Der Name des Zielorts war nur notdürftig verschleiert. Hambrucken, „Schinkenbrücken“, lautete das Pseudonym für Schweinfurt, im Luftkriegs-Roman „12 o'clock high“. 1949 wurden die Erinnerungen zweier Veteranen verfilmt, mit Gregory Peck als standhaften Kommandeur auf Feindflug: ein Klassiker der amerikanischen Filmgeschichte. Gemeint war die „Operation Double Strike“ vom 17. August 1943, bei der neben der Kugellagerstadt die Messerschmittwerke in Regensburg getroffen werden sollten: im Buch Bonhofen genannt.
Um 15.56 Uhr am Nachmittag des 17. August 1943 startete der Angriff auf Schweinfurt, es war der Auftakt für insgesamt 22 Bombardierungen Schweinfurts im Zweiten Weltkrieg. Der letzte Angriff war am 10. April 1945.
Da war Dieter Horn eindreiviertel Jahre alt. „Mir sind heute noch Sirenen unangenehm“, sagt Horn, der in Unfinden bei Königsberg lebt. Sein Leben ist untrennbar mit dem ersten Luftangriff auf die Stadt verbunden: Er wurde an diesem Sommertag geboren, vor 75 Jahren, im „Hochbunker A8“ in Oberndorf.
Vater Hugo Horn war gelernter Kaufmann, im Krieg diente er bei dem in Schweinfurt stationierten Panzerregiment. Mutter Lotte war Flakhelferin. An der Ostfront erfuhr Hugo Horn im Sommer 1943, dass er Vater werden würde, er erhielt Heimaturlaub. Am 17. August kam es dann zum schicksalhaften Zusammentreffen am Fichtel- und Sachs-Bunker.
Der Vater versteckte sich in Unterführung
Als die Geburt nahte, wurde Luftalarm gegeben. „Die Menschen haben gewusst, was auf sie zukommt“, sagt Horn: „Das Erste war der gepackte Koffer mit den wichtigsten Papieren, Kleidung, und so weiter.“ Im Bunker selbst soll es während des Bombenhagels eher ruhig zugegangen sein, weiß er aus Erzählung seiner Mutter, selbst wenn bei Einschlägen Staub von der Decke gefallen sei: „Man hat sich sicher gefühlt.“ Die Leute hätten ihr Schicksal ohnehin hinnehmen müssen.
In welchem Raum genau Dieter Horn das Licht der Welt erblickt hat, weiß er nicht mehr, womöglich in Zelle 23. Der Vater schaffte es nicht mehr rechtzeitig zur werdenden Mutter: „Wenn die Bunkertür zu war, war sie zu.“ In einer Unterführung inmitten der Oberndorfer Kleingartenanlagen harrte der Fronturlauber aus, während Schweinfurt brannte.
Erst nach überstandenem Luftangriff konnte er Frau und neugeborenen Sohn glücklich in die Arme nehmen. Eine Zeit lang war die ausgebombte Familie im nahen Saalbau Götz untergebracht. Als das Café zerstört wurde, ging es in die Haßberge. Nach dem Krieg war der Unfindener nur noch einmal am Ort seiner Geburt, in der Ernst-Sachs-Straße 73: Zusammen mit seinem Onkel, einem Elektrotechniker, hat er dort Leitungen verlegt. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein kleines Wunder mitten im Zweiten Weltkrieg, an ein Leben, das nach einem Tag voller Leid, Tod und Zerstörung weiterging. Oder, wie im Fall von Dieter Horn, überhaupt erst begonnen hat.