Die mögliche Reaktivierung der Steigerwaldbahn ist ein Thema, das interessiert und das polarisiert. Über 200 Personen folgten am Montagabend einer Einladung der CSU Schweinfurt-Kitzingen nach Grettstadt zu einem Informationsabend, der unter dem Motto stand "Wir präsentieren die Fakten". Die Veranstaltung, geöffnet auch für Nichtmitglieder, sollte zunächst im Gasthaus Straub stattfinden. Angesichts der Vielzahl von Anmeldungen musste dann aber kurzfristig in die örtliche Turnhalle umgezogen werden.
Der Abend verlief in sachlich-ruhiger Atmosphäre, ähnlich wie die Info-Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen, die vor einigen Wochen im Pfarrer-Hersam-Haus in Gerolzhofen stattgefunden hatte. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man sich bei einer großen Veranstaltung mit seinem Namen vorstellt und dann seine Meinung kundtut, oder ob man in einem der Internet-Foren in der Anonymität eines frei erfundenen Nicknames Behauptungen aufstellt oder gar den Ruf anderer Leute diskreditiert.
Um Deeskalation bemüht
Nüchtern, sachlich, vernünftig - dies waren Adjektive, die im Laufe des Abends mehrmals von den CSU-Rednern zu hören waren. Man war offenkundig bemüht, keine Emotionalität in der Diskussion aufkommen zu lassen. "Dies hier ist keine Veranstaltung gegen die Bahn, sondern wir wollen durch Informationen aus ersten Hand den Druck bei diesem Thema herausnehmen", sagte Staatssekretär Gerhard Eck zur Begrüßung. Auch dem Staatssekretär, dem bekanntermaßen nicht nur bei seinen frei gehaltenen Reden mitunter schon mal die Pferde durchgehen, war anzumerken, dass er bei seiner Wortwahl bewusst auf Deeskalation setzte.
Alle Gemeinden längs der Eisenbahnlinie, außer Gerolzhofen, hätten Anträge auf Entwidmung der Strecke gestellt. Diese Entscheidungen von "demokratisch gewählten Gremien der ersten Ebene" könnten nicht einfach beiseite gewischt werden, sagte Eck. Die beantragte Entwidmung werde nur dann entsprechend den gesetzlichen Vorschriften von der zuständigen Regierung von Mittelfranken abgelehnt, wenn sich die beiden Landkreise Schweinfurt und Kitzingen eindeutig für den Erhalt der Strecke aussprechen würden. "Beide Kreistage haben bis jetzt aber nicht konkret beschlossen, dass sie gegen die Entwidmung sind", betonte Eck. Er habe inzwischen die Bezirksregierung in Ansbach gebeten, mit den beiden Landkreisen Kontakt aufzunehmen, um den momentanen Stillstand aufzubrechen.
"Ich kenne jeden Meter"
Ein weiteres Problem bei der möglichen Reaktivierung sei der schlechte Zustand der Bahntrasse. "Ich bin die Strecke selbst komplett abgelaufen", gab der Staatssekretär bekannt, "ich kenne jeden Meter." Der Sanierungsbedarf sei enorm. "Und wer zahlt das?" Auch auf die Ideen des Verkehrsplaners Robert Wittek-Brix, der den Zugverkehr über Straßenbahnen in die Innenstädte von Schweinfurt und Kitzingen bringen will, ging Eck ("Ich komme aus der Baubranche") kurz ein. "Dies ist technisch sicherlich machbar, wenngleich sehr schwierig. Aber die Kosten wären enorm."
Es sei das unbestrittene Ziel aller politisch Verantwortlichen, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu stärken und für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen, machte der Staatssekretär klar. Hier sollte Gas/Elektro/Wasserstoff zum Einsatz kommen, die Einheiten müssten kleiner und individueller werden. "Und wenn es wirtschaftlich darstellbar ist, dann auch mit einer Bahn."
Fördergelder gerecht verteilen
Die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber sagte, man müsse den ÖPNV im gesamten Landkreis mit neuen Technologien und neuen Ansätzen klimafreundlich verbessern. Dafür stünden auch Bundesmittel zur Verfügung. "Die Bahn könnte dann ein Baustein von vielen sein." Allerdings müsse man die Fördergelder im Landkreis gerecht verteilen und nicht nur auf die sieben Kommunen entlang der Bahntrasse konzentrieren. Ihrer Meinung nach sei die Bahn hinsichtlich Abdeckung und Flexibilität aber "kein Allheilmittel, besonders nicht für den ländlichen Raum". Das geplante Mobilitätskonzept des Landkreises mit 13 neuen Buslinien im Stundentakt, Zubringerdiensten per Anrufsammeltaxi - dies alles zu fairen Tarifen und digital buchbar - passe wohl besser zu den Erfordernissen des ländlichen Raums.
In CO2-Fußabdrücken rechnen
Barbara Becker, Landtagsabgeordnete für den Raum Gerolzhofen/Kitzingen, stellte fest, dass die bisherige "Vielstimmigkeit" ein Problem gewesen sei. "Alle haben zu wenig miteinander geredet." Deshalb freue sie sich, dass nun "ein wertschätzender Dialog stattfindet, bei dem das Argument vom Verstand geführt wird". Um die drei Ziele - Klima, Umweltschutz, Lebensqualität auf dem Land - zu erreichen, müsse der ÖPNV deutlich besser werden. "Die Bahn kann ein Mittel dazu sein." Allerdings müsse es Sinn machen. Bei der Frage, ob Bahn oder Bus die bessere Lösung sei, "müssen wir rechnen, sowohl in Euro als auch in CO2-Fußabdrücken." Auch Becker kritisierte - wie zuvor schon Gerhard Eck - die beiden Landkreise Schweinfurt und Kitzingen. Dort drücke man sich vor einer eindeutigen Entscheidung pro Bahn, und dies insbesondere in Kitzingen, wo man noch nicht einmal ein Mobilitätskonzept habe, sagte die Abgeordnete.
Eher für Ballungszentren
Aus München war Ministerialrat Stefan Schell angereist. Er ist im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr als Referatsleiter zuständig für die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs im Freistaat. Die Staatsregierung stehe möglichen Reaktivierungen von Eisenbahnlinie grundsätzlich sehr offen gegenüber, wo es sinnvoll und machbar sei. Auf dem flachen Land sei eine solche Reaktivierung allerdings für gewöhnlich schwieriger, denn die Bahn sei als ein Massentransportmittel doch eher für die Ballungszentren geeignet.
Die bauliche Wiederherstellung einer Bahntrasse durch ein interessiertes Verkehrsinfrastruktur-Unternehmen könne nicht durch den Freistaat gefördert werden, weil der Staat nur für den laufenden Betrieb zuständig sei. Das müsse die Firma selbst finanzieren. Das Unternehmen erhalte aber, wenn der Bahnbetrieb dann aufgenommen wird, vom Freistaat über das vertraglich fixierte Bestellentgelt Geldzahlungen, was letztlich auch einer Förderung gleichkomme, erläuterte Schell. Wenn die Bahntrasse sich allerdings in einem schlechten Zustand befindet, dann gebe es ein Problem: Das Verkehrsinfrastruktur-Unternehmen müsse bei hohen Sanierungskosten schauen, ob sich das Projekt überhaupt irgendwann mal rechnet. Und selbst die vom Freistaat für 15 Jahre zugesicherte Bestellgarantie reiche bei vielen Banken dann als handfeste Sicherheit bei einer Kreditvergabe an das Unternehmen nicht mehr aus.
Beschlüsse reichen nicht aus
Konkret auf die Steigerwaldbahn Bezug nehmend sagte der Ministerialrat, es gebe im Freistaat - auch wenn Bahnbefürworter dies gerne unter den Tisch fallen ließen - durchaus auch drei bis vier Bahn-Reaktivierungsprojekte in Bayern, die nicht erfolgreich seien. Das Problem: Die Landkreise dort hätten es versäumt, ihre Buslinien an die Bahn anzupassen. Dort komme es jetzt zu Parallelverkehren, die beiden Seiten nicht zuträglich seien. Deshalb lege der Freistaat nun großen Wert darauf, dass bereits vor einer Prüfung einer möglichen Bahn-Reaktivierung die betroffenen Landkreise dem Staat vertraglich zusichern, ihre Buslinien auf die Bahn abzustimmen. Neben dem "klaren Bekenntnis der Köperschaften auf kommunaler Ebene" fehle bei der Steigerwaldbahn aber auch diese Zusicherung der Landkreise. Die derzeitige Beschlusslage der Kreistage reiche nicht aus, machte Schell deutlich.
Es schloss sich eine ausgiebige Diskussionsrunde an.
Schweinfurt alleine, hat schon in etwa so viele Einwohner wie Miltenberg, Tauberbischofsheim und alle Ortschaften auf der Strecke dazwischen.
Zwar sind die beiden Bahnstrecken von der Länge etwa vergleichbar (SW-KT ist ein paar Kilometer kürzer als die Strecke MIL-TBB), allerdings wohnen an der Steigerwaldbahn etwa doppelt so viele Bürger.
Viele der dort Beschäftigten wohnen im südlichen Landkreis. Jemandem aus Gerolzhofen bringt es leider wenig, dass es eine Verbindung von Rottendorf nach Schweinfurt gibt.
Das Potential ist da. Wurde auch schon in 2 Gutachten gezeigt.
"Beide Kreistage haben bis jetzt aber nicht konkret beschlossen, dass sie gegen die Entwidmung sind", betonte Eck
Die Beschlüsse der Kreistage in SW und KT gegen eine Entwidmung gibt es (SW am 14.03.2019, KT am 08.04.2019).
Es ist davon auszugehen, dass Herr Eck dies auch weiß und dennoch Gegenteiliges als „Fakten“ präsentiert.
So verspielen Herr Eck und die CSU ihre Glaubwürdigkeit.
Von einer Reaktivierung können auch die anderen Kommunen im Landkreis profitieren, denn es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen Bussen und Bahnen im ÖPNV in der Finanzierung.
-> Den Betrieb der Busse müssen die Landkreise zahlen, die Bahn bezahlt das Land Bayern.
Das Geld, das die Landkreise durch die Steigerwaldbahn einsparen, können sie dann z.B. für weitere Busverbindungen einsetzen etwa in den Kommunen/Ortschaften, die nicht an der Strecke liegen und so den Nahverkehr auch dort noch zusätzlich verbessern.
-> Win-Win für den ÖPNV in der Region: ein komfortableres und schnelleres Verkehrsmittel und zusätzlich eine bessere Abdeckung.
Das heißt, man kann sich also entscheiden ob mit dem Geld vom Land Bayern (Steuern, die wir alle zahlen!) nur der S-Bahn-Ausbau in München finanziert wird oder ob auch ein Teil davon durch die Reaktivierung der Steigerwaldbahn in einen besseren öffentlichen Nahverkehr in unserer Region fließt.
Weniger die beiden Artikel, wohl aber die zahllosen Kommentierungen sollten auf den Schreibtischen der Entscheidungsträger landen: bei der Regierung von Mittelfranken und beim CSU-geführten Verkehrsministerium in München. Bei den beiden Landratsämtern und der Stadt Schweinfurt gibt es Bedienstete, die Presseberichte auswerten. Darum habe ich diese Behörden bewusst nicht erwähnt.
Und auch der Schrotthändler Meisner nebst der Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn könnten sich über entsprechende Post freuen. Gerade denen bläst der kalte Wind ins Gesicht.
So betragen die Kosten für den Ausbau der B286 allein zwischen Schweinfurt und Schwebheim 45,3 Millionen Euro für nur 4,3 km (Quelle: Wikipedia), was 10,5 Mio.€/km entspricht.
Die Investitionskosten für die Steigerwaldbahn von 22-27 Mio. Euro (Quelle: Kobra-Studie, S.29) bei einer Strecke von 23,3 km (Quelle: Kobra-Studie, S.9; https://www.landkreis-schweinfurt.de) entsprechen im Vergleich dazu pro Kilometer nur 0,9-1,2 Mio. Euro.
10,5 Mio.€/km (B286) versus 0,9-1,2 Mio.€/km (Bahnstrecke)
-> Pro Kilometer ist die Schnellstraße also rund 10 mal teurer!
Die Bahnstrecke ist somit nicht nur nachhaltiger sondern auch noch günstiger als die Straße!
wenn es in D um Eisenbahn geht, werden dagegen immense Kosten ins Feld geführt, die niemals wieder rauszuholen sind, und je "schwärzer" die Partei, umso höher die Zahlen.
Bei neuen Straßen hingegen (z. B. projektierte Umgehungsstraße für Volkach - Kostenpunkt vsl. 16,5 mio Euro für ca. 10 km) stellt niemand solche Fragen.
Wenn dann wg. Alter/ Gesundheit oder steigender CO2-Bepreisung immer weniger Leute Auto fahren und sich auch die gefühlt ewig lange Fahrt im eher unkomfortablen Bus nicht antun wollen, wird die betreffende Gegend vmtl. massiv an Einwohnerschaft verlieren. Zugegeben: das wird sich über längere Zeit hinziehen, aber die Politik darf hier nicht in Legislaturperioden denken, denn der zu erwartende Schaden würde sich höchstens mit riesigen(!) Infrastruktur-Investitionen beheben lassen, die sich dann - wenn überhaupt - wirklich nur ganz langfristig auszahlen. Es wäre sicher besser, jetzt vergleichsweise wenig zu investieren...
Bei der "Tour de Eck" (Beitrag in dieser Zeitung) argumentiert er damit, dass Kosten in Höhe von 100...150 Millionen € für die Wiederinbetriebnahme aufzubringen wären. Offenbar hat er kein Verhältnis zu Zahlen, sonst würde er nicht mit derartigen Größenordnungen die Diskussionen hier befeuern. Gutachter Schliephage kommt auf 25 +/- 2 Mio € für das Teilstück Schweinfurt Hbf. - Landkreisgrenze, das > 20 km (Gesamtlänge der Steigerwaldbahn ca. 50 km) umfasst.
Vielmehr offenbart sich immer mehr auch eine andere Sichtweise: Eck hat - denkbar! - den Anrainergemeinden zugesichert, er sorge dafür, dass die Bahn irgendwie wegkommt. Mit Gegenwind in der nunmehrigen Weise hat er dann wohl nicht gerechnet, und nun versucht er, mit derartigen Argumenten die Bevölkerung "umzustimmen".
"Politisch Lied, ein garstig Lied." Goethe, Faust I
Eine Buslinie zum WÜer Hubland, bei demnächst durch die Demografie immens zurückgehenden Studentenzahlen, durch eine Straßenbahnlinie durchs hierfür ungeeignete, kurvige, bergige Frauenland zu führen, für 120 Mio., ist viel fragwürdiger!
Statt einer Steigerwaldbahn, die als moderne Integralbahn sich teilt, mit einem Ast zu SW-Hbf und dem anderen Ast als Straßenbahn durch die Stadt. Ganz Südost-Mainfranken bekäme so Anschluss an: Region um Hbf mit Großindustrie & City, mit zusammen zehntausenden von Arbeitsplätzen und an FH, Stadion, Volksfestplatz (Messen etc.), Schulzentrum-West.
Ihr Kommentar zeugt von Ahnungslosigkeit der örtlichen SWer Verhältnisse und des neuen Konzeptes von Wittek-Brix einer Regionalstraßenbahn (die man in WÜ wegen der Schmalspur vergeblich anstrebte).
P.S.: Einen anderen die Ahnung abzusprechen ist so ziemlich das letzte Totschlagargument, wenn man selbst nichts mehr weiß. Guten Tag
Tourismusland Weinfranken. Die Leut können doch keinen Schoppen trinken, wenn sie nachher noch Autofahren müssen. Und selbst die, die mit sweet mary jane liebäugeln sind im Zug allemal besser aufgehoben.
Wer wie die CSU jetzt von grünen Ideen schwadroniert, sollte auch dann wenns konkret wird Taten folgen lassen.
Und das "gesamtheitlich preiswert" ist doch erst bewertbar, wenn alle Kosten und Erlöse auf dem Tisch liegen - und einer sich bereit erklärt, das Defizit zu tragen. Wo bleiben denn dazu belastbare Zahlen.