Ein Mitglied der Gruppe "Heroes", die sich gegen Unterdrückung im Namen der Ehre einsetzt, hält am Valentinstag auf dem Marktplatz in Schweinfurt ein Plakat hoch: "Es war nur ein kleiner Schlag", heißt es auf einem Plakat; die Worte "nur" und "kleiner" sind bewusst durchgestrichen. Denn viele Mädchen und Frauen erleben auch heute noch tagtäglich Gewalt.
Um ein Statement zu setzen, war die Stadt Schweinfurt zum vierten Mal bei der Protestaktion "One Billion Rising" dabei, die auf diesen Umstand aufmerksam macht. Weltweit tanzen jedes Jahr am 14. Februar Millionen von Menschen zu dem Song "Break the Chain" (auf Deutsch: "Zerreiß die Ketten"), der eigens für die Aktion komponiert wurde.
Über 650 Menschen erleben täglich häusliche Gewalt
"Es werden jedes Jahr mehr", bedankte sich die Gleichstellungsbeauftragte Heide Wunder bei den Frauen und Männern, die beim Tanz-Flashmob mitmachten. "Die Lage in der Welt ist prekärer denn je. Die Klimakrise, Kriege, der Rechtsruck und die Gefährdung der Demokratie treffen Frauen besonders hart", sagte Wunder in ihrer Eröffnungsrede. Die Zahlen seien immer wieder aufrüttelnd und erschreckend. Denn weltweit erlebten eine Milliarde Frauen, im Englischen "One Billion", Gewalt.
Auch hierzulande wird laut Bundeskriminalamt jede dritte Frau in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Täglich erleben über 650 Menschen häusliche Gewalt. Nach Angaben der Polizei gab es im Jahr 2022 in Unterfranken 1389 erfasste Fälle häuslicher Gewalt, im Jahr zuvor waren es 1295 Fälle. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Die Protestaktion, die von der Gleichstellungsstelle und dem Schweinfurter Frauenplenum in Zusammenarbeit mit der Tanzschule Pelzer organisiert wurde, möchte "Bewusstsein schaffen" und "Solidarität zeigen", so Wunder.
Doch nur wenige Frauen würden juristisch gegen Gewalt vorgehen, verdeutlichte Alona Isheim vom Frauenhaus Schweinfurt. Der Grund: Die Verfahren seien "nicht opferschonend". Sie ruft dazu auf, den Blick auf Gewalt ausübende Partner zu richten. Daneben brauche es mehr Kinderambulanzen, Therapieplätze, eine anonyme Spurensuche, aber auch Anlaufstellen für Jungen, die Gewalt erfahren. Die Gesellschaft könne helfen, in dem jede und jeder hinschaue und nicht schweige. "Schweigen schützt die Täter", so Isheim.
Kämpferische Ansage auf dem Schweinfurter Marktplatz
Die Botschaft des Songs "Break the Chain" ist eine kämpferische Ansage, denn im Lied geht es darum, dass Frauen sich gegen Gewalt wehren. Das wurde auch bei den Körperbewegungen aufgegriffen. "Bei der Textstelle 'This is my body, my body is holy' (Das ist mein Körper, mein Körper ist heilig), streicheln wir einmal an unserem Körper entlang, um den Text zu vertanzen", sagte Tanzlehrerin Luise Räth von der Tanzschule Pelzer.
Gemeinsam mit einer Kollegin hatte sie an zwei Samstagen kostenlose Übungsstunden angeboten. Für Räth ist der Flashmob ein "kraftvolles und fröhliches Zeichen und zeigt, dass Frauen sich mit dem Thema nicht verstecken, sondern ganz offen auf die Straße gehen."
Anlaufstellen für Betroffene stellten sich vor
Ein Zeichen setzten, das wollten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. "Es ist wichtig, dass die Zeiten sich ändern und dass Männer und Frauen dieselben Rechte haben", sagte Tuana Cihan von der Schweinfurter Heroes Gruppe, die in Schulen Workshops zu den Themen Ehre, Gleichberechtigung und Menschenrechte durchführt. "Ich hoffe, mit dieser Demonstration ändert sich etwas."
Heroes-Projektleiterin Jenny Kahl betonte, dass die Aktion Aufmerksamkeit auf das Thema lenke. "Häusliche Gewalt passiert stillschweigend und den Schritt auf den Marktplatz zu machen und zu sagen 'Nein, wir wollen es thematisieren', ist der erste Schritt, um Stück für Stück daran zu arbeiten. Es waren auch viele Anlaufstellen da, die gezeigt haben, es gibt Hilfe für Betroffene."
Dass Frauen sich unterstützen und aufeinander achten, das wünscht sich auch Nadine Baumann, die mit ihrer Zumba-Gruppe am Flashmob teilnahm. Sie appellierte: "Es ist wichtig, mit offenen Ohren und Augen durchs Leben zu gehen und auch mal Situationen zu hinterfragen, auch wenn es unangenehm ist."