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Sömmersdorf
Ein Dorf steht kopf: Bei der Passion in Sömmersdorf haben die Schauspieler viele Rollen und viele Jobs
Zwischen Bühne, Passion und Pizzastand: Die Sömmersdorfer Passionsspiele sind ein wahres Gemeinschaftsprojekt. Ein Einblick in die verschiedenen Rollen und Aufgaben.
Etliche Mitwirkende bei den Sömmersdorfer Passionsspielen schlüpfen in verschiedene Rollen. Lisa Schneider (Mitte, mit grünem Kopftuch) hat gleich fünf Jobs zu erledigen. Vor der Aufführung macht sie Gästeführungen, auf der Bühne spielt sie eine Mutter im Volk und die Frau von Kanaan, während der Pause bewirtet sie die Besucher im Jurte-Zelt und nach der Vorstellung kümmert sie sich um das Social-Media-Marketing für die Passion. 
Foto: Anand Anders | Etliche Mitwirkende bei den Sömmersdorfer Passionsspielen schlüpfen in verschiedene Rollen. Lisa Schneider (Mitte, mit grünem Kopftuch) hat gleich fünf Jobs zu erledigen.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 18.07.2024 02:40 Uhr

Lisa Schneider hat bei den Sömmersdorfer Passionsspielen viele Jobs: Vor der Vorstellung macht sie Gästeführungen. Bei der Aufführung spielt sie mit ihren Kindern Benno und Juliane eine Mutter im Volk Israel. In Szene 5 steht sie dann als Frau von Kanaan auf der Bühne. In der Pause bewirtet sie flugs die Gäste im Jurte-Zelt. Und nach der Vorstellung sitzt sie am Computer und kümmert sie sich um das Social-Media-Marketing des Passionsspielvereins.

Die 35-jährige Apothekerin ist eine von vielen Mitwirkenden, die bei der Sömmersdorfer Passion in mehrere Rollen schlüpfen – vor, hinter und auf der Bühne. Und sie macht es gern: "Weil es schön ist, hier dabei zu sein."

Lisa Schneider zeigt ihrer Besuchergruppe die 'Jesus-Kiste'. Darin befindet sich auch das Kunstblut für die Kreuzigungsszene.
Foto: Anand Anders | Lisa Schneider zeigt ihrer Besuchergruppe die "Jesus-Kiste". Darin befindet sich auch das Kunstblut für die Kreuzigungsszene.

Sonntag, 7. Juli, 12 Uhr: Die beiden Vorsitzenden Norbert Mergenthal und Dieter Mergenthal sind schon seit dem frühen Vormittag im Einsatz. Judas-Darsteller Frank Greubel hat abgesagt. Er ist krank. Nun muss umorganisiert werden. Patrick Spyra muss einspringen, der bereits am Vorabend gespielt hat und eigentlich frei hätte. Er wird es prima meistern, gibt später eine beeindruckende Vorstellung des von Selbstzweifeln zerrissenen Judas'.     

Norbert Mergenthal eilt zu den Technikern. Die Videosequenzen müssen ausgetauscht werden, damit später der "richtige Judas" auf der Leinwand zu sehen ist. Dieter Mergenthal richtet das Kassensystem ein. Die ersten Besucher stehen schon am Eingang. Auch der dritte Vorsitzende Johannes Gessner eilt über das Gelände, hilft bei den Vorbereitungen.

Letzte Absprache vor dem Auftritt: Jesus-Darsteller Tobias Garbe (links) und Vorsitzender Norbert Mergenthal, der den Hohepriester Kajaphas spielt.
Foto: Anand Anders | Letzte Absprache vor dem Auftritt: Jesus-Darsteller Tobias Garbe (links) und Vorsitzender Norbert Mergenthal, der den Hohepriester Kajaphas spielt.
Vorsitzender Norbert Mergenthal als Hohepriester Kajaphas.
Foto: Anand Anders | Vorsitzender Norbert Mergenthal als Hohepriester Kajaphas.

Alle drei werden später auf der Bühne stehen, in tragenden Rollen. Norbert Mergenthal als Hohepriester Kajaphas, Dieter Mergenthal in der Sömmersdorfer Familie beim Prolog und Epilog sowie Johannes Gessner als Pilatus. Zeit für mentale Vorbereitung bleibt ihnen nicht. Bis zur letzten Minute sind sie im Helfereinsatz. Beim Passionsspielverein packt jeder und jede mit an.

1000 Pizzen gehen an jedem Wochenende über den Tresen

Am Pizzastand bereitet Feuerwehrkommandant Steffen Sauer unterdessen den Backofen vor. In einer Stunde wird hier Hochbetrieb herrschen. Rund 1000 Pizzen gehen an jedem Wochenende an den zwei Spieltagen über den Tresen. Bis die Glocke zum Spielbeginn läutet, hat der "Pizzabäcker" keine Verschnaufpause mehr.

Steffen Sauer als Pizzabäcker: Eine Stunde vor Beginn der Aufführung herrscht Hochbetrieb am Pizzastand.
Foto: Anand Anders | Steffen Sauer als Pizzabäcker: Eine Stunde vor Beginn der Aufführung herrscht Hochbetrieb am Pizzastand.

Steffen Sauer ist auch Feuerwehrkommandant. Sein Einsatz beginnt deshalb schon lange, bevor er in den Pizzastand geht. Mit seinem Stellvertreter Lukas Manger war er schon am frühen Morgen auf den Beinen, um den Einsatztrupp zu organisieren, der den Parkverkehr lenkt und die Brandwache am Spielgelände sicherstellt.

Steffen Sauer (links) und Lukas Manger sind als Feuerwehrkommandanten verantwortlich für die Sicherheit rund um die Passionsspiele. 
Foto: Anand Anders | Steffen Sauer (links) und Lukas Manger sind als Feuerwehrkommandanten verantwortlich für die Sicherheit rund um die Passionsspiele. 

Beide spielen auch bei den römischen Soldaten mit. Ihren großen Auftritt haben sie nach der Pause bei der Geißelung von Jesus. Zwischen Bühne und Pizzastand kümmert sich Steffen Sauer noch um die Organisation der Requisiten. Speere, Schilder und die Kreuze müssen rechtzeitig hinter der Bühne parat stehen.        

Lukas Manger (links) und Steffen Sauer (rechts) bei der Geißelung von Jesus.
Foto: Irene Spiegel | Lukas Manger (links) und Steffen Sauer (rechts) bei der Geißelung von Jesus.
Steffen Sauer (links) und Lukas Manger als römische Soldaten. Sie bereiten sich auf die Geißelung von Jesus vor.
Foto: Anand Anders | Steffen Sauer (links) und Lukas Manger als römische Soldaten. Sie bereiten sich auf die Geißelung von Jesus vor.

12.30 Uhr: An der Touristinformation warten die Besuchergruppen. Fünf Gruppen, darunter zwei aus dem Allgäu, haben sich für eine Gästeführung angemeldet. Das wird eng. Ehrenvorsitzender Robert König, der später auch auf der Bühne stehen wird, ist mit einem Trupp schon unterwegs. Lisa Schneider übernimmt die Gruppe aus Marktheidenfeld. Während die anderen durchs Bühnenhaus geschleust werden, beginnt sie draußen bei den Tieren. Ein Pferd, zwei Kamele, drei Esel und drei Schafe spielen bei der Passion mit. Sabo und Sigi, die beiden Kamele, sind von einem Gnadenhof aus Landsberg ausgeliehen. Auch die Oberammergauer holen sich dort für ihre Passionsspiele die Tiere.

Auf dem Weg zum Bühnenhaus erfahren die Gäste, dass bei der Passion 400 Menschen auf der Bühne stehen und 100 im Hintergrund mitwirken. Dass Helma Stöth mit 85 Jahren die älteste und der zwei Monate alte Jona der jüngste Mitwirkende ist. Und dass alle ehrenamtlich dabei sind. Als Dankeschön gibt es nur einen Verzehrgutschein. Erstaunte Gesichter.     

Was sich in der "Jesus-Kiste" befindet

Während draußen hektische Betriebsamkeit herrscht, ist es um diese Uhrzeit in der Maske noch ruhig. Lisa Schneider holt die "Jesus-Kiste" hervor. Darin befinden sich das Kunstblut für die Kreuzigungsszene und die Blutkapseln, die auf dem Weg zur Kreuzigung zerkaut werden, damit Jesus Blut aus dem Mund läuft. "Sie schmecken nach Kirsche", verrät Lisa Schneider. Auch Traubenzucker liegt in der Kiste. Ein wichtiger Energieschub für den Darsteller bei der fordernden Rolle.

Wichtig auch das Mückenspray. "Bei der Passion 2018 wurde der tote Jesus am Kreuz von einer Bremse gestochen und durfte sich nicht bewegen", erzählt die Gästeführerin. "Oh je" entfährt es einer Besucherin, "Ah" einer anderen, als "Jesus" gerade vorbeiläuft. Heute spielt Tobias Garbe den Gekreuzigten. Freundlich lächelt er der Besuchergruppe zu.   

Lange Schlangen vor dem Pizzastand

13 Uhr: Auf dem Festglände wimmelt es schon von Menschen, die alle vor Spielbeginn noch was essen wollen. Vor dem Pizzastand hat sich eine lange Schlange gebildet. Steffen Sauer schiebt ein Blech nach dem anderen in den Ofen. Alles ist frisch und selbstgemacht. Herodes' Tänzerinnen Anna-Lena und Franzi Greubel sowie Johanna Fuß reichen eine fertige Pizza nach der anderen über den Tresen. Marius Mergenthal kassiert ab. Er wird sich später sputen müssen, denn er hat gleich am Anfang beim Einzug des Volkes Israel als Apostel Johannes und danach als Matthäus seinen Auftritt.          

Marius Mergenthal als Kassier im Pizzastand.
Foto: Anand Anders | Marius Mergenthal als Kassier im Pizzastand.
Marius Mergenthal (Zweiter von rechts) als Apostel auf der Bühne.
Foto: Anand Anders | Marius Mergenthal (Zweiter von rechts) als Apostel auf der Bühne.

Lisa Schäfer hat ihre Besuchergruppe inzwischen vom Requisitenlager nach oben in den Bühnenbereich geführt. Die Gäste erfahren, dass die schwarzen Vorhänge in Salzlake getränkt sind und dass sich die Sägespäne auf dem Boden in den Socken festhaken. Früher verwendete man Sand. Da gab's aber die bewegliche Video-Leinwand noch nicht, in deren Führungsschiene kein Sand kommen darf. Vor allem kein nasser Sand, falls es mal regnet, so wie bei der komplett verregneten Vorstellung am 30. Juni. Es war übrigens das erste Mal in der Geschichte der Passionsspiele, dass bei einer Aufführung Dauerregen herrschte. Dem Bodenbelag sieht man es noch an: Sägespäne trocknen schlechter.             

Fotoserie
Lisa Schneider als Gästeführerin: Sie zeigt der Besuchergruppe die Ledersandalen, die die römischen Soldaten tragen.
Foto: Anand Anders | Lisa Schneider als Gästeführerin: Sie zeigt der Besuchergruppe die Ledersandalen, die die römischen Soldaten tragen.

13.20 Uhr: Zehn Minuten sind noch Zeit, bevor die Schauspielerinnen und Schauspieler kommen, um sich umzuziehen und zu schminken. Das reicht für einen Blick in die Umkleide. Lisa Schneider holt ein Römergewand hervor. Ganz schön schwer, das mit vielen Metallblättchen benähte Kettenhemd. Mit Helm, Speer und Schild haben die "Römer" ganz schön was zu schleppen.  

Kein Lieferant mehr für Ledersandalendd

An den Füßen tragen die Schauspieler und Schauspielerinnen Ledersandalen. Viele "Latschen" sind im Lauf der Jahre kaputtgegangen, wurden immer wieder repariert. "Wir bräuchten eigentlich neue Schuhe, aber wir haben keinen Lieferanten mehr", bedauert Lisa Schneider. Die edlen Kopfbedeckungen der Priester übrigens fertigt der Verein selbst an. Aus aufgeschnittenen und zusammengeklebten Joghurteimern, die mit feinem Stoff überzogen werden.

Lisa Schneider im Jurte-Zelt: Vor und nach den Aufführungen sowie in der Pause hilft sie im Sektausschank mit. 
Foto: Anand Anders | Lisa Schneider im Jurte-Zelt: Vor und nach den Aufführungen sowie in der Pause hilft sie im Sektausschank mit. 

Ein Blick auf die Uhr: 13.30 Uhr. Auf Lisa Schneider wartet schon der nächste Einsatz. Während die Gruppe sich nach der interessanten Führung Richtung Festgelände bewegt, eilt die 35-Jährige zum Jurte-Zelt. Dort schenkt sie Sekt aus, mit Paula Sessler, eine junge Mutter, die mit ihrem Mann und den vier Kindern im Prolog und anschließend beim Einzug in Jerusalem dabei ist. In der Pause werden beide Frauen wieder am Sektstand stehen.

14.30 Uhr: Das Passionsspiel beginnt. Das Volk jubelt Jesus zu. Wo ist Lisa Schneider? "Ich werde jubeln und winken", hatte sie ihrer Besuchergruppe vorher als Tipp gegeben. Aber alle jubeln und winken. Doch ein Gesicht strahlt besonders. Diese Freude ist nicht gespielt, sie ist echt. "Weil es schön ist, hier dabei zu sein."  

 
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