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Würzburg
Würzburger Forscher: Wie Unternehmen Künstliche Intelligenz einsetzen und was das mit den Preisen macht
Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Der Würzburger Experte Frédéric Thiesse zeigt, wie sich die Technik zum Beispiel beim Einkaufen auswirken könnte.
Zahlen und Algorithmen über alles: Künstliche Intelligenz wird in der Wirtschaft quer durch alle Branchen eingesetzt (Symbolbild).
Foto: Getty Images | Zahlen und Algorithmen über alles: Künstliche Intelligenz wird in der Wirtschaft quer durch alle Branchen eingesetzt (Symbolbild).
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 18:12 Uhr

Sie ist das neue Gold der Digitalisierung geworden: Künstliche Intelligenz (KI) zieht in rasendem Tempo in die Wirtschaft ein. So sind auch viele Unternehmen in der Region damit konfrontiert.

An der Universität Würzburg erforscht der Wirtschaftsinformatiker Frédéric Thiesse den Einsatz von KI unter anderem im Handel und in der Logistik. Im Interview erklärt der 53-Jährige, wie Unternehmen KI verwenden (sollten), wie die Kundschaft das erkennt und was das im Ladenregal mit den Preisen macht.

Auch kleine Unternehmen können KI einsetzen – wenn sie sich dafür zusammentun: Wirtschaftsinformatiker Frédéric Thiesse von der Universität Würzburg.
Foto: Silvia Gralla | Auch kleine Unternehmen können KI einsetzen – wenn sie sich dafür zusammentun: Wirtschaftsinformatiker Frédéric Thiesse von der Universität Würzburg.
In welchen Bereichen des täglichen Lebens setzen Unternehmen in der Region jetzt schon Künstliche Intelligenz ein?

Frédéric Thiesse: Künstliche Intelligenz wird quer durch alle Branchen evaluiert und eingesetzt. Wir merken hier an der Universität, dass wir Anfragen von ganz verschiedenen Unternehmen bekommen, seien es produzierende oder Dienstleister oder Technologieanbieter. Derzeit sind viele dieser Unternehmen in einer Phase, in der sie prüfen, wo für sie KI-Anwendungsbereiche liegen, die nicht nur technisch, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sind.

Zum Beispiel beim Einkaufen: Woran erkennt die Kundschaft, dass ein Unternehmen KI verwendet?

Thiesse: Häufig gar nicht, weil KI unter der Oberfläche eingesetzt wird. Also in klassischen Bereichen wie Produktionsplanung, Lagerverwaltung oder Tourenplanung für Lkw. Das alles haben Unternehmen vor Jahrzehnten auch schon gemacht. Aber mit KI macht man das besser.

Werden die Waren eines Unternehmens teurer oder billiger, wenn es KI einsetzt?

Thiesse: Das hängt davon ab, wie ein Unternehmen strategisch mit KI umgeht. Natürlich kann man KI einsetzen, um effizienter zu werden. In der Logistik zum Beispiel, wo man die Anzahl der Produkte im Lager reduzieren und damit Kosten sparen kann. Das kann man dann übersetzen in eine höhere Marge, denn die Kosten sinken, aber die Preise bleiben gleich. Oder man gibt die Einsparungen weiter und verschafft sich einen Vorteil als Preisführer. Es gibt Unternehmen, die gehen mit KI in eine andere Richtung: Sie wollen nicht primär effizienter sein, sondern neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln.

"Man kann sich als produzierendes Unternehmen mit KI von den Wettbewerbern differenzieren."
Professor Frédéric Thiesse von der Uni Würzburg
Welche Beispiele in der Region gibt es dafür?

Thiesse: Da fällt mir Koenig & Bauer in Würzburg ein. Die haben schon vor Jahren ihre Druckmaschinen mit einer Software namens Kyana ausgestattet. Dort sitzt KI in der Druckmaschine und sammelt alle möglichen Sensordaten. Sie leitet daraus dann beispielsweise ab, wann die Maschine gewartet werden muss. Sie gibt den Kunden von Koenig & Bauer auch Ratschläge, wie man Druckprozesse optimieren kann. Diese Beispiele zeigen, dass man sich als produzierendes Unternehmen mit KI von den Wettbewerbern differenzieren und durch den so geschaffenen Mehrwert den Umsatz steigern kann.

Inwieweit kann KI den Preis der Waren direkt beeinflussen? Also zum Beispiel: Aus einem digital gesteuerten Regal entnehmen Kunden innerhalb einer gewissen Zeit auffallend viele Produkte. Es herrscht also rege Nachfrage. Nun könnte die KI ja den Preis spontan hochsetzen.

Thiesse: Das ist prinzipiell denkbar. Schon jetzt arbeiten immer mehr Händler nicht mehr mit traditionellen Preisetiketten, sondern mit sogenannten Electronic Shelf Labels, also digitalen Preisschildern. Dynamische Preise wären hier ein nächster Schritt: Dass der Händler zum Beispiel am Nachmittag mit KI die Geschäfte ankurbelt, indem er die Preise senkt. Oder sie anhebt, wenn plötzlich viele Leute da sind.

Wäre ein solcher Einsatz von KI auch für kleinere Unternehmen machbar, die beim Know-how und beim Etat nicht die große Wucht haben wie Konzerne? Ein Restaurant in der Region zum Beispiel, das seine Preise mit Hilfe von KI steuern will in Abhängigkeit von der Kundenfrequenz?

Thiesse: Theoretisch ja. Doch hier stellt sich die Frage: Ist das noch Künstliche Intelligenz? Denn KI bringt mit sich, dass man mit großen Mengen an Daten arbeitet. So viele Daten wird ein einzelnes Restaurant schwerlich sammeln können. Dieses Restaurant könnte natürlich auch Preise dynamisch anpassen – aber eher aus dem Bauch heraus. Das ist dann nicht datengetrieben.

Mainfrankens Wirtschaft wird geprägt vom Mittelstand, also von eher kleinen Betrieben. Wenn die diese Antwort hören, könnte die Meinung entstehen: KI ist nichts für den Mittelstand, weil er zu klein ist.

Thiesse: Es ist in der Tat ein Riesenthema, dass eventuell zu wenig Daten für KI vorliegen. Andererseits gibt es KI-Methoden, bei denen sich kleine und mittelgroße Unternehmen zu Konsortien zusammentun, um ihre Daten in einen Topf zu werfen und um für eine bestimmte Anwendung gemeinsam eine KI zu entwickeln. Natürlich ist dann eine Herausforderung, dass nicht das eine Unternehmen in sensitive Daten des anderen Unternehmens hineinschauen kann.

"Handwerk oder Pflege zum Beispiel werden kaum betroffen sein."
Frédéric Thiesse über den Einsatz von KI in diversen Wirtschaftszweigen
Spricht man über KI, spricht man oft auch über die Angst, dass sie Arbeitsplätze vernichtet. Wie sehen Sie das?

Thiesse: Wir wissen es noch nicht. Es ist ein Forschungsthema. Es gibt Studien, die aber extrem schnell veralten. Die Daten von dem, was in letzter Zeit veröffentlicht wurde, stammt oft noch aus der Zeit vor ChatGPT. Diese Studien können Sie im Grunde wegwerfen. Welchen Effekt KI auf den Arbeitsmarkt haben wird, hängt zunächst davon ab, welche Tätigkeiten überhaupt betroffen sein werden. Handwerk oder Pflege zum Beispiel werden kaum betroffen sein. Weiterhin bleibt das physische Arbeit, die keine KI übernimmt – im Gegensatz zu klassischen Bürotätigkeiten oder auch kreativer Arbeit wie etwa Musikproduktion oder Bildgestaltung. Dann stellt sich die Frage, wie KI eingesetzt wird. Man denkt da gerne, dass KI ganze Jobs wegautomatisieren wird. Dafür gibt es aber kaum Beispiele. Übersetzer vielleicht, deren Job sich für Automatisierung durch KI anbietet.

Wohin geht der Trend?

Thiesse: Er geht in Richtung Assistenz. Dass Menschen also punktuell produktiver arbeiten, weil sie von einer KI unterstützt werden. Hier liegt gerade für Deutschland das große Potenzial, wenn KI mit traditionellen Stärken kombiniert wird – also im Maschinenbau, Automotive, Medizintechnik und so weiter.

Wissen die Unternehmerinnen und Unternehmer immer, was KI bedeutet und welche Tragweite sie hat?

Thiesse: Nein. KI wird in den Gesprächen häufig gleichgesetzt mit traditioneller Statistik oder einer herkömmlichen Software-Anwendung. Was die Tragweite von KI für das Geschäft angeht: Das überblickt niemand wirklich. Auch wir in der Forschung noch nicht.

Ein mittelständischer Unternehmer aus der Region tritt vor Sie hin und sagt: Herr Thiesse, KI ist nichts für mich, das brauche ich nicht. Was antworten Sie?

Thiesse: Ich bin ja ein älteres Semester – und diesen Spruch habe ich schon tausendfach in Bezug auf Digitalisierung gehört. Viele Firmen, aus denen solche Aussagen kamen, gibt es nicht mehr.

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Info-Abend zu Künstlicher Intelligenz

Wirtschaft trifft Wissenschaft: Unter diesem Titel steht ein öffentlicher Infoabend am Donnerstag, 18. April, an der Universität Würzburg (Sanderring 2). Es geht um die Frage, wie regionale Unternehmen von Künstlicher Intelligenz profitieren können. Anmeldungen unter www.wuerzburg.ihk.de
Der Info-Abend wird von der Uni zusammen mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt ausgerichtet. Uni-Professor Richard Pibernik vom Lehrstuhl für Logistik wird über Künstliche Intelligenz in der Region sprechen. Die Rolle mittelständischer Unternehmen im KI-Zeitalter ist das Thema von Sebastian Kohrmann, Vorstandsvorsitzender der Edeka-Zentrale für Nordbayern, Sachsen und Thüringen in Rottendorf bei Würzburg. Franz Seubert spricht als Gründer und Chef der Planer AI GmbH in Würzburg über die Synergie zwischen Start-ups und mittelständischen Unternehmen. Die abschließende Diskussionsrunde wird moderiert von Main-Post-Chefredakteur Ivo Knahn.
aug
 
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Kommentare
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  • Robert Hippeli
    Wer sich im Alltag heute schon umsieht und bei den Unternehmen aktuelle Organisationsänderungen durch KI und Digitalisierung und die damit verbunden Stellenfreisetzungen ansieht, wird feststellen, dass durch KI bzw. Digitalisierung Arbeitsplätze ersetzt werden! Das ist das Ziel und ist Fakt.

    Das die Vorstellung aufgeht, dass durch KI "im Großen Ganzen" neue Arbeitsplätze entstehen, kann man meines Erachtens auch jetzt schon im Niedriglohn-Segment auch ausschließen.

    Dies wiederum bedeutet, dass auf breiter Basis Zahler in die Staatskasse und die Sozialkassen ausfallen, während der Anteil der Sozialkassenempfänger weiter steigen wird.

    Wo bleiben die Wissenschaftler, Politiker und Gewerkschafter, die heute schon die Weichen dafür stellen, damit der Einsatz von KI und Digitalisierung bei gleichzeitigen Abbau von Arbeitsplätzen versteuert werden muss und Sozialabgaben dafür abgeführt werden müssen?

    Also wer zahlt künftig die Zeche?
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  • Jürgen Huller
    Ihre Feststellung im ersten Abschnitt teile ich zwar.

    Allerdings ist mir Ihre Einschätzung zu einseitig. Sie sehen nur die negativen Aspekte und lassen die positiven außen vor. Warum?

    So verspricht man sich z.B. im Gesundheitswesen enorme Einsparungen bei der Therapie durch KI gestützte Früherkennung. Hier geht es um viele Mrd. Euro. Solche Dinge belasten nicht die Sozialkassen, sondern entlasten sie.

    Fertigungsoptimierung und -rationalisierung ist auch nichts Neues, sondern war und ist elementarer Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Automatisierung und Rationalisierung sind die Quellen unseres Wohlstandes!

    Unternehmen erwirtschaften damit Gewinn und Wachstum, der in neue Produkte und Märkte investiert wird. Dort entstehen neue Arbeitsplätze. Bei den bisherigen Produkten fallen Arbeitsplätze weg. So erneuert sich unser System kontinuierlich.

    Hier den Ist-Zustand einzufrieren, wäre für unsere Wirtschaft fatal und kostet unsere Wettbewerbsfähigkeit.
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  • Robert Hippeli
    .....Fertigungsoptimierung und -rationalisierung ist auch nichts Neues, sondern war und ist elementarer Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Automatisierung und Rationalisierung sind die Quellen unseres Wohlstandes!...

    47 Berufsjahre lehrten mich: Optimierungen sind die Quelle der Investoren und Aktionäre.
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  • Dietmar Eberth
    Nicht verrückt machen lassen. Vor über 10 Jahren wurde schon mit dem Begriff "Industrie 4.0" der Abbau von Arbeitsplätzen vorhergesagt.

    Alter Wein in neuen Schläuchen: KI
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