Wohin geht die Reise für die evangelische Kirche in Gerolzhofen? Um diese Frage dreht sich ein Gespräch mit Verantwortlichen der Erlöserkirche. Aus Anlass der Einweihung des Gotteshauses vor 100 Jahren sprechen Pfarrer Reiner Apel und die Kirchenvorstand-Mitgliederinnen Brigitte Vogt und Sabine Ditterich über die Zukunft und Herausforderungen ihrer Kirchengemeinde.
Für Pfarrer Apel steht fest: "Ein Jubiläum ist nicht nur Rückschau, sondern auch Selbstvergewisserung, wo wir herkommen und wo wir hinwollen." Besonders beeindruckend aus der Anfangszeit ist für ihn der Mut der Gründerväter, die unter schwierigsten Bedingungen, inmitten von Not und Krisen wie etwa die Hyperinflation, das auch finanziell schwierige Vorhaben weiterverfolgt und schließlich umgesetzt hätten.
Mit Mut die Gegenwart und Zukunft der Kirchengemeinde gestalten
Nicht nur er sieht Parallelen zur Neuzeit, insbesondere im Hinblick auf die vielen Herausforderungen, mit denen sich die christlichen Kirchen konfrontiert sehen: Mitgliederschwund, Kirchenaustritte, Pfarrermangel, weniger Geld, Zusammenlegungen von Pfarreien, zunehmende Kritik am System Kirche sowie verschiedene Skandale. Brigitte Vogt erinnert es ein wenig an die ersten Männer der Gemeinde, die manchmal dachten, es gehe nicht mehr weiter. "Wir haben jetzt auch den Mut, einfach weiterzumachen und zu versuchen, uns in der Gegenwart zu entwickeln", sagt die stellvertretende Vertrauensfrau im Kirchenvorstand.
Sie selbst sei durch den Umbau der Kirche vor über zehn Jahren erst auf die Idee gekommen, sich in der Gemeinde einzubringen. Wie auch ihre Kollegin Sabine Ditterich war sie sofort begeistert von dem Projekt. Der Kirchenraum sei moderner, könne flexibel gestaltet und bestuhlt werden, nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Theater, Konzerte oder Kino. "Einfach zukunftsfähig", nennt es Ditterich.
Auch Pfarrer Apel ist überzeugt, dass die Erlöserkirche dadurch neue Impulse erhalten hat. "Das ist ein großer Gewinn", glaubt er. Gleichwohl wissen alle Drei, dass die Modernisierung nicht unumstritten war, und heute immer noch ist. Es gebe einen kleinen Anteil, der sich damit nicht abfinden könne, sagt Apel. "Aber die meisten, auch die treuen Kirchenbesucher, sind immer noch da."
Darüber freut sich die Kirchengemeinde, die sehr wohl weiß, dass sie um ihre Mitglieder kämpfen muss. Die Gemeindestatistik zum Jahresende 2022 listet 30 Kirchenaustritte auf und nur einen Neueintritt. Aktuell zählt die Erlöserkirche 1552 Mitgliederinnen und Mitglieder. Während Apel zufolge jährlich nur etwa ein Prozent, also um die 15, der evangelischen Kirche den Rücken kehren, waren es im Vorjahr doppelt so viele Gläubige. Ob sich die Situation jetzt verschärfen wird, weiß er nicht.
Mit neuen Angeboten die Türen der Gemeinde weit öffnen
Aber die Verantwortlichen wollen dabei nicht tatenlos zuschauen. Das sehen Apel, Vogt und Ditterich als Auftrag für die Zukunft. Sie wollen die Türen der Gemeinde noch weiter öffnen als bislang schon, auch neue und attraktivere Angebote anbieten. Ein Patenrezept haben sie nicht. Man müsse ausprobieren und sehen, was taugt, sagt Brigitte Vogt und berichtet von einem "Brainstorming-Abend", wo man sich viele Gedanken gemacht habe.
Vor allem was Familien heute brauchen, treibt die Kirche in Gerolzhofen um. Weniger Sonntagsdienste, die es selbstverständlich weiter geben wird. Aber man ist sich einig, dass vermehrt außergewöhnliche Veranstaltungen hinzukommen sollen, wie die beliebte Waldweihnacht. Eine konkrete Idee ist ein Tauferinnerungsgottesdienst, den man für den 9. Juli plant. Kindgerecht gestaltet mit Spielen, für Kinder im Grundschulalter, ein bunter Nachmittag zusammen mit Eltern, Großeltern und Paten. Schön wäre an einem See, meint Apel. Die Veranstaltung organisiert man gemeinsam mit den Kirchengemeinden aus Volkach-Eichfeld und Zeilitzheim-Krautheim.
Es ist ein erster Schritt für eine ohnehin engere Vernetzung bei gewissen Angeboten und Aktionen. Es gab schon zweimal einen Austausch mit den kirchlichen Nachbarn. "Es geht nicht überall, aber in manchen Bereichen ist es sinnvoll", so Vogt. Zum Beispiel beim Konfirmandenunterricht ist man schon soweit.
In den nächsten zehn Jahren starke Veränderungen zu erwarten
Personell sei man noch gut bestückt. "Aber das wird sich in den nächsten zehn Jahren stark ändern ", glaubt Pfarrer Apel. Schon heute sei es selbst in der Seniorenarbeit nicht mehr so einfach wie früher, Helferinnen und Helfer zu finden. Eine weitere Herausforderung ist aus seiner Sicht das großflächige Gemeindegebiet mit 15 Orten, auch wenn Dreiviertel der Mitglieder in Gerolzhofen leben. Eine Vergrößerung hält er für kaum stemmbar. Dahingehende Überlegungen sind ihm aber nicht bekannt.
Und wie ist es um die Ökumene bestellt? Man arbeite auf vielen Feldern zusammen, so Apel. Es gibt gemeinsame Kindergottesdienste sowie Gottesdienste wie an Neujahr oder am 1. Mai am Zabelstein. Auch das Gemeindefest wird immer gemeinsam gefeiert.
Alles umkrempeln wolle man nicht, so Reiner Apel. Stabilität ist aus seiner Sicht eine ebenso wichtige Komponente. Gleichwohl wolle die Erlöserkirche neue Zugänge zum Glauben schaffen, oder wie es Brigitte Vogt formuliert: "Wir sind sehr offen und flexibel und versuchen uns anzupassen."