
Mit harten Bandagen wird jetzt um Pflegepersonal gekämpft. Am Freitagmittag stand vor dem AWO-Pflegeheim in Schwebheim ein Firmenfahrzeug des Schweinfurter Domicil-Seniorenheimes, dessen Scheiben ringsum mit Stellenanzeigen für Pflegepersonal zugeklebt waren. Das knallrote Auto war so geparkt, dass AWO-Beschäftigte beim Verlassen des Firmenparkplatzes unweigerlich daran vorbei mussten und auf die Stellenanzeigen aufmerksam wurden.
"Wir sind entsetzt und schockiert, mit welch' massiver Mitarbeiterabwerbung Domicil hier vorgeht", empört sich AWO-Heimleiterin Monika Müller über die "dreiste Aktion". Da das Fahrzeug auf öffentlichem Grund stand, hatte sie aber keine Handhabe, dagegen vorzugehen. Deshalb wollte sie ihre Kollegin im Domicil-Seniorenheim in der Theresienstraße, zu dessen Fuhrpark das Auto gehört, zur Rede zu stellen. Die Leiterin hatte sich aber schon ins Wochenende verabschiedet. Man vertröstete Monika Müller auf Montag.

Die AWO-Heimleiterin schaltete daraufhin den Heimbeirat ein. Vorsitzender Hans Fischer, Altbürgermeister von Schwebheim, wurde bei seiner telefonischen Nachfrage im Schweinfurter Domicil aber ebenfalls abgewiesen. Die Abwerbeaktion des Trägers, sei "an Dreistigkeit nicht zu überbieten". Eine "billige, plumpe und primitive Art", Mitarbeitende zu rekrutieren, sagt Fischer.
AWO-Heimleitung verurteilt Vorgehensweise von Domicil
AWO-Heimleiterin Monika Müller verurteilt das Vorgehen von Domicil scharf. Die Pflegesituation sei schon herausfordernd genug, als dass man sich gegenseitig auch noch solche Konkurrenzkämpfe liefern müsse. "Auch wir müssen uns tagtäglich mit dem Thema Pflegekräftemangel auseinandersetzen und würden nie zu solchen Mitteln greifen."
Die AWO-Unterfranken sei ein seriöser Verband, der seine Personalakquise legitim betreibe, sagt Monika Müller. So werde sehr viel Geld und Zeit investiert, um zum Beispiel ausländische Pflegekräfte nach Deutschland zu holen, diese hier zu integrieren und ihnen zu helfen, ein Leben hier aufzubauen. Auch Heimbeiratsvorsitzender Hans Fischer war schon bei der Personalsuche im Ausland dabei. "Wir sollten eher zusammenhalten als gegeneinander arbeiten", meint Heimleiterin Monika Müller angesichts des Pflegenotstands.

Gesucht wird bei Domicil Personal für die verschiedensten Bereiche. An den Autoscheiben hingen Stellengesuche sowohl für Pflegefachkräfte als auch Betreuungskräfte für die Soziale Betreuung. Auf dem Armaturenbrett lagen weitere Stellenanzeigen, darunter eine Leitungsstelle für die Soziale Betreuung. Auf allen Anzeigen waren gut leserlich Telefonnummer und E-Mail-Adresse abgedruckt, wo man seine Bewerbung abgeben kann.
"Ich arbeite seit 20 Jahren in der Pflege, so etwas habe ich noch nicht erlebt", ist auch Pflegedienstleiterin Katja Eckert "schockiert" über die "provokante und unfaire Abwerbeaktion". Dabei habe man vor kurzem erst drei Pflegekräfte, die aus Schweinfurt kommen und künftig in Wohnortnähe arbeiten wollen, mit einem Auflösungsvertrag den problemlosen Wechsel zu Domicil ermöglicht. Dass nun mit solchen Mitteln gearbeitet werde, darüber sei das ganze AWO-Personal entsetzt.
Gegenüber dieser Redaktion wollte Domicil anfänglich keine Stellungnahme zu dem Vorgehen abgeben. Die kommissarische Heimleiterin Malahat Dinkelmann teilte nach Rücksprache mit ihrer Geschäftsführung schließlich mit, dass sie die Abholung des Wagens vor dem AWO-Seniorenheim in Schwebheim veranlasst habe. Für die "Unannehmlichkeiten und Irritationen" entschuldige sie sich. Man habe keinen Ärger machen wollen. Im Nachsatz verwies sie darauf, dass es legitim sei, "dass wir abwerben".
die Anzahl der Fachkräfte, die bei bester Ausbildung und jeder Menge Erfahrung für 450,- € im Monat auch noch pro Tag zwei Schichten arbeiten wollen, ist nun mal sehr begrenzt... und wenn jedes Konkurrenzunternehmen vor irgendeiner Firma drei mit Stellenanzeigen vollgepflasterte Autos hinstellt...
Und jetzt wieder die Sache mit dem Bürgergeld, das die Leute nur dazu verführen soll, sich in die soziale Hängematte zu legen statt sich für ein paar Euro mehr abzurackern - tja, wer Fachkräfte will, soll sie vernünftig bezahlen und behandeln, dann klappt das auch, ansonsten braucht sich mMn niemand über irgendwas zu wundern.
Lieber im Bürgergeld chillen, als sich täglich ausnützen und verbiegen lassen.
Ich sehe die Aktion von Domizil als ein "Foulspiel" an.
Zumal die Angestellten aller Pflege- und Altenheim sich doch eigentlich bewusst sind, dass sie sich ihren Arbeitgeber aufgrund des Mangels an Arbeitskräften aussuchen können!
Halten die Betreiber der Heime (sowohl AWO als auch Domizil) ihre Pflegekräfte für so blöd, dass sie das nicht sowieso wissen? Da braucht es kein "Werbeauto" vor dem Mitbewerber aber auch keine Angst vor Abwerbung!
Viel schlimmer ist doch eigentlich die Abwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, oftmals aus dem globalen Süden. Dort gibt es wenige ausgebildete Fachkräfte. Die jeweiligen Staaten stecken oftmals eine Menge Geld in diese Ausbildung. Und dann kommen Industriestaaten und werben die wenigen Fachkräfte ab; auf der anderen Seite wird diesen Ländern dann Entwicklungshilfe gezahlt - genau das ist asozial!
die Arbeitsbedingungen schlecht sind, da nützt das ganze Geld nichts, wenn die körperliche und seelische Kraft ausgebeutet wird und b) es kann davon ausgegangen werden, dass die Betreuung der Bewohner mitunter nicht mehr gewährleistet ist. Ich sehe die Aktion als Hilferuf des Domicils. Klar ist, Hilfe ist nicht mehr in Sicht
Wieso sollte ein privater Arbeitgeber dann nicht auch Fachkräfte von anderen holen dürfen?
In den sozialen Berufen war das vielleicht bisher noch nicht üblich, aber: Willkommen im realen Wettbewerb!
Ein Arbeitgeber, der gute Bedingungen bietet, braucht sowas nicht zu fürchten, denn niemand wechselt leichtfertig den Arbeitgeber, wenn da nicht was im Argen liegt...
Ich denke, die AWO kann davon ausgehen, dass ihre Arbeitnehmer durchaus in der Lage sind, sich den für den Einzelnen besser passenden Arbeitgeber auszusuchen.
Von ein bisschen Werbung auf einem Auto wird wohl kaum jemand dazu gebracht werden den Arbeitsplatz zu wechseln - außer er hat mit der Idee sowieso schon geliebäugelt.