Am Himmelfahrtstag 1923 ging für die evangelischen Christen in Gerolzhofen ein langgehegter Wunsch in Erfüllung: Sie durften an jenem Mai-Tag ihr neues Gotteshaus einweihen. Genau 100 Jahre später feierte die Kirchengemeinde der Erlöserkirche dieses Jubiläum mit einem festlichen Gottesdienst und einem ökumenischen Gemeindefest.
Eine vollbesetzte Kirche und ein sonniger Frühlingstag, schöner hätte die Gemeinde sich die Rahmenbedingungen für ihre Feierlichkeiten nicht wünschen können. Derart sonnig war der Start für das neue Gotteshaus vor einem Jahrhundert keineswegs. An schwerste Not und zahlreiche Widrigkeiten erinnerten einige Festredner in ihren Ansprachen.
Immer noch die selben Mauern und die selbe Botschaft
Pfarrer Reiner Apel hatte in seiner Begrüßung der nicht einfachen Umstände gedacht. So war der Kirchenneubau bei der Einweihung am 10. Mai 1923 noch gar nicht fertig. "Keine Kanzel, keine Orgel, keinen Taufstein gab es, aber immerhin eine Glocke und dazu eine Gemeinde, die mutig gewesen ist", so Apel. Auch wenn die Kirche beim Umbau 2010/11 ein neues Gesicht erhalten habe, seien es doch immer noch die selben Mauern und die selbe Botschaft geblieben.
Regionalbischöfin Gisela Bornowski hatte für ihre Festpredigt einen Vers aus dem Johannes-Evangelium (4, 19-26) gewählt, der bereits bei der Kircheneinweihung als Predigtwort gedient hatte. Sie sprach damit eine weitere Schwierigkeit der damaligen Zeit an. Die Protestanten seien den Vorbehalten und der Skepsis der katholischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt gewesen. Am Einweihungstag selber sei es sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen, sagte Bornowski. "Die Leute fragten: mit welchem Recht trefft ihr euch in eigenen Gottesdiensten, wollt sogar eine eigene Kirche bauen, während doch die wahren Gläubigen sich schon immer in der Stadtpfarrkirche versammelten?"
Bornowski: "Herausforderungen können wir nur miteinander bewältigen"
Nicht das Gebäude, das Gotteshaus ist entscheidend für die Anbetung. "Da, wo sich ein geistiger, spiritueller Raum eröffnet, da ist Gott gegenwärtig." Das könne auch bei einem Spaziergang, am Mittagstisch, im stillen Kämmerlein oder eben im Gottesdienst sein, glaubt Gisela Bornowski.
Umso mehr freue sie sich über das gute ökumenische Miteinander in Gerolzhofen. "Die Zukunft unserer Kirchen muss eine ökumenische sein. Die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft können wir nur miteinander bewältigen", sagte sie. Dies bedeute keinesfalls Gleichmacherei, denn jede Konfession habe ihr eigenes Gepräge. Aber man könne einander bereichern in Verschiedenheit.
Das Gebet gehöre "nicht den Evangelischen und nicht den Katholischen, es gehöre nicht den besonders Frommen oder Anständigen", sondern "jedem, der es braucht", sagte Bornowski. Beim anschließenden Festempfang betonte die Regionalbischöfin, eine "lebendige Kirche zeichnet sich dadurch aus, dass sie beweglich bleibt".
Viele Dankesworte waren beim Festgottesdienst, den Günther Klöss-Schuster, Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanats Castell, leitete, und beim anschließenden Empfang mit einer Bläsermatinee zu vernehmen. "Dankbar und froh sind wir heute für deine Kirche", sagte Klöss-Schuster.
Die einzige Konstante in 100 Jahren ist die Veränderung
Neben der Regionalbischöfin überbrachten Landrat Florian Töpper und Bürgermeister Thorsten Wozniak der Kirchengemeinde ihre Glückwünsche. Töpper zeigte sich beeindruckt davon, wie gut die Ökumene hier funktioniere. Ausdrücklich dankte er Pfarrer Apel und der Kirchengemeinde auch für ihr großes Engagement in der Flüchtlingshilfe.
Wozniak betonte, dass man in der Kirche insbesondere Gemeinschaft erleben könne, denn die Türen stehen nahezu immer offen. Er wünschte der Erlöserkirche, dass sie Symbol für das friedliche Miteinander und Ort der Begegnung bleibe.
Zu Wort kamen auch die früheren Pfarrer Jean-Pierre Barraud (2007-2014) und Holger Bischof (1990-2006). Bischof lobte die lebendige Gemeindearbeit und intensive Ökumene. Die Reformation, also die Wiederherstellung und Erneuerung, ist für Barraud ein wichtiger Aspekt, weshalb für ihn der Umbau positiv in Erinnerung bleibt. "Die Kirche kann und muss sich verändern", sagte er in seinem Grußwort.
Die Erlöserkirche sei eine alte Dame geworden, die mit dem Umbau eine Frischzellenkur erhalten habe, sagte Pfarrer Stefan Mai von der katholischen Pfarreiengemeinschaft "St. Franziskus am Steigerwald". Die Frage, ob sie noch Charme ausstrahle, beantwortete er in Anlehnung an ein Zitat von Albert Schweitzer mit den Worten: "Du bist so jung wie dein Selbstvertrauen, so jung wie deine Hoffnung."
Eintrag ins restaurierte Goldene Buch der Stadt
Musikalischer Höhepunkt des Festgottesdienstes war die Uraufführung der Kantate "Ich lobe dich von ganzer Seele" mit dem evangelischen Chor und Posaunenchor, die Reiner Gaar komponiert hat.
Nach dem Gottesdienst durften die Ehrengäste sich in das Goldene Buch der Stadt eintragen. Es waren die ersten Unterschriften in dem restaurierten Buch. Danach besuchten sie die Jubiläumsausstellung im Alten Rathaus. Am Nachmittag feierte die Erlöserkirche ein ökumenisches Gemeindefest. Mit Kinderspielen, musikalischen Darbietungen und Gesprächen klang der Festtag langsam aus.