Es ist ein Angebot, das immer stärker nachgefragt wird: Die Zahl sogenannter Coworking Spaces hat sich seit dem Jahr 2018 mehr als versechsfacht. Über 1800 derartiger Räume gibt es hierzulande, wie der Bundesverband BVCS in seiner jüngsten Umfrage ermittelt hat. Seit Herbst ist mit dem Kreativquartier ein solches Angebot auch in der Gerolzhöfer Altstadt vertreten.
Was steckt dahinter? Kurz gesagt, hier können Büroräume, Schreibtische, Internet und vieles mehr angemietet werden. Interessant ist das für Selbstständige, Pendler und alle, die kein geeignetes Homeoffice zu Hause haben. Geschäftsreisende und Firmenteams nutzen ebenfalls solche Stätten für mobiles Arbeiten oder Meetings.
Mietvertrag wäre im Juni ausgelaufen
Beliebt sind diese Einrichtungen vor allem in größeren Städten. Aber funktioniert dieses Konzept auch in einer Kleinstadt auf dem flachen Land? Lange hatte sich die Stadt Gerolzhofen darum bemüht, doch erst mit dem Kreativquartier aus Volkach kam langsam Schwung in die Sache. Im Oktober eröffnete das Coworking Space in der Spitalstraße 5.
Zunächst sollte das Projekt probeweise bis Jahresende 2023 laufen, dann wurde es bis Juni verlängert. Wenige Wochen vor Auslaufen des Mietvertrages gibt es nun gute Nachrichten aus dem Kreativquartier: "Wir sind glücklich, dass wir hier sind, und sehen positiv in die Zukunft", sagt Inhaberin Ellen Kimmel. Das heißt: Es geht definitiv weiter in Gerolzhofen.
Weit mehr als reines Coworking
Diese Art von "New Work", also neuen Arbeitsmöglichkeiten, wird nicht mehr weggehen. Davon ist Kimmel überzeugt. Schon allein deshalb, weil viele Firmen heutzutage immer mal wieder raus aus den eigenen vier Wänden wollen, um kreative Prozesse anzustoßen.
Das Konzept in Gerolzhofen steht auf mehreren Säulen. Denn Coworking Space "funktioniert auf dem Land anders als in der Stadt". Sie selbst hat im Obergeschoss ein Fotostudio zum Anmieten eingerichtet. Geplant sind zudem ein Podcast- und Video-Studio für mediale Produktionen.
Zugleich können Vereine die Räume temporär anmieten, was schon geschieht. Ellen Kimmel nennt es Quartiersarbeit für eine lebendige Innenstadt. Die Kreativquartier-Gründerin ist bereit, soziale und ehrenamtliche Angebote zu subventionieren. Konkret heißt das: Wer häufiger kommt, desto günstiger wird die Miete für Vereine. Jeder sei eingeladen, die Räume zu nutzen.
Tagungen und Seminare auf Laufbändern
Einer der ersten Dauermieter ist der Geo-Treff. Seit Januar nutzt der Helferkreis jeden Montagnachmittag die Räume im Erdgeschoss für Sprachkurse und als Anlaufstelle für Zuwanderer. Auch andere Institutionen, darunter der Bund Naturschutz und gerolzhofenAKTIV, waren bereits im Haus.
Ob Vereine oder Firmen, sie alle können das Kreativquartier und seine Infrastruktur zum Arbeiten, für Treffen, Workshops, Tagungen oder Verkaufsveranstaltungen anmieten. Dazu zählen Seminarräume, Schreibtische, Monitore, weiteres Equipment, Sofa- und Lounge-Bereiche, Kaffeemaschine und Getränkeservice. Zugleich möchten die Betreiber weitere "Benefits" anbieten – in Kooperation mit anderen Unternehmen. Gerade werden Fitness-Laufbänder präsentiert. "Wenn man zu uns kommt, kann man coole Sachen ausprobieren", so die Idee dahinter.
Fester Bestandteil seit Eröffnung ist Fabian Mahnke, der in die Organisation eingebunden ist. Zusätzlich betreibt er sein eigenes Unternehmen von hier aus, als Hauptmieter im Obergeschoss. Mit ihm soll der Bereich digitale Wissensvermittlung angekurbelt werden.
Experte für Künstliche Intelligenz im Haus
Mahnke ist Spezialist für Künstliche Intelligenz (KI). Er gestaltet damit Avatare für Unternehmen, schreibt Bücher mithilfe von KI. Nach eigenen Angaben hält er sogar einen Weltrekord: Im Metaverse, einer virtuellen Welt, hat er in nur 24 Stunden ein Buch geschrieben. In Zukunft, davon ist er überzeugt, "geht nichts mehr ohne KI". Dafür brauche es Menschen, die dieses Handwerk beherrschten.
Und hier kommen sein Unternehmen und das Kreativquartier ins Spiel. Einen Markt sehen Mahnke und Kimmel darin, wenn Fachkräfte und Spezialisten ihr besonderes Wissen, das in dieser Form nicht im Internet vorhanden sei, auf (digitales) Papier bringen möchten. Das macht dann die KI, die Video-Bücher generiert, die bei Bedarf abrufbar sind. Zielgruppen dafür sind zum Beispiel Führungskräfte oder Unternehmer, die Nachfolgern spezielle Firmeninformationen weitergeben möchten. Fabian Mahnke nennt es eine Art Visitenkarte.
Erstellt werden zudem KI-Onlinekurse, die bei internen Schulungen eingesetzt werden oder für Business-Trainer interessant sind. Alle Nutzer, erklärt Ellen Kimmel, erhalten auf diese Weise immer die gleichen, standardisierten Informationen.
Und wie sieht die digitale Zukunft aus? Dazu genügt laut Mahnke ein Blick in die USA: Dort gibt es bereits Verkaufsagenten auf Basis von Künstlicher Intelligenz sowie vollautomatisiert arbeitende Digitalkanäle im Internet. Das nehme "wahnsinnig Fahrt auf". Bis diese Trend-Welle zu uns über den großen Teich herüberschwappt, wird es seiner Ansicht nach allerdings noch etwas dauern.