zurück
Kreutner über Rückert: „Er zeigte Charakter“
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:53 Uhr

Kunsthalle Ohne das Engagement von Rudolf Kreutner gäbe es die große Ausstellung „Der Weltpoet: Friedrich Rückert – Dichter, Orientalist, Zeitkritiker“ in der Kunsthalle nicht. Im Gespräch zieht er zufrieden Bilanz über die vergangenen Monate und versichert, dass sich Friedrich Rückert über sich als Plastik-Büste amüsiert hätte.

Wie fällt die Bilanz aus?

Rudolf Kreutner: Sehr gut, sowohl bei den Besuchern und der Öffentlichkeit, als auch in der Presse. Auch überregionale Medien haben ausführlich berichtet, es war im Rundfunk bis nach Frankreich präsent, Veranstaltungen gibt es von Wien bis Berlin. Das Goethe-Haus in Frankfurt hat die Ausstellung gelobt, auch das Deutsche Literaturarchiv in Marbach hat uns geschrieben, man sei hier gewesen, entzückt und fasziniert von der Ausstellung und dem Katalog. Sie schrieben: „Da können sich andere Ausstellungsmacher in ihrem einfallslosen, seelenlosen Präsentieren von bedruckten Papieren so viel abschneiden, dass man eine Papierfabrik damit gründen könnte.“ Das ist sozusagen der Ritterschlag. Auch in Sachen Besucherresonanz sind wir sehr zufrieden, haben jetzt die 8000er-Marke geknackt.

Wie ist das im Vergleich zu anderen Ausstellungen?

Kreutner: Sehr gut, auch bei den Begleitveranstaltungen kann man sagen, dass sie sehr gut oder zumindest über dem Durchschnitt besucht sind. Man kann schon sagen, dass wir insgesamt im Kontext Rückert über 10 000 Besucher haben werden.

Haben Sie damit gerechnet?

Kreutner: Nein, Rückert wird nie ein Massenphänomen, selbst Goethe und Schiller nicht, da braucht man sich nichts vormachen. Aber die Besucher kamen aus dem ganzen Bundesgebiet, aus Bonn, Berlin, Stuttgart, Frankfurt, extra für diese Ausstellung. Das ist eine unheimlich positive Resonanz, die ich so nicht erwartet hätte.

Muss man sich dann um unser Bildungsbürgertum gar nicht so viele Sorgen machen, wie immer behauptet?

Kreutner: Ja und nein. Man darf nicht vergessen, dass ein Großteil der Besucher von weiter her ältere Herrschaften sind. Andererseits ist es aber interessant, dass sich immer wieder auch junge Leute für Rückert interessieren. Wir haben in der Rückert-Gesellschaft hauptsächlich Beitritte von jungen Leuten, die sich für die formstrenge Lyrik wieder interessieren, die alte gewohnte Dichtung.

Was gibt uns denn Friedrich Rückert heute, was können wir von ihm lernen?

kreutner: Zum einen zeigt die Person einfach Charakter. Er ist so geradlinig wie möglich seinen Weg gegangen, hat seine Pflichten erfüllt und das Notwendige getan mit einer bewundernswerten Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber. Man muss erst eine eigene Identität haben, um sich dem Fremden öffnen zu können. Rückert hat immer die Gemeinsamkeiten unter den Menschen gesucht. Im Endeffekt sind wir doch alle von der Menschwerdung bis zur Kultur sehr ähnlich. Das war auch sein Anliegen bei seiner Koran-Übersetzung. Er hat bewusst auf die vielen Elemente der Gesetzgebung wie Scheidungsrecht, Erbrecht, etc. verzichtet. Er arbeitete den Mythos des Korans heraus, das Kulturgeschichtliche. Dadurch erkennt man Unterschiede und Gemeinsamkeiten, das ist seine Leistung.

Gab es Reaktionen aus der arabischen und persischen Welt auf die Ausstellung? Schließlich hat Rückert heute dort noch einen sehr guten Ruf.

Kreutner: Ja. Ich weiß, dass mehrere Besucher aus diesen Regionen in der Ausstellung waren. Aber direkt aus der arabischen Welt gibt es noch keine Resonanz, das dauert, bis es dort ankommt.

Gibt es etwas in der Ausstellung, wo Sie sich quasi täglich wieder daran erfreuen?

Kreutner: Es gibt mehrere Sachen, denn die Forschung hat in den vergangenen Jahren viel Neues herausgefunden, wie die Tatsache, dass er sich viel früher mit dem Persischen beschäftigt hat als angenommen. Wichtig ist mir persönlich die Präsentation der Alterslyrik, weil er da hoch aktuell seine Zeit analysiert und erkannt hat. Auch die Wirkungsgeschichte mit van Gogh, dem propagandistischen Missbrauch der Nazis, dass er in Donald Duck vorkommt oder bei Janosch. Das gefällt mir, dass es so viele neue Aspekte gibt.

Sie haben zwei Büsten von Ottmar Hörl hier stehen. Wie empfanden Sie diese Aktion und was würde Rückert dazu sagen?

Kreutner: Er hätte sich amüsiert, da bin ich mir sicher, denn er hatte Humor. Viele Pointen sind wirklich witzig, er hätte sich köstlich amüsiert von der Rückert-Bratwurst bis zu der Hörl-Aktion. Es war eine blendende Idee von Andrea Brandl, die das initiiert hat, und es war toll, dass die Familie Haas vom Kunstverein sich so engagiert hat und später das Bürgerfest von Kunstverein und Bürgerverein Zürch so schön war.

Wie kamen Sie denn persönlich zu Rückert?

Kreutner: Wie die Jungfrau zum Kind. Als das Rückert-Jahr 1988 anstand, suchte die Stadt jemanden für den 1957 angekauften Nachlass. Ich bin Historiker und war bei den Bewerbern der einzige, der die deutsche Schrift lesen konnte. Ich bin gebürtiger Schweinfurter, war in der Albert-Schweitzer-Schule in der zweiten Klasse einmal das Bäumchen, das andere Blätter hat gewollt. Das piekst heute noch (lacht). Ich hatte mit Rückert genauso viel am Hut wie jeder andere Schweinfurter auch, kannte das Denkmal. Aber als ich den Nachlass bearbeitet habe, hat mich die Person schnell fasziniert. Ich bin erstmals auf die Dimension gestoßen, die diese Person mit den Sprachen und den Gedichten hat.

Und wenn man etwas macht, soll man es gescheit machen. Dazu kamen viele interessante vertiefende Arbeiten, und die Rückert-Gemeinde hat viele nette Menschen, wo sich Freundschaften entwickelt haben.

Was bleibt von Rückert, wenn das Rückert-Jahr vorbei ist. Wie kann man das nachhaltig nutzen im Sinne der Stadt?

Kreutner: Ich hoffe, dass es auch wieder so gemacht wird wie 1988, als ich eingestellt wurde. Der Nachlass ist deutschlandweit bekannt, Rückert ist wieder eine Größe in der Forschung, ist auch universitär angekommen. Der Herr Kreutner hat es nicht mehr so weit bis zur Rente und ich wünsche mir, dass eine Nachfolge aufgebaut wird. Es gibt genügend Leute, die die Fähigkeiten hätten, es mit Tragweite auszubauen und neue Akzente zu setzen. Damit wäre Schweinfurt sehr geholfen. Und vor allem: Rückert hätte es verdient. Wir müssen versuchen, ihn weiter im Bewusstsein zu halten. Besucher staunen über Schweinfurt, und dieses Staunen sollten wir aufrechterhalten.

Die Ausstellung geht nun nach Erlangen und Coburg, was ändert sich?

kreutner: Die Ausstellung in der Schweinfurter Form ist einmalig, sie wird reduziert, hat natürlich in Erlangen und Coburg andere Schwerpunkte. In Erlangen werden zum Beispiel von den Universitätsakten Originale dabei sein, in Coburg finden sich dann mehr Dinge, die Bezug zu Coburg haben.

Die Ausstellung „Der Weltpoet: Friedrich Rückert – Dichter, Orientalist, Zeitkritiker“ ist noch bis 10. Juli in der Kunsthalle in Schweinfurt zu sehen. Im Innenhof werden derzeit auch die Rückert-Büsten aus Plastik von Ottmar Hörl gezeigt. Alle Infos zu den verschiedenen Aktionen und Ausstellungen im Rückert-Jahr gibt es unter www.rueckert-weltpoet.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Oliver Schikora
Andrea Brandl
Ausstellungen und Publikumsschauen
Bürgerverein Zürch
Donald Duck
Friedrich Rückert
Janosch
Johann Wolfgang von Goethe
Kunsthäuser
Orientalistinnen und Orientalisten
Rudolf Kreutner
Rückert-Gesellschaft
Stadtkultur Schweinfurt
Vincent van Gogh
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top