Sich mit anderen Menschen ein Büro zu teilen, ist keine brandneue Idee. Doch bei sogenannten Coworking Spaces geht es oft um mehr. Das Phänomen, das in Großstädten längst keine Seltenheit mehr ist, hat mittlerweile auch Main-Spessart erreicht. In Marktheidenfeld, Partenstein und Lohr gibt es nun solche Angebote. Handelt es sich dabei nur um einen kurzlebigen Trend oder sieht so die Arbeitsumgebung der Zukunft aus? Wir haben uns näher angesehen, was es damit auf sich hat. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Bei Coworking Spaces gibt es verschiedene Varianten. Oft handelt es sich dabei aber um große, offen gestaltete Büroräume mit mehreren Schreibtischen und Sitzgelegenheiten. Diese besuchen Menschen aus unterschiedlichen Firmen und Branchen, um dort zu arbeiten. Charakteristisch ist, dass die Anbieter diese Arbeitsplätze auch für kurze Zeitspannen vermieten, zum Beispiel für einen Monat, eine Woche oder sogar nur für einen Tag. Ob Internet, Drucker, Briefkasten oder Kaffeeküche: Die Infrastruktur eines Coworking Space können die Kunden in der Regel mitbenutzen.
Das flexible Anmieten von Räumlichkeiten ist nur ein Aspekt, der Coworking interessant macht. Sascha Genders von der IHK Würzburg-Schweinfurt spricht von der "Chance zum Netzwerken". Durch den Austausch untereinander ließen sich "branchenübergreifende Synergien finden", sagt Nicole Dau, Pressesprecherin von CoWorkLand, einer Genossenschaft von Betreibern solcher Einrichtungen im ländlichen Raum. Ihr zufolge treffen sich dort Menschen, die sich "an einem klassischen, festen Unternehmensstandort vermutlich nie kennengelernt hätten". Sogar neue Geschäftsmodelle entstünden dabei.
Manche Anbieter von Coworking-Spaces legen auch ihren Fokus auf die Vernetzung. So gehört es beispielsweise zum Konzept von Smartup in Marktheidenfeld, den Mietern eine Beratung durch sogenannte Mentoren wie Steuerberater oder Marketing-Spezialisten anzubieten und Workshops zu organisieren.
Gerade für "Leute, die in die Selbstständigkeit gehen wollen" und Unterstützung brauchen, sei das der "große Mehrwert", sagt Geschäftsführer Markus Schubertrügmer. Positive Nebeneffekte seien auch, dass Coworker untereinander ins Geschäft kommen und sich gegenseitig Rat geben können. "Du bist von Anfang an nie ein Einzelkämpfer. Und es bringt dich viel schneller ans Ziel, wenn du von Erfahrungen lernst, die andere schon gemacht haben."
Gerade für kleine Teams oder Soloselbstständige schaffe Coworking zudem "ein Team-Feeling und eine gemeinschaftliche Arbeitsumgebung mit Sozialkontakten", sagt Anja Güll vom Starthouse Spessart in Lohr. Das bringe Spaß an der Arbeit und gegenseitige Motivation.
- Starthouse Spessart in Lohr (Nur für digitale Unternehmensgründer)
- Smartup in Marktheidenfeld
- Coworking N8 in Marktheidenfeld
- Coworking-Spessart (Mehrluft) in Partenstein
Unternehmensgründer und Freiberufler, die viel am Computer tätig sind, gelten als typische Zielgruppe, da sie von unterschiedlichen Orten aus arbeiten können. Für Angestellte ist das oft nicht so einfach. "Corona wird die Frage des Arbeitsplatzes dauerhaft ändern", sagt Sascha Genders von der IHK. Gleichzeitig vermutet er, dass mobiles Arbeiten auch zukünftig eher in den eigenen vier Wänden erfolgen wird. Im Coworking Space entstünden schließlich Kosten, die ein Angestellter zu Hause oder im Büro nicht hat. Dass manche Arbeitgeber für diese Kosten aufkommen, hält er "im Sinne der Mitarbeiterbindung" für theoretisch vorstellbar. Wenn das so kommen sollte, wären es wohl erstmal die großen Unternehmen, die damit anfangen würden, glaubt Genders.
Ralf Emrich versucht in Partenstein derzeit, auch Arbeitnehmer als Mieter zu gewinnen. Schon seit 2018 vermietet er Büro- und Lagerflächen. Das Projekt nennt sich "Mehrluft". Allerdings richtete sich Emrich dabei eher an Kunden, die sich mittel- oder langfristig (ab drei Monaten) bei ihm einquartieren wollen. Bislang sind das vor allem Selbstständige. In der Pandemie hat sich Emrich aber dazu entschlossen, seine Räumlichkeiten auch unter dem Schlagwort "Coworking-Spessart" zu vermarkten.
"Die Überlegung war, Leuten unsere Einzelbüros anzubieten, die gerade im Home Office sind, dort aber nicht die Ruhe haben, um vernünftig zu arbeiten", sagt Emrich. Auch kürzere Mietzeiträume sind nun möglich. Der große Streitpunkt sei aber natürlich die Frage, wer das letztlich bezahlt. Seine Hoffnung sei gewesen, dass Firmen die Räume für ihre Mitarbeiter buchen würden. In der Praxis gestalte sich die Umsetzung der Idee aber "ein bisschen zäh". Ein Hindernis sei, dass in Corona-Zeiten jeder Geld sparen wolle. "Das ist für alle eine schwierige Situation."
Nicole Dau von CoWorkLand ist sich derweil sicher, dass Coworking auch für Angestellte geeignet ist. Ihre Genossenschaft bietet Unternehmen dafür Kontingentverträge an. Wenn Firmen solche Kontingente erwerben, erhalten ihre Angestellten einen speziellen Pass, mit dem diese vom Coworking Space ihrer Wahl aus arbeiten können – vorausgesetzt er gehört zu CoWorkLand. In Main-Spessart hat die Genossenschaft bisher keine Mitglieder; sie ist vor allem in Norddeutschland stark vertreten.
"Ich würde nicht sagen, dass es ein dominierendes Thema ist", sagt Sascha Genders, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt über den Bedarf an Coworking Spaces bei jungen Unternehmen. Immer mal wieder erreichen ihn zwar Anfragen, aber die Frage der Räumlichkeiten stehe bei Gründern oft nicht an erster Stelle. Was junge Unternehmem mehr umtreibe seien Formalitäten und finanzielle Fragen.
Das Starthouse Spessart in Lohr ist eines von 19 sogenannten Digitalen Gründerzentren in Bayern, die das Wirtschaftsministerium des Freistaats finanziell fördert. Einmieten können sich dort ausschließlich "digitale und innovative Gründer", erklärt Leiterin Anja Güll. Und diese nutzen das Angebot offenbar auch. Auf 200 Quadratmetern verfüge das Starthouse neben Besprechungsräumen und einem "Work-Café-Bereich" über sechs Arbeitsplätze, so Güll. Diese seien derzeit alle vermietet. "Man kann sagen, dass es eine kontinuierliche Nachfrage von digitalen Gründern aus der Region gibt." Erst Anfang April sei ein neuer Mieter eingezogen.
"Corona bremst alles aus", berichtet hingegen Markus Schubertrügmer von Smartup in Marktheidenfeld. Grundsätzlich sehe er den Bedarf. Doch Coworking und das Virus "passen nun einmal ganz und gar nicht zusammen". Auch sein Beratungsangebot könne durch die Pandemie nur über Zoom oder "sehr eingeschränkt" stattfinden, so Schubertrügmer. Er hat seinen Coworking Space erst im September vergangenen Jahres eröffnet. Den Anbieter Coworking N8 gibt es ebenfalls erst seit kurzer Zeit in Marktheidenfeld. Auf Anfragen dieser Redaktion antwortete der Betreiber nicht.
Das ist von Betreiber zu Betreiber unterschiedlich. Außerdem hängt es davon ab, welche Angebotspakete man bucht, also ob man zum Beispiel nur einen Schreibtisch oder einen eigenen Raum mietet. Im staatlich geförderten Starthouse in Lohr liegt die Monatsmiete gerade mal bei 40 Euro für einen Arbeitsplatz. Bei privaten Anbietern von Coworking Spaces in Main-Spessart ist ein eigener Schreibtisch ab 150 Euro im Monat zu haben, ein eigenes Büro ab rund 450 Euro.
Laut Nicole Dau von CoWorkLand ist das ganz klar der Fall. Sie verweist auf Umfragen, nach denen viele Großstädter lieber auf dem Land oder in kleineren Städten wohnen würden. Dass viele Leute ihre Arbeitsstellen aber in größeren Städten haben, sieht sie dazu nicht mehr als Widerspruch. "Durch die fortschreitende Digitalisierung lassen sich viele Jobs inzwischen von überall aus erledigen." Gegen das Home-Office spreche hingegen für viele Menschen die "fehlende Trennung von Beruf und Privatleben" oder "eine unzureichende technische Ausstattung", so Dau. Da seien ländliche Coworking-Spaces "die goldene Mitte".
Sie machten das Landleben "wieder attraktiv", reduzierten "den klimaschädlichen Pendelverkehr" und erweckten "Gemeinden zu neuem Leben". Für Kommunen wirken sie laut Nicole Dau "wie Korallenriffe". Sie zögen weitere Initiativen, Geschäfte und Gastronomie an. Es existieren in Deutschland aktuell etwas über 700 Coworking-Spaces, sagt die Pressesprecherin. Und nur etwa 150 davon sind auf dem Land. "Allerdings kommen durch die verstärkte Nachfrage jedes Jahr Neugründungen von Spaces auch im Ländlichen hinzu."