Seit 2001 betreibt Christian Vogel die Kantine im Technischen Ämtergebäude Schweinfurt. Dort versorgt er nicht nur die Angestellten mit einem frischen Mittagessen sondern kocht auch für seine Firma "Pikanto". Mit ihr verpflegt er weitere betriebliche Kantinen und führt einen Party- und Cateringservice. Außerdem beliefert er Kindergärten, Kindertagesstätten und schulische Einrichtungen mit einer mittäglichen Mahlzeit. Das Geschäft läuft gut; das Auftragsbuch ist voll.
Trotzdem kündigte ihm die Bayerische Staatsregierung Mitte März diesen Jahres plötzlich den Pachtvertrag, weil die Kantine nicht mehr sanierungswürdig sei. In sechs Monaten müsse der Betriebsökonom und Küchenmeister die Räumlichkeit verlassen. Gleichzeitig hätte man ihm jedoch in Aussicht gestellt, im Juli noch einmal über eine mögliche Weiterführung zu sprechen.
"Mit der Kündigung ist mir der Boden unter den Füßen weggerissen worden, und ich habe noch lange gehofft, dass wir doch noch eine Lösung finden", erzählt Vogel. Im Juli dann jedoch die Ernüchterung: Die Kantine wird offiziell geschlossen. "Was man sich in 22 Jahren aufgebaut hat, kann man doch nicht in einem halben Jahr umstrukturieren", sagt der 64-Jährige verzweifelt. Genau das muss er jetzt aber versuchen.
Mit vielen seiner Kundinnen und Kunden pflegte Vogel ein freundschaftliches Verhältnis
Drei Mitarbeitern musste er kündigen; aktuell schmeißt er den Laden mit seiner Lebensgefährtin allein. Da er nicht wisse, wie lange "Pikanto" noch existieren wird, musste er alle Aufträge für das dritte Quartal 2023 und für 2024 sowie alle Rahmenverträge mit kommunalen und caritativen Einrichtungen stornieren. "Dadurch habe ich einen Schaden von circa 1,3 Millionen Euro. Wie soll ich das auffangen?", klagt er.
Solche Rahmenverträge könne man eigentlich nicht so einfach kündigen. "Wenn jemand knallhart ist, kann er auf die Einhaltung bestehen. Ich konnte nur aus Kulanz raus, weil ich meine Geschäftspartner schon jahrelang kenne", erzählt Vogel. Mit vielen von ihnen pflege er ein freundschaftliches Verhältnis, was die Situation zusätzlich erschwere: "Als ich eine Kundin und Freundin darüber informiert habe, sind uns beiden die Tränen gekommen."
In seiner aktuellen Kantine habe Vogel 19 sehr gute und schöne Jahre gehabt, was unter anderem an der offenen und guten Kommunikation mit den früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Ämter und den jeweiligen Amtsleitern gelegen habe. Das Verhältnis sei kameradschaftlich, manchmal sogar freundschaftlich gewesen. Um Fragen und Reparaturen wurde sich zeitnah gekümmert. Mit dem Wechsel in der Verwaltungsleitung 2019 habe sich das geändert.
Eine erneute Nutzung der Räumlichkeit als Kantine stehe nicht zur Diskussion
Seitdem sei das Verhältnis viel bürokratischer, ein Austausch finde vorrangig per E-Mail statt, und die Leitung interessiere sich immer weniger für die Kantine. "Wenn mal eine Lampe kaputt gegangen oder ein Gerät ausgefallen ist, wurde sich nicht mehr darum gekümmert." Selbst als die Kühlung ausfiel und Lebensmittel drohten schlecht zu werden, sei erst nach langem Bitten etwas passiert. Vogel hätte heute noch eine lange Liste an Reparaturen, die nicht gemacht wurden.
Auf Anfrage der Redaktion bestätigt das Bayerische Bauministerium einen deutlichen Anstieg an Anlagenausfällen, erforderlichen Reparaturen und technischen Defekten in den vergangenen Jahren, die den Kantinenbetrieb häufig kurzfristig eingeschränkt und zu Regressforderungen des Kantiniers gegenüber dem Staatlichen Bauamt geführt hätten. Die circa 35 Jahre alten Anlagen seien verbraucht, und die Ausstattung der Küche entspreche nicht mehr den aktuellen wirtschaftlichen Anforderungen.
"Eine fachliche Prüfung ergab, dass eine Generalsanierung der Küchen- und Haustechnik mit einem geschätzten Kostenvolumen von rund zwei Millionen Euro und einer dadurch bedingten Schließung der Kantine für circa ein Jahr zwingend erforderlich gewesen wäre", heißt es. Diesem umfangreichen Sanierungsbedarf stünde jedoch ein deutlicher Rückgang der Essensteilnehmer aus dem Haus gegenüber. Gründe dafür seien vermehrtes Homeoffice und höhere Essenspreise aufgrund der allgemein gestiegenen Lebensmittel- und Energiekosten.
"Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten untersucht, wie sich die Räumlichkeiten zu Verwaltungs- oder Besprechungsräumen umfunktionieren lassen." Eine endgültige Entscheidung stehe zwar noch aus, eine erneute Nutzung als Kantine sei jedoch keine Option.
Vogel hatte nicht das Gefühl, die Bayerische Staatsregierung hätte ernsthaftes Interesse am Fortbestand seiner Firma. Denn dann hätte man mit ihm ein offenes Gespräch darüber geführt, welche Probleme vorliegen, welche Schritte geplant sind und was ein realistischer Zeitraum zur Umstrukturierung seines Unternehmens wäre, anstatt ihm plötzlich zu kündigen.
Vielmehr habe er den Eindruck gehabt, dass die Kündigung bereits lange vor März beschlossen war und man Reparaturen gezielt nicht erledigt habe, um ihn so aus der Kantine zu drängen. "Ich sag's ganz ehrlich: Die letzten zweieinhalb Jahre waren reines Mobbing durch die Behörde."
Trotz Unterstützung von Stammgästen und Geschäftspartnern ist keine neue Lokalität in Sicht
Natürlich wisse er, dass die sechsmonatige Kündigungsfrist eingehalten wurde und somit alles rechtens ablief. Seiner Meinung nach habe das jedoch wenig mit Menschlichkeit zu tun. "Es tut verdammt weh, wie man nach so langer Zeit mit mir umgeht", sagt er. Und es mache ihn wütend: "Die Regierung sagt, wir müssen Ideen entwickeln, um die mittelständische Wirtschaft ohne Subventionen anzukurbeln. Warum riskiert sie dann in meinem Fall, dass ein gesundes Geschäft kaputt geht?"
Auch viele seiner Geschäftspartner und Stammgäste bedauerten die die Kündigung, bekundeten ihr Mitgefühl und starteten im Internet Aufrufe, bei der Suche nach einer neuen Lokalität zu helfen. Ihre Unterstützung spende Vogel großen Trost, auch wenn sie bisher erfolglos blieb. Zeitmangel und Objektgröße seien die größten Probleme.
"Allein die Lagerkapazität, die wir brauchen entspricht dem Industriestandard. Und das ist in Schweinfurt natürlich sehr gefragt. Außerdem brauchen wir eine entsprechend große Küche, um unsere Aufträge umsetzen zu können. Es ist unheimlich schwer, so etwas zu finden", erklärt er. Seit fünf Monaten ist er nun schon auf der Suche nach einer neuen Lokalität. Wie und ob es mit "Pikanto" weitergehen wird, wisse er aktuell nicht.
Bei Vermietung und Verpachtung bleibt immer ein Restrisiko.
Die Angestellten sind doch von dieser Kündigung genauso betroffen.
Und glauben Sie den Quatsch mit dem Fachkräftemangel wirklich? Unterm Strich werden nur junge Fachkräfte für wenig Gehalt überall gesucht.
Auch die Kolleginnen und Kollegen vom Kaufhof in SW erhielten nach z.T. mehr als 40jähriger Betriebszugehörigkeit die Kündigungen.
Es zählt nur noch Provit, der Mensch fällt hinten runter.
Sebastian Krämer hat das schön im Zackebuh thematisiert:
https://youtu.be/JYYrUU_p7z4?feature=shared
Jedem, der nur achselzuckend dasteht und sagt: selbst schuld, kann halt passieren, dem wünsche ich, dass er genau das Gleiche wie der Pächter der Kantine durchmachen muss. Egal ob der Pächter vorher etwas hätte, könnte oder was auch immer sollen!
Und um auf den Beitrag von Michael Fischer einzugehen: ich kenne die alten Zeiten mit CSU nicht, aber die Partei ist ziemlich egal: überall wird nur mit Wasser gekocht und es gibt überall eine hässliche Fratze. Nein, es gibt keine Alternativen, die wählbar wären. Keiner ist wirklich ehrlich, weil er sonst keine Stimmen bekommen würde…