
Es war ein schöner Sommertag, blauer Himmel, Sonnenschein. Am 17. August 1943 deutete am Vormittag, so erinnern sich Zeitzeugen, nichts darauf hin, dass auf Schweinfurt eine Katastrophe zukommen wird. Das Leben der Schweinfurter Bevölkerung im von den Nationalsozialisten entfesselten Zweiten Weltkrieg änderte sich um 15.56 Uhr an diesem 17. August vor 80 Jahren schlagartig: 24 Minuten später endete der erste von insgesamt 22 Luftangriffen auf die Stadt. Nichts war mehr wie vorher.
230 Bomber vom Typ Boeing B-17 mit dem Spitznamen "Fliegende Festung" hatten zum ersten Mal die Stadt angegriffen, 1200 Sprengbomben, 1800 Flüssigkeitsbrandbomben und eine Minenbombe abgeworfen. Ziel: die kriegswichtige Kugellagerindustrie, unter anderem die Firmen Sachs und Kugelfischer.
Um 15.44 Uhr, so ist es historischen Aufzeichnungen zu entnehmen, überflogen die Bomber Gemünden. In Schweinfurt wurde daraufhin Fliegeralarm ausgelöst, die Bewohner flüchteten in die Luftschutz-Bunker, die mehreren Tausend Zwangsarbeiter in der Großindustrie mussten dagegen draußen irgendwie Schutz suchen.
Unbekanntes US-Army-Foto von der ersten Bombardierung Schweinfurts
Aufgrund der großen Zerstörungen durch die insgesamt 22 Bombardierungen zwischen dem 17. August 1943 und dem 10. April 1945 in Schweinfurt spricht man auch vom dritten Stadtverderben. Im Zusammenhang mit der Bombardierung am 17. August 1943 ist nun auch ein bisher unbekanntes Foto der US Army, aufgenommen aus einem Flugzeug, aufgetaucht.

Der gebürtige Rannunger Guido Morber hat es auf einer Auktionsplattform im Internet ersteigert und der Redaktion zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Zu sehen ist eine bisher unbekannte Perspektive: Im Vordergrund unter anderem Rannungen, Bad Kissingen oder der Brönnhof, im Hintergrund umhüllt von einer Rauchwolke Schweinfurt sowie eine Reihe von Flugzeugen. Auf dem Foto ist das Datum 17. August 1943 und der Name Schweinfurt notiert, es stammt von der US Air Force. Ob der Rauch rund um Schweinfurt von der Bombardierung stammt oder von der vorhergehenden Vernebelungsaktion der Flak-Einheiten rund um Schweinfurt, ist unklar.
Industrieanlagen wurden kaum getroffen, aber die Innenstadt
Nach der Bombardierung brannte es nicht nur im Bereich der Fabriken, sondern in der ganzen Stadt. Offiziell gab es am 17. August 1943 203 tote Zivilisten, weitere 60 Tote in der Kaserne an der Niederwerrner Straße und sechs Todesopfer in Sennfeld, das ebenfalls betroffen war. 36 amerikanische Flugzeuge wurden abgeschossen, 68 amerikanische Besatzungsmitglieder kamen ums Leben, 248 gerieten in deutsche Gefangenschaft.
Schweinfurt als Ziel im Luftkrieg über Nazi-Deutschland war für die Alliierten naheliegend. Die kriegswichtige Wälzlagerindustrie mit FAG Kugelfischer, Fichtel und Sachs oder VKF produzierten Kugellager, aber auch Munition. Alleine in einem Flugzeug wie der Ju 88 waren 1070 unterschiedliche Kugellager verbaut. Ob Flugzeuge, Panzer, Schiffe, U-Boote, Lastwagen, Artillerie oder Waffen – die Kugellager der Schweinfurter Großindustrie brauchten die Nazis überall.

Produziert wurden diese insbesondere durch mehrere Tausend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Deren erschütternde Schicksale hat die Schweinfurter Initiative gegen das Vergessen mit ihrem verstorbenen früheren Sprecher Klaus Hofmann ausführlich dokumentiert.
Die erste Bombardierung war für die Bevölkerung in der Stadt nicht nur ein Schock, es bedeutete auch die Flucht aus Schweinfurt. 1940 lebten 48.060 Menschen in der Stadt, 1945 nur noch 23.548, die meisten waren aufs Land geflüchtet. Insgesamt starben bis April 1945 laut den offiziellen Statistiken 1079 Menschen bei den Angriffen, darunter 360 Ausländer, meist Zwangsarbeiter.

Der Angriff im Sommer 1943 war nicht so effektiv wie von den Alliierten erhofft. Nur knapp zehn Prozent der 954 auf die Fabriken abgeworfenen Sprengbomben trafen. Dafür gab es in der Innenstadt schwere Schäden: 150 Gebäude komplett zerstört, 1000 leicht oder schwer beschädigt. Die Firmen hatten schon zuvor einen Großteil der Produktion und Verwaltung an andere Standorte in ganz Franken ausgelagert, trotz Einschränkungen wurde während des gesamten Kriegs produziert.
Die Erinnerung an die Angriffe auf Schweinfurt lebt bei den Betroffenen nach wie vor. Und ist am Spitalseebunker mit einem Mahnmal, das 1998 aufgestellt wurde, verbunden. Dort wird den Männern, Frauen und Kindern sowie den Angehörigen der 8. US-Luftflotte und der deutschen Luftwaffe, die bei den Angriffen zwischen 1943 und 1945 zu Tode kamen, gedacht. Im Herbst plant das Stadtarchiv auch eine neue Ausstellung zu dem Thema.