Der Weltpoet. Treffender könnte man Friedrich Rückert, Dichter, Sprachgenie und genialer Übersetzer, (1788 bis 1866) wohl nicht beschreiben. Die Poesie war seine Welt, die Welt sein Zuhause. Weltpoesie alleine ist Weltversöhnung, war seine Maxime. Allein dieser Satz wäre es wert, sich mit Friedrich Rückert zu beschäftigen.
Orient und Okzident
Das Eigene im Fremden, das Fremde im Eigenen finden ist seine große Stärke. Orient und Okzident wollte er näher bringen. Das macht ihn so aktuell, die Auseinandersetzung mit ihm so spannend. Eben weil er nicht wie Goethe für die Ewigkeit geschrieben hat, sondern fürs Jetzt. Weil er nie ein Denkmal sein wollte, sondern den Dingen auf den Grund gehen wollte.
Der Mensch Rückert, seine Zeit, seine Wirkung auf die Menschen steht im Mittelpunkt der zentralen Ausstellung zum Rückertjahr 2016 (vor 150 Jahren starb der Dichter) in der Kunsthalle Schweinfurt.
Farben, Klang und Licht
Die große Halle verwandelt sich in einen sinnlich erlebbaren Rückert-Kosmos, mit verschiedenen Farben, einem Teppich aus Klang und Lichtspielen mit Wörtern aus Rückerts reichem Sprachschatz. 44 Sprachen soll er beherrscht haben. Für Wörterbücher, Grammatiken hatte Rückert nicht genug Geld, sagt Kurator Rudolf Kreutner. Rückert hat eine neue Sprache gelernt, in dem er einen Text, beispielsweise die Evabgelien auf syrisch mit einer Übersetzung in Latein verglichen hat. Daraus hat er sich selbst eine Grammatik und ein Wörterbuch gemacht.
Ein Sprachgenie
In drei Monaten, solange brauchte er, um eine neue Sprache zu können. „Es ging ihm darum, die Struktur einer Sprache zu erkennen, nicht darum, ein Hotelzimmer zu buchen“, sagt Kreutner.
In sechs Abschnitte gliedert sich die Ausstellung. Aufwachsen, Sich finden, Erfolg haben, Scheitern?, Weise werden und Nachwirken. Das Leben Rückerts und sein Werk spiegelt sich in den Ereignissen der Zeit. Befreiungskriege, napoleonische Wirren, Biedermeier, die Idealisierung des Mittelalters als Sehnsuchtsmodell für Staat und Gesellschaft.
Briefe, Manuskripte, Bilder geben Einblick in die Welt Rückerts. An manchen Stellen kommt man den Menschen Rückert sehr nahe. Eine Vitrine mit Auszeichnungen steht am Boden. Rückert hat davon wenig gehalten.
Kein Freund von Ehrungen
Offiziell hat er sich mit einem Gedicht bedankt, für sich privat aber gleich ein Schmähgedicht geschrieben. Und den Brief des mexikanischen Kaisers Maximilian zu einer Ehrung hat er zerschnipselt und seine Pfeife damit angezündet. Rückert war auch sparsam. Die Pantoffeln in einer Vitrine sind abgeschnittene Stiefel. Im Hause Rückert wurde nichts verschwendet, keine Silbe und erst Recht kein Geld.
Auch aufbrausend war er. Einen verfluchten Schuft hat er seinen Verleger Brockhaus genannt, weil es ihm nicht schnell genug ging mit einem Buch. Gleichzeitig hat er wunderschöne Liebesgedichte geschrieben, herzzerreißend in den Kindertotenliedern um zwei Kinder getrauert.
Nationale Identität
Rückert war auch politisch, zeigt die Austellung. Er machte sich einen Reim auf seine turbulente Zeit, kämpfte für eine nationale Identität. Mit dem jungen Rückert mit dem wilden Blick und der Wallemähne beginnt es. Am Ende steht das Porträt eines alten, einsamen, aber gefassten Mannes.
Es ist faszinierend, Rückerts verschlängelten Lebensweg zu folgen. Dabei trifft man Wegbegleiter, sieht Witziges, entdeckt Kurioses und staunt über die ungeheure Energie und Schöpferkraft Rückerts. Er hat es verdient, im Mittelpunkt zu stehen. Eben weil er kein Denkmal ist.
Die Ausstellung läuft bis 10. Juli, Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr. Infos über Führungen unter www.rueckert-weltpoet.de