee.


Für den Laien sehen Getreide und Malz ziemlich gleich aus, der Unterschied ist aber groß und der Prozess vom Korn zum Malz aufwändig. In der Mälzerei Schubert führt dieser über fünf Stockwerke, von den Silos im Keller über dicke Rohre nach oben ins Weichhaus und über die Darre wieder zur Lagerung zurück in den Keller.
Ganz vereinfacht passiert dabei Folgendes: Das Getreide wird nach der Reinigung in großen Edelstahlkesseln in Wasser eingeweicht und immer wieder mit Luft versorgt, um die Keimung in Gang zu bringen. Da blubbert's und schäumt's wie in einem Whirlpool. Der Keimprozess ist nötig, um Enzyme freizusetzen, die beim Bierbrauen nötig sind. Hat das Getreide genug gekeimt, erkennbar ist das an den kleinen weißen Härchen, die sich am Korn bilden, geht's ab in die Saune, im Fachjargon Darre genannt. Bei 60 bis 84 Grad wird das jetzt als Grünmalz bezeichnete Getreide getrocknet, danach geputzt und über die großen Rohre wieder nach unten in die Lagersilos transportiert.

"Unsere Kunden können jederzeit den Mälzungsprozess begleiten und auch bei den Getreideerzeugern die Ernte begutachten", verweist Catharine von Schoen auf die dritte Säule des neuen Firmenkonzeptes, die Transparenz. "Wir gewährleisten eine lückenlose Rückverfolgung bis aufs Feld." Auch die Kunden können das Bekenntnis zu Regionalität und Nachhaltigkeit auf ihren Produkten sichtbar machen und das slow MALTING®-Logo, das als Fahne vor dem Firmengebäude in der Mainberger Straße weht, auf ihre Etiketten drucken. Und der Landwirt darf für die entsprechenden Biere dann auf seinen Feldern werben. Eine Win-Win-Situation für alle in der Produktionskette.

Doch wie schafft man es, aus dem fernen Schleswig-Holstein solch innovative Ideen in Schweinfurt umzusetzen? Catherine von Schoen lacht: "Ich habe ein hochmotiviertes Team und meine Mutter beratend im Hintergrund." Da reiche es, fünf bis zehn Tage im Monat vor Ort zu sein. Dank moderner Technik ist die junge Firmenchefin aber täglich präsent.


- Lesen Sie auch: Schlossgut Obbach lässt erstes regionales Ökobier brauen
- Lesen Sie auch: Angezapft: Das erste regionale Ökobier ist abgefüllt