Der in Schweinfurt geborene Friedrich Rückert war zu seinen Lebzeiten im 19. Jahrhundert einer der meistgelesenen deutschen Dichter. Nicht zu Unrecht wird er "Weltpoet" genannt, vor allem wegen seiner Verdienste um die moderne Orientalistik. Die Stadt Schweinfurt bekam 1957 vom Rückert-Urenkel dessen Sammlung vermacht, 120.000 Einheiten von Gedichten über Manuskripte bis hin zu Briefen. Ein Schatz für alle Sprach-Forscher. Nun gibt es Ärger um das Erbe Rückerts.
In einem Rundbrief an die Mitglieder der Rückert-Gesellschaft Mitte Oktober, der der Redaktion vorliegt, erklärt der Vorsitzende, Dr. Rudolf Kreutner, seinen Rücktritt. Er ist einer der renommiertesten Rückert-Experten Deutschlands und Organisator der vielbeachteten Ausstellung in der Kunsthalle zum 150. Todestags Rückerts im Jahr 2016 mit mehreren tausend Besuchern.
Hintergrund sind aus Kreutners Perspektive geschilderte, seit Jahren währende massive Unstimmigkeiten mit Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU). Aus Kreutners Sicht sind der OB sowie Kulturamtsleiterin Andrea Brandl nicht bereit, mit der Rückert-Gesellschaft eine gemeinsame Lösung für das Archiv und die Zukunft des Vereins zu finden. Zwischen Verein und Kulturreferat gibt es diesbezüglich divergierende Meinungen.
Kreutners Schreiben hat bei den Mitgliedern der Rückert-Gesellschaft für große Betroffenheit gesorgt, wie mehrere Gespräche mit dieser Redaktion zeigen. An einer Stelle schreibt er: "Da mir Rückert stets eine Herzensangelegenheit war, bleibt mir allerdings nichts anderes übrig, als mir dieses Herz ganz aus dem Leib zu reißen." Sprich: Rücktritt. Er sehe unter den "ganz speziellen, hoffnungslosen Schweinfurter Verhältnissen" keine Möglichkeit, das Erbe Friedrich Rückerts weiter adäquat zu verwalten.
FDP und Zukunft./ödp wollen städtisches Personal für das Rückert-Archiv
Bei den Haushaltsberatungen war Rückert nun wieder ein Thema durch einen gemeinsamen Antrag von Adi Schön (Freie Wähler) und Ulrike Schneider (Zukunft./ödp). Sie fordern den Aufbau eines städtischen Rückert-Archivs, "um eine nach außen sichtbare Anlaufstelle für alle Forschenden und Interessierten zu bieten". In diesem Archiv solle auch die Geschäftsführung der Rückert-Gesellschaft einen Platz finden, damit der Zugriff auf interne städtische Unterlagen, die man für die Rückert-Forschung brauche, leichter sei. Das Rückert-Archiv solle im Gunnar-Wester-Haus am Martin-Luther-Platz angesiedelt werden und überdies mit eineinhalb Stellen aus der Stadtverwaltung versehen werden.
Aus Sicht von Adi Schön könnte so "ein Leuchtturm für den größten Sohn der Stadt" entstehen, der eine wichtige Anlaufstelle für Forschende aus ganz Europa sein könnte. Kulturamtsleiterin Andrea Brandl betonte, natürlich sei das Rückert-Erbe "ein Schatz, den es zu bearbeiten gelte". Doch wie Oberbürgermeister Sebastian Remelé ist sie skeptisch bezüglich der Notwendigkeit, Stellen zu schaffen. Man arbeite an einem Konzept, wie man das Rückert-Archiv, die Mitarbeiterinnen des Kulturforums und das Stadtarchiv kooperieren lassen könnte. In diese Gespräche eingebunden sei auch der neue Leiter des Stadtarchivs, Gregor Metzig. Auf die von Kreutner geäußerte Kritik ging der OB in diesem Zusammenhang nicht ein.
Peter Hofmann (SPD) erklärte, die Stadt könnte "Rückert besser verkaufen und mehr Touristen dadurch nach Schweinfurt bringen". Es gebe zwar das Rückert-Denkmal auf dem Marktplatz und eine Tafel an seinem Geburtshaus an der Ecke Marktplatz und Rückertstraße. Aber ein Museum ähnlich dem Poetikum in Oberlauringen eben nicht. Aus Hofmanns Sicht ist das Gunnar-Wester-Haus, in dem ein Teil der städtischen Sammlungen untergebracht ist, als Archiv nicht geeignet. Wichtig sei, dass der neue Stadtarchivar und der neue Vorsitzende der Rückert-Gesellschaft gemeinsam über die zukünftige Zusammenarbeit entscheiden.
Seine Werke verfasste er in verschiedenen Städten, nur nicht in Schweinfurt. Also braucht Schweinfurt auch kein Rückert Archiv.