Flexibel arbeiten, ohne festes Büro, stattdessen lieber einen mobilen Schreibtisch anmieten, das ist in der digitalisierten Welt ein wachsender Trend. Besonders in Großstädten werden sogenannte Coworking-Spaces gerne genutzt. Vor allem von jüngeren Menschen, aber auch von Pendlern, Gruppen oder jenen, die nicht immer allein im Home-Office sitzen möchten. In ländlichen Gebieten sind solche Angebote bislang eher wenig verbreitet.
Die Stadt Gerolzhofen möchte das ändern und bemüht sich seit Jahren, Coworking auf den Weg zu bringen. Anfangs stand auch die Idee eines Gründerhauses im Raum. Im Vorjahr nahm die Sache so langsam Fahrt auf, als eine Potenzialanalyse in Auftrag gegeben wurde. Die Cowork AG lotete dabei mögliche Bedarfe für ein solches Angebot aus.
Parallel dazu wurden die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer Online-Umfrage und zusätzlich Unternehmen dazu befragt. Im Januar stellten die Experten ihre Ergebnisse vor, die ermutigend waren: Viele Befragte waren Pendler und alle Altersklassen sind offen gegenüber dem Coworking.
Viele Wünsche beim Online-Workshop zum Thema Coworking
Bei einem Online-Workshop waren mögliche Betreiber, Immobilieneigentümer, Unternehmen und Nutzer eingeladen, weitere Ideen zu entwickeln. Enttäuschend war zwar einerseits die sehr überschaubare Zahl von Teilnehmenden, dafür umso ergiebiger die Vorschläge.
Genannt wurden eine zeitgemäße Technik, ansprechend gestaltete und bezahlbare Räume, ein zusätzlicher Meetingraum, flexible Buchungsmöglichkeiten, Postannahme oder Ansprechpartner vor Ort. Gewünscht werden zudem gute Erreichbarkeit, Lademöglichkeiten für E-Autos sowie Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe.
Erfreulich für die Stadt ist vor allem das konkrete Interesse eines Unternehmens am Betrieb des künftigen Coworking-Space. In der Online-Runde, an der auch Bürgermeister Thorsten Wozniak und Stadtteilmanager Daniel Hausmann teilnahmen, machte Ellen Kimmel von der "Kreuz und Quer GmbH" aus Volkach ihre Pläne erstmals öffentlich. Bereits seit dem Winter befindet sie sich in Gesprächen mit der Stadt und dem Stadtteilmanagement.
Bei dem Workshop stellte Kimmel ihr Konzept aus der Mainschleifenstadt vor, wo sie zusammen mit ihrer Schwester Christa Hünting seit zwei Jahren eine solche Einrichtung betreibt. Ihr "KreativQuartier" bietet 20 mobile Arbeitsplätze und drei Meetingräume.
Vielen ist Coworking noch unbekannt
Gleichwohl bestehe noch viel Erklärungsbedarf, was Coworking bedeutet, betonte sie. "Sehr oft stehen Leute vor uns und fragen: Coworking – was ist das?" Bei der Kommunikation nach außen hofft sie daher auf Mithilfe der Stadt. Denkbar sind Informationsveranstaltungen für Vereine, Arbeitgeber und Gewerbetreibende. Daniel Hausmann regte an, das bestehende Kulturnetzwerk darin einzubinden.
Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigte Ellen Kimmel ihr Interesse. "Ja, wir wollen ein Coworking-Space in Gerolzhofen realisieren und betreiben." Nach den bisherigen positiven Erfahrungen in Volkach möchten sie und ihre Schwester nun weiter expandieren.
Immobilie in der Spitalstraße in Gerolzhofen im Blick
In Gerolzhofen hat sie dafür geeignete Räume schon ausgemacht. "Lustigerweise wie in Volkach in der Spitalstraße", merkt sie an und meint: "Das würde doch gut passen." Nach ihren Angaben handelt es sich um das Haus Nr. 5, in dem früher diese Redaktion ihre Büros hatte. Die Vermieterin stehe dem Konzept aufgeschlossen gegenüber, so Kimmel. Noch aber ist der Mietvertrag nicht unterschrieben.
Der Start mit ihrem zweiten "KreativQuartier" – dieser Name ist auch für das Coworking-Space in Gerolzhofen angedacht – soll zeitnah erfolgen. Beide hoffen auf einen Umbaubeginn im April und wollen diesen eventuell in Form eines Crowdfunding-Projekts realisieren. Dafür suchen sie freiwillige Helferinnen und Helfer, die Wände streichen oder Teppiche rausnehmen. Diese dürften dann im Gegenzug eine Zeitlang mobile Arbeitsplätze kostenfrei nutzen.
Eröffnung des Coworking-Projekts noch vor der Sommerpause möglich?
Bei der Einrichtung legen die Schwestern besonderen Wert auf eine "Wohlfühlatmosphäre". Wenn alles nach Plan läuft, könnte das Coworking-Space im Juli öffnen. Dabei stehen die potenziellen Betreiberinnen etwas unter Zeitdruck. Bis spätestens Ende Juni müssen die beantragten Fördergelder aus einem EU-Programm, über das bereits die Potenzialanalyse lief, abgerufen werden. Deshalb denkt Kimmel über ein vorläufiges Pop-up-Konzept und einen schrittweisen Ausbau nach.
Für Bürgermeister Thorsten Wozniak jedenfalls ist das Interesse der KreativQuartier-Gründerinnen ein "Glücksfall" für den Wirtschaftsstandort. Dass die Stadt nun nicht selbst aktiv werde in dieser Angelegenheit, bewertet er gleichwohl positiv. "Wir müssen hier nicht ganz vorne dabei sein. Wir wollen vielmehr ein gutes Angebot in Gerolzhofen haben." Auch er ist optimistisch gestimmt, dass noch vor der Sommerpause der Betrieb aufgenommen und das neue Angebot gut angenommen wird.