Wer bei Fresenius Medical Care bei einem Rundgang durch das Werk erfahren will, wie hochmoderne Dialysegeräte entstehen, der muss erst einmal die Schuhe ausziehen. Nicht etwa, weil hochempfindliche Teppichböden in den Werkshallen liegen, sondern weil kleinste, elektrostatische Entladungen entstehen können, wenn Schuhwerk sich durch Reibung mit dem Fußboden auflädt.
Kleinste statische Entladungen, wie sie beinahe jeder schon mal erlebt hat, der beispielsweise bei Kontakt mit dem Türgriff ein klitzekleines "Stromstößchen" verspürt hat. Diese Mini-Entladungen würden ausreichen hochempfindliche Bauteile, wie sie in der Medizintechnik verbaut werden, zu schädigen.
ESD-Stripes, um hochsensible Bauteile nicht zu gefährden
Deshalb erst mal Schuhe raus, sogenannte ESD-Stripes zwischen Fußsohle und Schuhsohle gelegt und wieder rein in die frisch entladene Laufbekleidung. Ein kleines Beispiel, das aber auch zeigt, wie genau man es bei Fresenius Medical Care in der Schweinfurter Hafenstraße mit der Produktionssicherheit nimmt. So "entladen" trat auch Bayerns Wirtschaftsstaatsekretär Roland Weigert (Freie Wähler) seine Werksführung an. Gemeinsam mit Vertretern der Initiative "Fortschritt erLeben –Patientenversorgung vor Ort", einem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen unter dem Dach des Bundesverbandes Medizintechnologie, wurde Weigert von Werks- und Produktionsleiter Andreas Völker und Wolfgang Stock (Leitung Forschung und Entwicklung) mit den Arbeitsabläufen in der Gerätemontage und der Entwicklungsabteilung vertraut gemacht.
Dialysegeräte sind der wichtigste Baustein, wenn es um die Blutreinigung chronisch Nierenkranker geht. Während der Reinigungsvorgang im Dialysator – sozusagen der "künstlichen Niere" – abläuft, pumpt das Dialysegerät das Blut und überwacht dessen Zirkulation außerhalb des Körpers. Im Schnitt dreimal in der Woche müssen Dialysepatienten an die Maschine, drei bis sechs Stunden lang übernimmt sie die Kontrolle über den Blutkreislauf der Patienten und setzt zum Beispiel gerinnungshemmende Stoffe zu.
800 000 Dialysegeräte für die ganze Welt
Dialysegeräte, das wird vor diesem Hintergrund sehr schnell klar, sind High-Tech-Geräte, die in hoher Qualität auf der ganzen Welt gebraucht werden. Fresenius Medical Care genießt in dieser Hinsicht international einen hervorragenden Ruf, ist in vielen Bereichen Weltmarktführer und Innovationsmotor, was die Entwicklung neuer Technologien angeht. Im Sommer feierte das Werk sein 40-jähriges Bestehen, 800 000 Geräte wurden in dieser Zeit produziert und in die ganze Welt verkauft. Jedes zweite Dialysegerät weltweit kommt von Fresenius Medical Care, war zu hören, ein großer Teil der Produktion geht nach China.
Die Säulen der Produktpalette sind die Modelle 4008, 5008 und 6008. Mit dem Modell 4008 A steht zudem ein Gerät bereit, dass zwar alle Basis-Features hat, aber weil es sich auf das Wesentliche beschränkt, deutlich günstiger verkauft werden kann. Ein Gerät für Schwellenländer, das leicht transportiert werden kann, aber "im Hinblick auf die Patientensicherheit keine Kompromisse macht", so Andreas Völker.
Viele "labile Bauteile" erfordern ein hohes Maß an Handarbeit
Für das Modell 5008 hat das Unternehmen einen Innovationspreis auch im Hinblick auf dessen Design bekommen, das Flagschiff vom Modell 6008 punktet durch ein Kassettensystem, in dem ein Großteil der notwendigen Schläuche zusammengefasst ist. Das soll Bedienerfreundlichkeit bei Handhabe und Reinigung bringen. Dialysegeräte und ihr filigranes Innenleben mit jeder Menge "labilen Bauteilen" erfordern auch heute noch ein hohes Maß an Handarbeit bei der Fertigung. Industrieroboter heutiger Prägung sind nicht in der Lage jeden Schlauch und jeden Anschluss an seinen richtigen Platz zu bringen. Hinzu kommt, dass jedes einzelne Gerät speziell konfiguriert wird.
Und der Blick geht weiter nach vorne. Derzeit investiert das Unternehmen etwa 20 Millionen Euro in den Bau eines neuen etwa 8000 Quadratmeter großen Technologiezentrums in Schweinfurt. Etwa ein Drittel der hier Beschäftigten arbeiten in den Bereichen Forschung und Entwicklung.
"Made in Germany" immer noch ein Qualitätsmerkmal, aber Nachbauten sind ein Thema
Weigert zeigte sich beeindruckt, freute sich über die lange Verbundenheit des Unternehmens mit der Region. Zur Sprache kamen aber auch die Probleme, die man im Auge haben müsse. So gebe es zum Beispiel keinen Patentschutz auf die Geräte, wie die Werksleiter monierten. Nachbauten von Mitbewerbern seien also durchaus ein Thema.
Noch habe man im Hinblick auf Robustheit, Qualität und Zuverlässigkeit die Nase vorn, das Label "Made in Germany" auf solchen Geräten hat einen guten Klang. Zu lang und deshalb ungünstig seien auch die Zeiträume bis zur Erteilung des notwendigen CE-Zeichens. Während zum Beispiel elektronische Anpassungen – Stichwort Software und Digitalisierung – recht schnell erledigt sind, dauere es einfach zu lange, bis für die technischen Änderungen die neuen CE-Zertifikate erteilt sind.
Moderne Dialysegeräte können heute sehr viel, erkennen zum Beispiel selbstständig ob sich irgendwo ein Schlauch gelöst hat. Zehn bis 15 Stunden tägliche Laufzeit sind die Regel, dennoch müssen sie nur alle zwei Jahre gewartet werden. Eine hohe Betriebssicherheit also, die auch dank umfangreicher Tests erreicht wurde. Zu Tests auf Systemebene kommen auch Praxistests zum Beispiel mit Rinderblut.
"Medizintechnik ist eine Schlüsselbranche in Bayern, jedes dritte Medizinprodukt in Deutschland kommt aus dem Freistaat", so Weigert. Und nicht nur hier ist moderne Medizintechnik gefragt. Vor wenigen Wochen erst wurde aus Schweinfurt die letzte von 3000 Dialysegeräten nach Mexiko geliefert, so Stock und Völker. "Je einfacher es in diesem Zusammenhang mit den Zöllen ist und bleibt, umso besser".