
Dass bis zu 350 Beschäftigte im Kaufland-Lager in Donnersdorf womöglich bald ihre Jobs verlieren, sorgt nicht nur für Entsetzen und Verunsicherung in der Belegschaft. Die von dem Unternehmen angekündigten Maßnahmen werfen auch reichlich Fragen im Hinblick auf die Umsetzung auf.
Bekanntermaßen sollen nicht nur Hunderte von tariflich angestellten Beschäftigten entlassen werden. Darüber hinaus hat der Lebensmittelhändler aus Neckarsulm angekündigt, die Arbeit in dem einzigen Non-Food-Lager des Konzerns, von dem aus alle 770 Filialen bundesweit mit Aktionsware beliefert werden, künftig von Werkarbeitsfirmen ausführen zu lassen.
Was das aus rechtlicher Sicht bedeutet, dazu hat die Redaktion die auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei "Spengler & Kollegen" in Würzburg befragt. Sie vertritt unter anderem die Interessen des Betriebsrates am Kaufland-Standort Donnersdorf seit Jahren. Die Fragen haben die Fachanwälte für Arbeitsrecht, Bernd Spengler und Silvia Michel, gemeinsam beantwortet. Wie sehen sie die Situation und welche Fragen tun sich auf?
Was sind eigentlich Werkvertragsfirmen und Werkverträge?
Werkvertragsfirmen erbringen, einfach gesprochen, Arbeiten für den Auftraggeber – und das in eigener Organisation. "Die Werkarbeiter sind nicht angestellte Mitarbeiter des Auftraggebers, sondern Mitarbeiter der Werkvertragsfirma. Im Gegensatz zu einem Leiharbeitnehmer sind die Werkarbeiter nicht in den Betrieb des Auftraggebers (in diesem Fall Kaufland) eingegliedert und dürfen in keinster Weise mit den Arbeitnehmern des Auftraggebers zusammenarbeiten", sagen die beiden Fachanwälte. Es gäbe also eine fiktive Mauer zwischen den Beschäftigten.

Der Auftraggeber hat gegenüber dem Werkarbeiter auch kein Weisungsrecht, das übernimmt die Werkvertragsfirma selbst. Der Werkarbeiter unterliegt somit auch nicht den betrieblichen Regeln des Auftraggebers oder dort geltenden Tarifverträge. Spengler: "Die Werkvertragsbeschäftigten arbeiten also für ihre Firma, die für den Auftraggeber tätig ist."
Bereits bis 2012 gab es viele Werkarbeitende in Donnersdorf – warum wurde diese Praxis geändert?
Bernd Spengler und Silvia Michel erklären dazu: "Das lag daran, dass man in der Praxis eben die Werkarbeiter nicht klar von den eigenen Kaufland-Beschäftigten trennen konnte." Wenn diese gemeinsam in einer Abteilung arbeiteten oder direkt von Kaufland-Vorgesetzen Arbeitsanweisungen bekämen, bestünde nach Ansicht der Anwälte wieder die Gefahr einer sogenannten verdeckten Arbeitnehmerüberlassung. Dies könne zu Strafzöllen und Haftungsfragen der Verantwortlichen führen.
Wegen des Verdachts illegaler Scheinwerkverträge hatten hunderte Zollbeamte im Januar 2012 Razzien unter anderem in drei Logistikzentren von Kaufland durchgeführt, auch in Donnersdorf. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitete daraufhin Ermittlungen ein. Diese wurden aber ein Jahr später eingestellt. Im Gegenzug erklärte sich der Konzern bereit, mehrere Millionen Euro zu zahlen.
Die beiden Fachanwälte stellen sich deshalb die Frage, "warum Kaufland aus der Vergangenheit nichts gelernt hat und erneut diese Risiken eingeht. Trotz schlechterer Löhne wird es nicht billiger, denn die Werkvertragsfirmen verdienen ja auch noch zusätzlich mit – und bei der Arbeitsqualität geht Knowhow verloren – das kostet Geld und Zeit."

Was muss ein Unternehmen wie Kaufland bei Kündigungen in dieser Größenordnung beachten?
"Wenn Arbeitgeber eine solch große Anzahl an Kündigungen vorsieht, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat ins Boot zu holen", stellt Bernd Spengler klar. Bei einem Personalabbau in dieser Größenordnung müsse der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über die Maßnahme und entstehende Nachteile für die Beschäftigten verhandeln. Ein sogenannter Sozialplan solle die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern zum Beispiel durch eine Kündigung entstehen, ausgleichen. In der Regel geschieht das durch Zahlung von Abfindungen.
Kann der Betriebsrat solche Kündigungen verhindern?
Nein, verhindern kann der Betriebsrat die Entscheidung von Kaufland nicht. "Rechtlich haben Arbeitgeber wie Kaufland das 'Recht auf Managementfehler' und Fehlentscheidungen. Auch wenn dies in der Regel die Mitarbeiter mit Jobverlust ausbaden müssen", erklären die Anwälte. Betriebsräte können ihren Angaben zufolge lediglich darauf hinwirken, durch Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen den Arbeitgeber vom "Unsinn seiner Planungen" zu überzeugen, das Schlimmste zu verhindern und das Beste für die Gekündigten herauszuholen.
Was würde passieren, wenn der Betriebsrat einem Interessensausgleich und Sozialplan nicht zustimmt?
In diesem Fall würde eine sogenannte Einigungsstelle versuchen, eine Lösung zu finden. Dabei handelt es sich um einen vom Gesetzgeber vorgesehenen Mechanismus zur Konfliktlösung, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht einigen können. Nach Angaben von Spengler und Michael handelt es sich hierbei um ein paritätisch besetztes Gremium, welches von den Betriebsparteien bestellt wird und dem ein Vorsitzender, meist ein Richter, vorsteht.
Und wie geht es weiter, wenn auch die Einigungsstelle nicht vermitteln kann?
Kommt auch in der Einigungsstelle kein Interessenausgleich zu Stande, kann dieser Abschluss laut den Arbeitsrechtlern allerdings nicht vom Betriebsrat erzwungen werden. Anders sieht das beim Sozialplan aus. Finden Arbeitgeber und Betriebsrat zum Beispiel über die Höhe der Abfindungen zu keinem Ergebnis, entscheidet die Einigungsstelle unter Beteiligung des Vorsitzenden über deren Höhe.

Ist es zulässig, dass ein Unternehmen zunächst Personal entlässt und anschließend die gleiche Anzahl an Beschäftigten über eine Werkarbeitsfirma in seinen Firmenräumen arbeiten lässt?
"Das ist leider möglich, weil die unternehmerische Entscheidung darauf beruht, nicht mehr mit eigenem Personal zu arbeiten, sondern quasi in den eigenen Räumen eine andere Firma zu beauftragen", sagen Bernd Spengler und Silvia Michel. Die gekündigten Arbeitnehmer könnten dann aber eventuell geltend machen, dass ihr Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die Werkvertragsfirma übergegangen sei.
Dürfen Subunternehmen mit den entlassenen Kaufland-Beschäftigten einen Arbeitsvertrag abschließen und diese dann wieder sofort beim ehemaligen Arbeitgeber einsetzen?
Ja, diese Konstellation ist den Rechtsanwälten zufolge denkbar: "In Fällen der Leiharbeit hat das Schlecker einst mit dem sogenannten "Drehtüreffekt" bekannt gemacht. Der Mitarbeiter wird entlassen und kommt quasi für eine andere Firma am nächsten Tag durch dieselbe Türe – nur noch schlechter bezahlt."