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Gerolzhofen
Fördergeld für "Wunderland": Trotz Zuschuss des Landkreises hängt Gerolzhöfer Theater-Projekt am seidenen Faden
In "Wunderland" leben 80 Jahre Bundesrepublik spielerisch auf. Regisseurin Kirchhof schildert, weshalb ihr das Stück so wichtig ist und worauf es jetzt ankommt.
'Wunderland' im kommenden Jahr: Das große Historienschauspiel will das Kleine Stadttheater Gerolzhofen 2025 auf die Bühne bringen. Dafür gibt's auch Fördergeld.
Foto: Sergej Chernoisikow (Archivfoto) | "Wunderland" im kommenden Jahr: Das große Historienschauspiel will das Kleine Stadttheater Gerolzhofen 2025 auf die Bühne bringen. Dafür gibt's auch Fördergeld.
Josef Schäfer
 und  Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 29.12.2024 02:31 Uhr

Es verspricht, ein großes Theater-Erlebnis in Gerolzhofen im kommenden Spätsommer zu werden. Zwei Bühnen-Profis und 60 Laiendarsteller stehen in den Startlöchern für sechs Aufführungen des Freilicht-Stücks "Wunderland", an zwei Doppel-Tagen zwischen 10. und 14. September 2025. Dahinter steht der Verein Kleines Stadttheater Gerolzhofen. "Das Ensemble brennt dafür", sagt Silvia Kirchhof als verantwortliche Regisseurin. Und doch weiß sie noch immer nicht, ob das Projekt umzusetzen sein wird.

Grund hierfür ist – wie so oft im Kulturbetrieb – das fehlende Geld. Allein für den Aufbau der Bühne und der Tribüne für 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer benötigen die Verantwortlichen nach jüngsten Plänen 170.000 Euro, sagt Kirchhof. Die Preise in der Veranstaltungsbranche hätten sich seit der Corona-Zeit verdoppelt. Um die Eintrittspreise nicht unzumutbar hoch ansetzen zu müssen, ist klar: Ohne üppige Zuschüsse wird "Wunderland" nicht kommen.

Insoweit stellt der Beschluss des Kulturausschusses des Schweinfurter Kreistags, das Projekt mit 30.000 Euro zu fördern, einen ersten wichtigen Schritt dar, stellt die Regisseurin dankbar fest. Der Ausschuss stuft das Projekt als so wertvoll ein, dass er über den üblichen Förderrahmen für Kulturveranstaltungen hinausging.

Höhe- und Tiefpunkte der deutschen Zeitgeschichte

Begründet wurde dies auch mit Verweis auf den Inhalt des Stückes. 80 Jahre nach Kriegsende spielen die Darsteller in "Wunderland" in einer Art Revue jedes Jahrzehnt mit seinen Hoch- und Tiefpunkten nach. Wirtschaftswunder, Wiedervereinigung, Fußball-WM 2016, die Neue Rechte – alles dabei. Eigentlich sollte "Wunderland" schon im Jahr 2020 auf die Bühne kommen, was aber die Corona-Pandemie verhinderte.

Silvia Kirchhof leitet als Regisseurin das Kleine Stadttheater in Gerolzhofen und steht gerne selbst auf der Bühne, als Schauspielerin und als Sängerin.
Foto: Jochen Fehlbaum/fehlbaum-photo | Silvia Kirchhof leitet als Regisseurin das Kleine Stadttheater in Gerolzhofen und steht gerne selbst auf der Bühne, als Schauspielerin und als Sängerin.

Bis auf ein paar Umbesetzungen sind die Schauspielerinnen und Schauspieler, die das Stück im zweiten Anlauf auf die Bühne bringen sollen, identisch mit dem Ensemble von 2020, sagt Kirchhof. Inhaltlich wurde das Stück, das aus der Feder von Autor Roman Rausch stammt, am Ende ergänzt. Die Zeit der Corona-Pandemie darf nicht fehlen. Sie kommt in Form eines Lieds vor.

Eine wichtige Änderung im Vergleich zu den Plänen von 2020 gibt es: Statt auf dem Marktplatz, soll kommendes Jahr ein Teil der Freibad-Liegewiese des Geomaris' zur Spielstätte werden. Seitens der Stadt sei hierzu "viel positive Bereitschaft" vorhanden, sagt Kirchhof.

Landratsamt spricht von einem "Leuchtturmprojekt"

Im Kreis-Kulturausschuss sprach der Chef des zuständigen Regionalmanagements im Landratsamt, Ulfert Frey, von einem "Leuchtturmprojekt", das eine außergewöhnlich hohe Förderung verdiene. So verfuhr der Landkreis bislang beim Varietéfestival in Sennfeld und den Passionsspielen in Sömmersdorf.

Etwas Bauchgrummeln hatte die CSU-Fraktion. Michael Geck (Sulzheim) wies darauf hin, dass der Landkreis damit der größte kommunale Förderer und "Premiumpartner" sei, während der Bezirk Unterfranken nur 3000 Euro, also zehn Prozent der Landkreissumme, beisteuere. Die Stadt Gerolzhofen ist mit 15.000 Euro dabei, hieß es im Ausschuss.

Im Mai 2023 besuchte der bayerische Kunstminister Markus Blume (links) mit der Landtagsabgeordneten Barbara Becker (Mitte) das Theaterhaus in Gerolzhofen. Silvia Kirchhof (rechts) schilderte ihm damals die Finanznot kleiner Kultureinrichtungen im ländlichen Raum.
Foto: Josef Lamber (Archivfoto) | Im Mai 2023 besuchte der bayerische Kunstminister Markus Blume (links) mit der Landtagsabgeordneten Barbara Becker (Mitte) das Theaterhaus in Gerolzhofen.

Das meiste eingeplante Geld – laut Kirchhof 90.000 Euro – stammt aus dem Kulturfonds des bayerischen Kunstministeriums. Darüber werde nach Auskunft von Philipp Spörlein, des stellvertretenden Pressesprechers des bayerischen Kunstministeriums, voraussichtlich Ende März der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen entscheiden.

Trotz der Zuschüsse wird's keinen Gewinn geben

Gegenüber ersten Plänen seien die Ausgaben für Bühne und Tribüne um 110.000 Euro reduziert worden, berichtet Kirchhof. Sie sitzt auf Kohlen. Ohne den beantragten Zuschuss aus dem Kulturfonds sei "Wunderland" fürs kommende Jahr gestorben. Die Zuschüsse würden lediglich das Defizit ausgleichen, das nach Abzug der Ticket-Einnahmen übrig bleibe. Gewinn dürfe das Projekt nicht erwirtschaften.

Den großen Mehrwert des Theater-Projekts, den eigentlichen Gewinn, den dieses abwirft, sieht die Regisseurin darin, dass es Erinnerungskultur vermittelt. "Wunderland" stelle die vielen politischen und kulturellen Facetten der Nachkriegszeit als Epoche vor, die unser Land und unser heutiges Leben unmittelbar geprägt haben.

Wichtig ist Kirchhof eines: Das Stück wertet nicht. Es zeigt, was geschehen ist – Schlimmes, aber auch Gutes. Dafür bürgen zahlreiche Zeitzeugen, "echte Ur-Gerolzhöfer", die die Regisseurin befragt hat, und die zum Teil als Rollen im Stück auftauchen.

Laien leisten Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft

Das Laienensemble, darunter viele Kinder, leistet mit seinem Auftritt einen wichtigen Beitrag, die Kulturlandschaft im ländlichen Raum am Leben zu erhalten, ist Kirchhof überzeugt. Dies sei extrem wichtig, "für die Seele der Menschen".

Insoweit sieht sie in der Unterstützung einer solchen Inszenierung eine Kulturförderung par excellence. Dafür hohe Summen zu investieren, ist für sie trotz der vielen Krisenherde und des vielen menschlichen Leids weltweit gerechtfertigt. "Auch das haben wir intern abgewogen und mit uns gerungen", sagt Kirchhof.

 
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