Lehrer unterrichten per Computer, Kinder zu Hause vor dem Computer – Neudeutsch Homeschooling genannt, das ist seit Monaten der Alltag von Millionen Schülern in ganz Deutschland und natürlich auch in Schweinfurt. Es gibt viele Beschwerden über mangelnde technische Ausstattung der Schulen von W-Lan über Tablets bis zu Laptops. Die Online-Plattform des Freistaates Bayern, Mebis, bricht bei zu großem Ansturm zusammen, was dazu führt, dass Schulen mit ihren Systembetreuern eigene Cloud- und Streaming-Lösungen entwickeln. Kein Wunder, dass die Laune, wenn man Schulleiter zum Thema Digitalisierung befragt, eher weniger gut ist.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) gibt unumwunden zu, dass die Stadt in Sachen Digitalisierung der 20 Schulen in ihrer Trägerschaft im Stadtgebiet Nachholbedarf habe. "Diese Krise mit der neuen Form der Beschulung hat uns wie alle deutschen Schulen aus heiterem Himmel getroffen", erklärte er im Januar in einem Exklusiv-Interview mit dieser Redaktion. Es sei ein hochkomplexer Prozess, der vorgesehen war bis 2022/23 umgesetzt zu werden: "Es ist eine Mammutaufgabe, die in zwei, drei Jahren, nicht aber in drei, vier Monaten zu bewältigen ist." Hätte man das Ausmaß der Krise geahnt, "hätten wir das Thema „digitales Klassenzimmer“ sicher mehr forciert."
Klemens Alfen, Direktor des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums, des größten Schweinfurter Gymnasiums, ist sich dessen bewusst, dass die Aufgabe Digitalisierung für den Sachkostenträger komplex ist. Dennoch findet er klare Worte: "Die digitalen Versäumnisse fallen uns nun auf die Füße."
Er kritisiert vor allem, dass die verschiedenen Förderprogramme des Bundes sehr lange brauchen, bis sie wirklich umgesetzt sind. Zum Beispiel habe seine Schule aus dem ersten Programm des Bundes aus dem Jahr 2018 Endgeräte für Lehrer bestellt, um Videokonferenzen zu Hause machen zu können und Unterricht zu streamen. Bis Mitte Januar 2021 waren die bestellten Geräte wie in den anderen Schweinfurter Schulen auch nicht angekommen.
Alfen erkennt die Bemühungen der Stadtverwaltung in Sachen Digitalisierung ausdrücklich an, konstatiert aber, dass "Hybrid- und Distanzunterricht von den Lehrkräften mit einem selbst gekauften Laptop von zu Hause mit dem privaten W-Lan erteilt werden müssen." Ein Problem für seine Schule mit über 90 Lehrkräften und etwas mehr als 1000 Schülerinnen und Schülern sei, dass es beim W-Lan-Ausbau Verzögerungen gebe, was den Hybridunterricht erschwere.
Dankbar ist Alfen für die unermüdliche Arbeit von Systembetreuer Benedikt Friedrich, der sich neben seinem Pensum als Mathe- und Physik-Lehrer engagiere und eine eigene Cloud-Lösung für die Schule aufbaute, damit der Online-Unterricht funktioniert: "Wenn Mebis ausfällt, sind wir so nicht völlig hilflos", so Alfen.
Erzählungen über Probleme mit der Digitalisierung in unterschiedlichem Ausmaß gibt es aus verschiedenen Schweinfurter Schulen, verbunden auch mit Kritik an der Schulverwaltung, dass zu langsam agiert werde. Kurz vor Weihnachten 2020 hatte es auch ein Treffen zwischen den Leitern der weiterführenden Schulen und der Verwaltung mit Schulreferent Jürgen Montag gegeben, bei dem deutliche Kritik geäußert worden sein soll.
Jürgen Montag kann den Frust nachvollziehen, sowohl der Schulen als auch der Eltern: "Das müssen wir aushalten", so der Schulreferent und fügt an: "Corona hat als Brennglas gezeigt, was künftig in Sachen Digitalisierung besser laufen muss. Aus heutiger Sicht hätten wir 2018 und 2019 sicher schneller reagieren können." Aber, auch darum bittet die Stadtverwaltung im Gespräch mit dieser Redaktion: Man dürfe nicht vergessen, in welche Rolle die Kommunen im Zusammenspiel mit den Fördergebern des Bundes oder des Freistaates gedrängt wurden. Programme und Möglichkeiten gibt es viele, vom digitalen Klassenzimmer über digitale Bildungsinfrastruktur bis zu Glasfaser-Programmen und aktuell während der Corona-Krise der Kauf von Leihgeräten für Schüler und Dienstgeräten für Lehrer.
Die Förderprogramme bedeuten einerseits eine erhebliche finanzielle Entlastung für den städtischen Haushalt bei der Anschaffung. Sie bedeuten aber auch einen erheblichen Organisationsbedarf und insbesondere das Erstellen europaweiter Ausschreibungen mit detaillierten Leistungsverzeichnissen. Dazu kommen gerade jetzt Probleme mit Lieferanten, wenn man zum Beispiel größere Mengen Tablets oder Laptops bestellt. Da konkurriert man nicht nur mit großen bayerischen Städten wie Augsburg, München und Nürnberg, sondern sogar europa- und weltweit. Darüber hinaus sind die Bedürfnisse in Sachen Digitalisierung in jeder Schule und jeder Schulart unterschiedlich.
"Wir sind in Schweinfurt in Sachen Digitalisierung der Schulen überdurchschnittliches Mittelmaß", so Jürgen Montag. Finanzreferentin Anna Barbara Keck vergleicht die Aufgabe mit einem Puzzle mit tausenden Teilen. Es müssten sehr viele Detailfragen geklärt werden, die man nicht wahrnimmt. Von der Frage, was gebraucht wird über die Bestellung bis zum Einbau und teilweise, wie bei W-Lan-Installation oder Glasfaser-Anschlüssen, wann der Handwerker kommt und die Schlitze klopft. "Durch Corona sind wir quasi aus der Steinzeit in die Neuzeit gebeamt worden."
Die Aufgabe für die Stadt ist im Moment, die bisher auch von den Fördergebern gewollten Insellösungen – jede Schule nach deren Bedürfnissen individuell abdecken – stärker zu vernetzen und dort zu zentralisieren, wo das Sinn ergibt, zum Beispiel bei der Datenspeicherung. In der Verwaltung wurden für diesen Prozess auch neue Stellen geschaffen. Hartmut Schwarz ist der Projektleiter Digitalisierung in der Schulverwaltung, Stefanie Harvey bei der städtischen IT-Abteilung für die Schulen zuständig. Noch nicht geklärt ist das Thema "digitaler Hausmeister". Hier wird ein Konzept ausgearbeitet, wie viele Stellen benötigt werden, die unabhängig von den Systembetreuern in den Schulen zu sehen sind. Förderung gibt es dafür nicht, was Anna Barbara Keck kritisiert: "Wir fordern ein zentrales Angebot für Wartung und Pflege sowie eine Einbeziehung der Systembetreuung in die staatliche Förderung."
Dass in Sachen Digitalisierung in Schweinfurt alles miserabel ist, würde sicher kein Schulleiter behaupten. Das zeigen auch die von der Verwaltung zusammengestellten Zahlen. Beim digitalen Klassenzimmer hatte man ein Budget von 840 000 Euro, 90 Prozent zahlte der Freistaat. Gekauft beziehungsweise bestellt wurden 90 Beamer für zehn Schulen, 32 digitale Tafeln, 260 Lehrer-Notebooks sowie 110 Dokumentenkameras.
Deutlich teurer ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur, für den es aus einem Bundesprogramm bei 411 000 Euro Eigenmittel eine Förderung von 3,7 Millionen Euro gibt. Hier wird bis 2023, basierend auf den Medienkonzepten der Schulen, technisch aufgerüstet, zum Beispiel W-Lan, aber auch der Kauf schulgebundener mobiler Endgeräte. Die Planung soll bis Ende dieses Jahres fertig sein, danach wird sukzessive umgesetzt. Acht von neun Schulen aus dem Projekt Glasfaseranbindung sind bereits angeschlossen. Aktiv war die Schulverwaltung auch 2020 bei den Programmen für Schülerleihgeräte. 430 i-Pads und mehr als 200 Notebooks wurden gekauft, gehören den Schulen und werden bei Bedarf verliehen. Die Kosten von 540 000 Euro bezahlt komplett der Bund.