Mit zwei Anträgen möchte die CSU als stärkste Fraktion im Gerolzhöfer Stadtrat zwei schwelende Themen vorantreiben. Sie fordert zum einen mehr Tempo bei der Schaffung zusätzlicher Kindergartenplätze. Der zweite, weitreichendere Antrag betrifft das größte anstehende Projekt in Gerolzhofen: den Neubau der Grund- und Mittelschule. Hier fordert die siebenköpfige CSU-Fraktion ein komplettes Überdenken des Projekts, dessen Kosten jüngsten Schätzungen zufolge aus dem Ruder laufen könnten.
Dass die CSU beim Schulbau die Reißleine ziehen und das Riesenprojekt im Stadtrat komplett neu bewerten möchte, kommt nicht völlig überraschend. Immerhin hatte Bürgermeister Thorsten Wozniak, der selbst der CSU angehört, in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Interview mit dieser Redaktion vorgeschlagen, die beiden für die Grund- und Mittelschule verantwortlichen Schulverbände mögen das Vorhaben auf den Prüfstand stellen.
Nichtsdestotrotz birgt der Vorstoß der CSU-Fraktion Zündstoff. Denn dieser fordert nicht nur eine ergebnisoffene erneute Diskussion des Bauvorhabens. Auch die Standortfrage möchte die CSU überdenken und bringt das Umfeld des FC-Geländes in der Schallfelder Straße, am südlichen Stadtrand erneut ins Gespräch.
Unerklärliche Kostensteigerung: 300 Prozent in zwei Jahren
Fraktionssprecher Arnulf Koch begründet den sehr ausführlich formulierten Antrag der CSU zum Schulbau vor allem mit den erwarteten Kosten. Diese seien im Lauf von zwei Jahren um 300 Prozent gestiegen, "weit über der Inflation und weit über den sonstigen Kostensteigerungen", wie Koch meint. Ende 2021 standen ihm zufolge ermittelte Kosten von 15 Millionen Euro im Raum. Im Januar 2024 hätten die Stadtratsmitglieder einem Artikel dieser Redaktion entnommen, dass man von rund 60 Millionen Euro für einen Neubau der Schulen am aktuellen Standort ausgehen müsse.
Diesen neuen Kostenrahmen sowie Bedenken des Bauamtes gegen den Standort am Lülsfelder Weg habe der Stadtrat nicht von der Verwaltung erfahren, kritisiert Koch im Gespräch mit dieser Redaktion. "Auf solide Finanzen zu achten", sagt Koch, sei immer sein Hauptantrieb im Stadtrat. Mit Blick auf die erwarteten Kosten und die überdurchschnittlich hohe Verschuldungsquote der Stadt könne er die aktuell geltenden Beschlüsse zum Schulhausbau nicht mehr als seriös betrachten. "Wir leben über unsere Verhältnisse", stellt Koch fest.
Drohender Schuldendienst: Zinsen überstiegen freie Finanzspanne
Die CSU fordert in ihrem Antrag, dass dem Stadtrat "möglichst belastbare Kostenschätzungen für die aktuelle Schul-Planung sowie alternativer Planungen" vorgelegt werden, um entscheiden zu können, ob die Stadt sich das Projekt finanziell leisten kann.
Zum Hintergrund: Die Stadt Gerolzhofen teilt sich die Kosten für Grund- und Mittelschule mit den weiteren Mitgliedsgemeinden des Schulverbands. Nach Abzug erwarteter Zuschüsse muss Gerolzhofen dennoch annähernd die Hälfte der verbleibenden Kosten zahlen, was bei 60 Millionen Euro etwa 15 Millionen wären. Dies würde laut Kochs Rechnung der Stadt einen Schuldendienst von gut einer Million Euro pro Jahr aufbürden – mehr Geld, als die Stadt in manchen Jahren zum Ausgeben frei zur Verfügung hat.
Vier Varianten nennt der CSU-Antrag: a) die aktuelle Planung eines Neubaus am Lülsfelder Weg; b) den Neubau von Grund- und Mittelschule samt Turnhalle neben dem FC-Gelände, das ebenfalls für den Schulsport saniert wird; c) die Sanierung der bestehenden Schulen am Lülsfelder Weg gemäß wünschenswerter Anforderungen an Größe und Raumstruktur; d) die Minimalsanierung des Bestands auf Basis notwendigster Forderungen (etwa beim Brandschutz und Raumklima) und Erhalt der Grabenschule.
Container-Miete: Kosten in Höhe einer neuen Sporthalle
Laut Koch habe sich die CSU im Stadtrat stets für einen Neubau am Lülsfelder Weg ausgesprochen und damit den Wunsch der Schulleitungen unterstützt. Doch dies sei nach den neuesten Kostenschätzungen nicht mehr unvoreingenommen vertretbar. Auch müsse beispielsweise beachtet werden, dass die kalkulierte Miete für Container zur Unterbringung der Schülerinnen und Schüler während eines Neubaus am aktuellen Standort mit sechs bis neun Millionen Euro so viel koste wie ein der Neubau einer Sporthalle am FC-Gelände.
Der weitere Antrag der CSU betrifft die Schaffung neuer Kindergartenplätze. Weshalb seine Fraktion hier aktiv wird, obwohl der Bürgermeister noch im Februar die jüngst aufgekommene Möglichkeit, im früheren Butterwerk eine Kindertagesstätte (Kita) einzurichten, im Stadtrat behandeln möchte, begründet Koch wie folgt: Seine Fraktion sei verärgert, dass es trotz eines im April 2023 im Duktus größter Eile gefassten Stadtratsbeschlusses noch immer keine Planung, weder durch das Bauamt, noch durch ein beauftragtes Büro, vorliegt. "Es ist sehr wenig passiert, und viele Entscheidungen warten aufeinander und drehen sich im Kreis", begründet Koch den Antrag.
Ginge es nach seiner Fraktion, würde der Stadtrat seinen Beschluss, auf dem Geomaris-Gelände einen Kindergarten in Modul- bzw. Containerbauweise zu errichten, aufheben. Daraufhin stünden aus Sicht der CSU folgende Möglichkeiten für einen Kindergarten zur Auswahl: das Anmieten einer geeigneten Immobilie im Stadtgebiet oder das Errichten eines festen Bauwerks auf dem Geomaris-Gelände, oder an der Keltenstraße (Zufahrt zum Baugebiet am Nützelbach) oder im Baugebiet "Am TV-Platz". Für diese vier Möglichkeiten könnte der Stadtrat entweder belastbare Informationen für einen Vergleich einholen, oder sich direkt für eine der Möglichkeiten entscheiden.
Begrenzte Kapazitäten: Planung an externes Büro vergeben
Die Stadt sollte – weil der Verwaltung notwendige Kapazitäten fehlten – ein Planungsbüro beauftragen, die Prozesse zu steuern und eine grobe Kosten- und Zeitkalkulation für den Bau eines Kindergartengebäudes aufzustellen.
Auf Nachfrage dieser Redaktion, weshalb die naheliegende Möglichkeit einer Kita im früheren Butterwerk im Antrag der CSU nicht explizit auftaucht, erklärt Koch, dass der Ausgang des Antrags möglichst offen gehalten werden sollte.
Rein spekulativ dürfte dabei auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass mit Christoph Rosentritt einer der beiden Besitzer des früheren Butterwerks, die sich als Kita-Investoren anbieten, Mitglied der CSU-Fraktion ist. Hier möchte die CSU-Fraktion wohl keinen Verdacht auf mögliche Mauscheleien entstehen lassen.
Einen Vorteil hätte es auf jeden Fall, sollte ein privater Investor einen Kindergarten errichten und an die Stadt vermieten: Das Vorhaben dürfte deutlich schneller abgeschlossen sein als bei einem öffentlichen Bauträger. Dies liege vor allem an staatlichen Vorgaben zu Genehmigungsverfahren, moniert Koch.